Eine Durchfahrt durch den Panamakanal ist teuer. Trump spricht von «lächerlichen, exorbitanten, unfairen Kosten». Das berechtigt ihn aber nicht, die Kontrolle über den 82 Kilometer langen Kanal zu übernehmen.
An Weihnachten ernannte Trump einen neuen Botschafter in Panama. Gleichzeitig feuerte der neue amerikanische Präsident eine Salve neuer Tweets ab. «Ich freue mich, ankündigen zu können, dass Kevin Marino Cabrera als Botschafter der Vereinigten Staaten in der Republik Panama fungieren wird, einem Land, das uns beim Panamakanal abzockt, und zwar weit über seine kühnsten Träume hinaus» (far beyond their wildest dreams).
Neben der provokativen Forderung, Grönland zu «amerikanisieren» und Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen, schiesst sich Trump neuerdings vor allem auf Panama ein. Das tat er bisher nicht. Gemäss amerikanischen Medien haben ihm Freunde, die ihn an Weihnachten in Mar-a-Lago besuchten, diesen Floh ins Ohr gesetzt.
Bis 450’000 Dollar pro Durchfahrt
Jährlich fahren etwa 14’000 Schiffe durch den Panamakanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Die Transitgebühren variieren stark: Sie hängen ab von der Grösse des Schiffes, dem Tiefgang, der Tonnage, der Art der Fracht und der Jahreszeit. Containerschiffe zahlen zwischen 80’000 und 120’000 Dollar für eine Durchfahrt. Für die sogenannten «Ultra Large Container Vessels» (ULCVs), können die Kosten auf über 450’000 US-Dollar steigen.
Eine Durchfahrt dauert im Idealfall zwölf Stunden. Bei schlechten Wetterbedingungen kann es erheblich länger dauern. Schiffe mit grossem Tiefgang brauchen länger. Auch der Verkehr im Kanal beeinflusst die Transitzeiten.
Keine Alternative
Auch wenn die Durchfahrt teuer ist, die Alternative, die Umrundung der Südspitze Südamerikas, schreckt viele ab. Sie dauert je nach Grösse des Schiffs und Wetterbedingungen zwischen einem und zwei Monaten. Eine Fahrt von New York nach San Francisco via der Südspitze Südamerikas beträgt 30’000 Kilometer – durch den Panamakanal sind es 10’000 Kilometer. Der Kanal ist eine «Milchkuh» des Staates Panama. Insgesamt eine Milliarde Dollar Gebühren nimmt Panama mit dem Kanal ein. Das sind 3 Prozent des Bruttosozialprodukts. Der Panamakanal ist neben dem Suezkanal die wichtigste Wasserstrasse der Welt.
Der neue amerikanische Botschafter ist jetzt beauftragt worden, Panama in die Zange zu nehmen. Er habe im Wahlkampf einen «FANTASTISCHEN Job gemacht», und werde jetzt «die Interessen unserer Nation in Panama vertreten», sagt Trump. Die hohen Durchfahrtsgebühren müssten «sofort ein Ende haben».
«Marktübliche» Gebühren
Der panamaische Präsident José Raúl Mulino reagierte eher gelassen auf die Drohungen Trumps. «Jeder Quadratmeter» des Panamakanals und der umliegenden Gebiete gehörten Panama. Die Souveränität und Unabhängigkeit seines Landes seien «nicht verhandelbar». Die von Panama erhobenen Gebühren seien «marktüblich» und richteten sich nach Grösse und Tonnage der durchfahrenden Schiffe. «Die Gebühren sind keineswegs willkürlich», betonte Mulino. «Sie werden auf transparente Weise und im Rahmen öffentlicher Anhörungen festgelegt.»
Zum Vergleich: Eine Durchfahrt des Suezkanals kostet im Durchschnitt etwa 300’000 Dollar. Der ägyptische Staatsbetrieb «Suez Canal Authority» (SCA) nimmt pro Jahr über 5 Milliarden US-Dollar Transitgebühren ein.
«Louisiana Purchase»
Will Trump den Kanal kaufen – und auch Kanada und Grönland dazu? Schon einmal vergrösserten die USA ihr Staatsgebiet mit massiven Zukäufen. Amerikanische Medien erinnern an den «Louisiana Purchase» von 1803. Es war das grösste Grundstückgeschäft in der Geschichte. Die USA kauften den Franzosen über zwei Millionen Quadratkilometer Land im Mittleren Westen ab. Dazu gehörten die heutigen Bundesstaaten Louisiana, Arkansas, Missouri, Iowa, Oklahoma, Kansas und Nebraska sowie Teile von Minnesota, North Dakota, South Dakota, Texas, New Mexico, Colorado, Wyoming, Montana, zudem noch Randgebiete der kanadischen Provinzen Manitoba, Saskatchewan und Alberta. Gemessen am heutigen Kaufwert erhielten die Franzosen für die Abtretung dieser Gebiete über 270 Millionen Dollar.
