Die israelische Soziologin und Publizistin Eva Illouz, aufgewachsen in Marokko und Frankreich, hat unlängst in der linksliberalen Zeitung «Haaretz» einen fulminanten Essay veröffentlicht, in dem sie Ministerpräsident Netanyahu vorwirft, sich vorwiegend mit nationalistischen, teilweise sogar antisemitisch beeinflussten Machthabern – von Trump über Putin bis zu Orban und dem polnischen Regierungschef Morawiecki – zu verbandeln. Sie bezeichnet diese Verbindungen als Allianzen von «dark leaders». Diese gründeten nicht allein auf opportunistischem Kalkül, sondern auf einer nationalistischen Vision. Sie richte sich vehement gegen eine stärkere ethnisch-religiöse Durchmischung in ihren Ländenrn und gegen die Durchsetzung universaler Menschenrechte.
Interessant sind die Gemeinsamkeiten, auf die Illouz zwischen Netanyahu, Putin und Trump verweist. Die Autorin spricht von einem «Triumvirat», das bestrebt sei, einen politischen Block zu schaffen, mit dem sie bestehende internationale Institutionen unterminieren wollten. Was immer man von solchen Zielsetzungen hält – offenkundig ist, dass sich die drei Politiker persönlich gut verstehen. Verwunderlich ist das kaum, denn alle drei sind abgebrühte Zyniker, die sich in allererster Linie für ihren eigenen Machterhalt interessieren und im Grunde an gar nichts glauben. Gleich und gleich gesellt sich gerne, wie es so schön heisst.
Ein anderer gemeinsamer Zug ist die hartnäckige Weigerung, sich für bestimmte Probleme zu engagieren, die aus liberaler und globaler Warte gesehen dringend einer Lösung oder wenigstens ernsthafter Lösungsanstrengungen bedürften. Bei Netanyahu ist das die Palästinenserfrage, für deren Entschärfung er seit vielen Jahren keinen Finger rührt. Putin wiederum tut erstaunlich wenig für die Förderung des Bildungswesens und gegen den damit verbundenen verheerenden Braindrain aus Russland. Und Trump foutiert sich total um dien globale Klimaerwärmung, die er als durchsichtige Verschwörungstheorie von linken und weltfremden Intellektuellen abtut.
Alle drei profitieren sodann von dem unterschwellig kursierenden und von ihnen gern geschürten Gerücht, dass ihre Nachfolger oder Ersatzleute im Falle eines Machtwechsels ungleich schlimmer und gefährlicher wären als die jetzigen Kapitäne auf der Kommandobrücke. Im Falle Netanyahus wäre ein möglicher Nachfolger der ultrareligiöse Scharfmacher Naftali Bennet, an Putins Platz könnte ein grossrussischer Chauvinist und Militär treten und Trump würde im Falle eines Impeachment durch den evangelikalen Frömmler Mike Pence abgelöst. In dieser Perspektive scheint der Status quo manchen Wählern erträglicher als ein Machtwechsel mit möglicherweise dunkleren Konsequenzen.
Den grössten Fehler, den die Gegner und Kritiker des «Triumvirats» Netanyahu-Putin-Trump machen können, ist es, den ausgebufften Machtinstinkt dieser Zyniker und die Anziehungskraft ihrer ethno-nationalistisch eingefärbten Propaganda zu unterschätzen. Ein weltoffenes und sozial ausgewogenes Gegenprogramm genügt nicht für einen Machtwechsel. Dazu sind populäre Persönlichkeiten notwendig, die einen ebenso sicheren Machtinstinkt mit liberalen Grundwerten und einem patriotischen Appeal zu verbinden wissen.
Bis jetzt sind solche Matadore in der Arena noch nicht zu sehen. Das Zeug dazu hätte vielleicht der unerschrockene Putin-Kritiker Nawalny, doch den sperren die Kreml-Schergen immer wieder ins Gefängnis.