Die europäischen Ultrarechten und Rechtspopulisten hatten zu früh gejubelt. Zwar haben die Rechtsaussen-Parteien erwartungsgemäss zugelegt, doch nicht in dem Ausmass, als dass sie wichtigen Einfluss auf die künftige EU-Politik gewonnen hätten. Ursula von der Leyen wird wohl Kommissionspräsidentin der EU bleiben.
Provisorische Sitzverteilung, Quelle: Europaparlament (Montag 16.45 Uhr)
Die «Fraktion der Europäischen Volkspartei» EVP (Christlichsoziale) 186 Sitze (plus 10) zählt im künftig 720-Mitglieder-Europaparlament (bisher 705 Sitze) 185 Sitze (plus 9 Sitze). Der EVP gehören u. a. die CDU/CSU, Le Républicains, Forza Italia, die ÖVP und die spanische PP an.
Die Fraktion der «Progressiven Allianz der Sozialdemokraten» erzielt 135 Sitze (minus 4). Der sozialdemokratischen Fraktion gehören u. a. die SPD, die SPÖ, der Parti Socialiste und der italienische Partito Democratico (PD) an.
Die Rechtspopulisten und Rechtsaussen-Parteien haben weniger stark abgeschnitten, als sie es erhofft hatten. Insgesamt gewinnen sie nur 13 Sitze dazu. (Dazu kommen 6 Sitze der jetzt aus der ID-Fraktion ausgeschlossenen AfD.) Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National hatte prophezeit, die Rechtspopulisten und Rechtsextremen würden im Europaparlament zweitstärkste Kraft werden. Das ist nicht gelungen.
Der italienische Lega-Chef Matteo Salvini hatte im Vorfeld der Wahlen behauptet, die Rechtsaussen-Parteien würden künftig das Europaparlament «fulminant dominieren». Davon sind sie weit entfernt.
Selbst wenn sich alle rechten Parteien zusammenschliessen würden, kämen sie auf weniger als 200 Sitze und wären damit im 720 Mitglieder zählenden Parlament von einer Mehrheit weit entfernt. Diese liegt bei 361 Sitzen.
Die rechtspopulistische, teils rechtsextreme «Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer» (EKR) kommt auf 73 Mandate. Das sind nur 4 Sitz mehr als bisher. Der EKR gehören u. a. Giorgia Melonis «Fratelli d'Italia», die polnische PiS, die rechtsextreme französische Reconquête von Éric Zemmour, die rechtsextreme spanische VOX und die Schwedendemokraten an.
Die ultrarechte und rechtspopulistische «Fraktion Identität und Demokratie» (ID) erzielt 58 Mandate. Das bedeutet ein Plus von 9 Sitzen. Der ID gehören u. a. das «Rassemblement National» von Marine Le Pen, der belgische «Vlaams Belang», die italienische «Lega» von Matteo Salvini un Geert Wilders’ niederländische «Freiheitspartei» an.
Zu den grossen Verlierern gehören laut ersten Ergebnissen die Liberalen und die Grünen.
Die Fraktion der Grünen verlor 18 Sitze und kommt noch auf 53 Mandate. Die Liberalen (Fraktion Renew) büssen sogar 23 Sitze ein und verfügen noch über 79 Mandate.
Die «Linke Fraktion» im Europäischen Parlament verliert 1 Sitz und totalisiert noch 36 Mandate.
Neuwahlen in Frankreich
Nach herben Verlusten seines Bündnisses ruft der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nationale Neuwahlen auf und löst die Nationalversammlung auf. Neuwahlen sollen bereits am 30. Juni und 7. Juli stattfinden. Artikel 12 der Verfassung erlaubt es dem Staatspräsidenten, Neuwahlen anzusetzen.
Frankreich: Einbruch der Macron-Bewegung
Rasssemblement National (Le Pen) 31,5 %, plus 12 Sitze im Europaparlament
Besoin d’Europe (Macron und Alliierte) 14,6 %, minus 8 Prozent an Stimmen, minus 9 Sitze
Réveiller l’Europe (Parti Socialiste, Raphaël Glucksmann) 13,8 %
La France Insoumise (Jean-Luc Mélenchon, linksaussen) 7,2 %
La Droite 7,3 %
Europe Écologie 5,5 %
Italien: Wie erwartet
In Italien schlossen die letzten Wahllokale am Sonntagabend um 23.00 Uhr. Der Vormarsch von Melonis Fratelli d’Italia auf Kosten ihres Koalitionspartners Lega war erwartet worden. Ein überraschend starkes Ergebnis erzielten die Sozialdemokraten.