Doch auch Trump weiss: Solche Zukäufe von Land sind heute unvorstellbar. Es wird keinen «Canada Purchase» und keinen «Greenland Purchase» geben – und auch keinen «Panama Purchase». Will er also einfach Druck aufsetzen, um die Gebühren für amerikanische Schiffe zu senken?
«Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen»
Nach wie vor fliehen Tausende Menschen aus Südamerika über die gefährliche, dschungelartige Darién-Landbrücke zwischen Kolumbien und Panama nach Norden – mit dem Ziel USA. Zwar haben sowohl Kolumbien als auch Panama Massnahmen eingeleitet, um den Flüchtlingsstrom zu bremsen. Doch vielen gelingt die Flucht trotzdem. Will nun Trump – mit der Drohung, den Kanal zu übernehmen – die panamaische Regierung nötigen, den Flüchtlingsstrom endlich endgültig zu bremsen?
Für Trumps nationalistisches Publikum ist seine Panama-Provokation sehr willkommen. Sie stärkt das amerikanische Selbstwertgefühl. Trumps Botschaft ist seit langem die Gleiche: Wir in Amerika tun so viel für die freie Welt und die freie Wirtschaft, wir zahlen und zahlen – und kriegen fast nichts dafür. Jetzt ist fertig, wir lassen uns nicht mehr vorführen. Wir haben den Kanal gebaut, ihn jahrelang betrieben, Millionen und Abermillionen investiert, und jetzt verlangt Panama von uns Hunderttausende Dollar pro Durchfahrt. Nun sind wir es, die Forderungen stellen. An Weihnachten veröffentlichte er auf seinem Truth-Social-Account ein provokatives Bild. Darauf ist eine amerikanische Flagge zu sehen, die auf dem Kanal segelt. Dazu hiess es: «Willkommen auf dem Kanal der Vereinigten Staaten.»
Blenden wir zurück
Der Traum von einer Wasserstrasse zwischen Atlantik und Pazifik wird erstmals 1523 geträumt. Damals gibt der spanische König Carlos I. (auch Carlos V. genannt) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. In den folgenden drei Jahrhunderten beschäftigen sich zahlreiche Wissenschafter und Phantasten mit einem Kanalbau.
Ernst wird es 1880. Damals beginnt die französische «Compagnie Universelle du Canal Interocéanique» mit dem Bau. Geleitet wird das Unternehmen von Ferdinand de Lesseps. Er hatte den Suezkanal gebaut. Doch in Panama erkranken Tausende an Gelbfieber und Malaria. Jeden Tag sterben sieben bis acht Menschen. Insgesamt kommen zwischen 1881 und 1889 22‘000 Arbeiter ums Leben. Auch wegen technischer und geologischer Hindernisse scheitert das Projekt spektakulär und löst in Frankreich einen riesigen Finanzkollaps aus.
Dann kommt Theodore Roosevelt
Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt will es besser machen als die Franzosen. Die Amerikaner kaufen die Konzession und beginnen zu graben. Doch es gibt ein Problem. Das Gebiet des heutigen Panama ist Teil des kolumbianischen Staatsgebiets. Kolumbien weigert sich jedoch, auf die amerikanischen Forderungen einzugehen und auf den Isthmus zu verzichten. So schickt denn Präsident Roosevelt mit dem Kriegsschiff USS-Nashville eine Invasionstruppe nach Panama. Amerikanische Soldaten besetzen 1906 das Gebiet, töten die dort wirkenden kolumbianischen Militärführer und rufen den Staat Panama aus. Heute würde man von einer «aggressiven, kriminellen Verletzung des Völkerrechts» sprechen.
Immer wieder werden die Bauarbeiten durch starke Erdrutsche behindert. 1907 kommt es im Culebra Cut zum sogenannten Cucaracha-Rutsch. 382’000 Kubikmeter Lehm und Geröll verschütten den schon ausgehobenen Kanal. 1913 kommt es an der gleichen Stelle zu einem weiteren Erdrutsch. Schon werden Stimmen laut, die behaupten, der Bau des Kanals sei aus geologischen Gründen nicht möglich. Gebaut wird die Wasserstrasse zweispurig, das heisst, es herrscht Gegenverkehr.
Für das Abtreten der Kanalzone erhält Panama von den USA die lächerliche Summe von zehn Millionen US-Dollar und die Zusage einer jährlichen Zahlung von 250’000 US-Dollar. Kolumbien wird später von den USA mit insgesamt 25 Millionen Dollar für den Verlust Panamas entschädigt.
