Der erste Durchgang der französischen Regionalwahlen vor einer Woche brachte drei Überraschungen:
- Die Rechtsradikalen schnitten schlechter ab als erwartet.
- Die konservativen „Républicains“, die Linke und die Grünen erzielten ein besseres Ergebnis, als sie befürchteten.
- Die Bewegung von Staatspräsident Emmanuel Macron, „La République en marche“ (LREM) verzeichnete ein noch schlechteres Ergebnis, als sie erwartete.
Die Resultate der ersten Runde dieser Regionalwahlen waren jedoch wenig aussagekräftig, da die Wahlbeteiligung extrem tief lag. Nur etwa ein Drittel aller Wählerinnen und Wähler ging zu den Urnen. Laut Umfragen sind vor allem Le-Pen-Wähler im ersten Wahlgang zuhause geblieben. Marine Le Pen sagte denn auch, das Ergebnis reflektiere nicht das wahre politische Kräfteverhältnis im Land.
In der an diesem Sonntag stattfindenden Stichwahl stehen folgende Fragen im Vordergrund:
- Wie weit kann die extreme Rechte von Marine Le Pen ihre Wählerinnen und Wähler mobilisieren? Wie stark kann sie das bescheidene Ergebnis des ersten Wahlgangs verbessern?
- Gelingt es der extremen Rechten von Marine Le Pen, erstmals eine Region zu gewinnen, nämlich die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (Marseilles)? Dort im Südosten Frankreichs war das Rassemblement National (früher: Front National) seit jeher stark. Der Kandidat des Rassemblements, Thierry Mariani, liegt in den Meinungsumfragen Kopf-an-Kopf mit Renaud Muselier, dem Kandidaten der konservativen Les Républicains.
- Können „Les Républicains“ (früher UMP, die Partei von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy) ihr gutes Ergebnis der ersten Runde verteidigen?
- Welches Ergebnis erzielt in der Region Hauts-de-France (Lille) ihr Präsident Xavier Bertrand? Er war aus der Partei Les Républicains ausgetreten, hat jedoch weiterhin ihre Unterstützung. Im ersten Wahlgang erhielt er 33 Prozent der Stimmen. Gemäss Umfragen könnte er in der Stichwahl auf über 40 Prozent kommen. Das Interesse konzentriert sich auf ihn, weil er der erste konservative Kandidat ist, der offiziell für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr kandidiert.
- Werden in der Region Île-de-France (Paris) die Konservative Valéry Pécresse und in der Region Auvergne Rhône-Alpes (Lyon) der Konservative Laurent Wauquiez wiedergewählt?
- Die Linke, die Sozialisten, die Grünen und die sehr linke Bewegung „La France insoumise“, kamen im ersten Wahlgang zusammen auf gut 30 Prozent der Stimmen. Können sie diesen Anteil in der Stichwahl behalten?
- Kann Macrons La République en marche etwas Boden gutmachen?
Erste Ergebnisse sollten am Sonntag gegen 20.00 Uhr eintreffen.
Selbst wenn die Wahlbeteiligung diesmal viel höher ist als im ersten Wahlgang, wäre es gefährlich, Schlüsse für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Mai zu ziehen. Bei Regionalwahlen ist die Wahlbeteiligung traditionell viel tiefer als bei Präsidentschaftswahlen.
Ergebnisse des 1. Wahlgangs (20. Juni 2021)
Linke (Sozialisten, France insoumise + andere) 30,7%
Gemässigte Rechte (Républicains + andere) 29,6%
Rassemblement National (Le Pen) 19,3%
La République en marche (Macron) 8,8%
Die Wahlbeteiligung betrug 33,7 Prozent
Zur Wahl aufgerufen waren 45 Millionen Französinnen und Franzosen.
(J21)