Fratelli d’Italia (Giorgia Meloni) 28,8%, plus 14 Sitze
Partito Democratico (Sozialdemokraten) 25,6%, plus 6 Sitze
Cinque Stelle 9,7 %, plus 3 Sitze
Forza Italia (Ex-Berlusconi) 8,5 - 10,5%
Lega (Matteo Salvini) 8,5%, minus 14 Sitze
Forza Italia (Ex-Berlusconi) 8,8%, 7 Sitze (-)
Alleanza Verdi-Sinistra 6,6%, (plus 6 Sitze)
Im Vergleich zu den Europawahlen vor fünf Jahren hat die Lega von Vize-Ministerpräsident Salvini etwa 26 Prozent an Stimmen eingebüsst. Die Mehrheit dieser für die Lega verloren gegangenen Voten gingen vermutlich an Melonis Fratelli d’Italia.
Deutschland: AfD plus 4,9 %
CDU/CSU 30,0% (-)
AfD 15,9%, plus 4,9%
SPD 13,9%, minus 1,9%
Grüne 11,9%, minus 8,6%
Bündnis Sahra Wagenknecht 6,2%, plus 6,2%
FDP 5,2%, minus 0,2%
Linke 2,7%, minus 2,8%
Freie Wähler 2,7%, plus 0,5%
Volt 2,6%, plus 1,9%
Wegen mehrerer Skandale war die AfD im Europaparlament aus der ultrarechten Fraktion «Identität und Demokratie» (ID) auf Antrag von Marine Le Pen rausgeworfen worden. Die AfD gehört nun der «Fraktion der Fraktionslosen» an, was ihren Einfluss im Parlament stark reduziert.
Österrreich: Wie erwartet
Die rechtspopulistische FPÖ von Herbert Kickl wird in Österreich stärkste Partei.
Die FPÖ gewinnt bei den Europawahlen 25,7 Prozent der Stimmen und 3 Sitze mehr als bisher.
Die ÖVP kommt auf 24,7 Prozent und verliert im Europaparlament 2 Sitze.
Die SPÖ erzielt 23,2 Prozent (keine Änderung der Sitzzahl).
Die Grünen kommen auf 10,7 Prozent (ein Sitzverlust) und die NEOS auf 9,9 Prozent Prozent (ein Sitzgewinn).
Niederlande: Geert Wilders auf Platz zwei
In den Niederlanden liegt die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders auf Platz zwei und könnte sieben Sitze im Europaparlament dazugewinnen.
PvdA (sozialdemokratisch, grün) 21,6 Prozent (9 Sitze wie bisher)
PVV «Partij voor de Vrijheid» (Wilders) 17,7 Prozent (plus 6 Sitze)
Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (konservativ, liberal) 11,6 Prozent (minus 1 Sitz)
CDA, christlichdemokratisch 9,7 Prozent (minus 2 Sitze)
Polen: Verluste für die PiS
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk lässt seinen ewigen Widersacher Jaroslaw Kaczynski hinter sich.
KO (liberal-konservativ, Donald Tusk) 37,4%, 21 Sitze
PiS (Jarosław Kaczyńsk) 35,7% (19) Sitze, minus 5 Sitze
Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit 11,8%, plus 6 Sitze
Trzecia Droga 7,3%
Ungarn: Ein überraschender Newcomer
Der politische Newcomer Péter Magyar hat bei der Europawahl in Ungarn aus dem Stand fast dreissig Prozent der Stimmen geholt.
Fidesz (Viktor Orbán) 44,8 %,11 Sitze
Tisza (Péter Magyar) 29,6 %, 7 Sitze
DK- MSZP 8,1 %, 2 Sitze
MH 6,7 %, 1 Sitz
Wahlbeteiligung: gut 50 Prozent
Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl liegt EU-weit bei rund 51 Prozent, etwas höher als vor fünf Jahren.