Der Kanal wird Mitte August 1914 freigegeben. 200 Personen befinden sich am 15. August 1914 zur festlichen Eröffnung auf der S. S. Ancón. Sie singen und feiern. Endlich muss nicht mehr die Südspitze Südamerikas, das Kap Hoorn, umfahren werden.
Doch erst am 12. Juli 1920 wird der Kanal vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson offiziell dem Verkehr übergeben. Grund für die verzögerte Einweihung ist der Erste Weltkrieg. Um die Wasserstrasse abzusichern, legen die USA entlang des Kanals die «Panamakanalzone» an, ein Landstreifen, der von amerikanischen Truppen kontrolliert wird. Dies führt oft zu Konflikten zwischen den USA und panamaischen Nationalisten. Am 17. September 1960 gibt US-Präsident Dwight Eisenhower bekannt, dass in der Kanalzone ab sofort beide Flaggen gemeinsam gehisst werden müssen: jene Panamas und jene der USA. So sollte die Zusammenarbeit beider Staaten zum Ausdruck gebracht werden.
1977 handelt US-Präsident Jimmy Carter mit General Omar Torrijos die Torrijos-Carter-Verträge aus. Sie sehen vor, dass der Kanal bis zum Jahr 2000 an Panama abgetreten wird. Am 31. Dezember 1999 ist es so weit: Um 12.00 Uhr findet die feierliche Übergabe statt. Jetzt wird der Kanal von Panama verwaltet und gehört völkerrechtlich zu Panama, was Trump offenbar nicht kümmert.
«Die wunderbaren Soldaten Chinas»
Bei seiner jüngsten Provokation geht es Trump nicht nur um die Transitgebühren. Es stört ihn, dass chinesische Arbeiter am Betrieb des Kanals beteiligt sind. «Frohe Weihnachten an alle», schreibt er zynisch auf seinem sozialen Netzwerk Truth, «auch an die wunderbaren Soldaten Chinas, die liebevoll, aber illegal den Panamakanal betreiben.»
Der Kanal muss «ausschliesslich von Panama kontrolliert werden und nicht von China oder irgendjemand anderem», sagt Trump. Sollte das kleine Panama nicht in der Lage sein, den «sicheren, effizienten und zuverlässigen» Betrieb des Kanals sicherzustellen, werde er die bedingungslose Rückgabe der Wasserstrasse verlangen, droht er.
Faustdicke Drohung
Im Hintergrund steht die Angst, dass die Chinesen in Amerika mehr und mehr Fuss fassen. Ganz unbegründet ist diese Furcht nicht. Sowohl in Süd- als auch in Mittelamerika versuchen sich die Chinesen einzugraben, so zum Beispiel mit dem Megahafen Chancay in Peru. Trumps nette Worte von den «wunderbaren Soldaten Chinas», die «liebevoll» den Kanal betreiben, sind im Grunde genommen eine faustdicke Drohung an die Adresse Pekings. Die Botschaft lautet: Wir Amerikaner lassen die Chinesen nicht mehr einfach nur gewähren.
Doch eine Sorge muss Trump wohl nicht haben.
Am chinesisch-nicaraguanischen Wirtschaftsgipfel in Managua am 18. und 19. November präsentierte Daniel Ortega, der diktatorisch regierende Präsident Nicaraguas, neue Pläne für einen Atlantik-Pazifik-Kanal durch Nicaragua. 500 chinesische und nicaraguanische Geschäftsleute nahmen an dem Treffen teil. Würde ein solcher konkurrierender Panamakanal mit chinesischer Hilfe durch Nicaragua entstehen, könnten die Chinesen wahrscheinlich erheblichen Einfluss auf den Welthandel nehmen.
Hirngespinst
Doch das neue Projekt mutet abenteuerlich an. Der Kanal, der von Bluefields an der Atlantikküste Nicaraguas bis nach Puerto Corinto am Pazifik reichen soll, wäre 445 (!) Kilometer lang – also fünfeinhalb Mal so lang wie der Panamakanal. Vorgesehen ist eine sehr breite Wasserstrasse, auf der die allergrössten Frachtschiffe verkehren könnten. Von der Finanzierung des Riesenvorhabens spricht noch kaum jemand. Ortega hofft, dass sich «unsere Brüder aus China» dem Vorhaben anschliessen. Eigentlich ist das Nicaragua-Projekt ein Hirngespinst.
China war schon dabei, ein früheres Konzept zu finanzieren. Dieses sah eine kürzere Route durch den Nicaragua-See (Cocibolca) vor. Das Projekt wurde 2014 mit einem symbolischen Spatenstich auf die Wege gebracht, doch es wurde nicht weiterverfolgt und im vergangenen Frühjahr fallengelassen. Das vom chinesischen Milliardär Wang Jing geführte Konsortium, das 50 Milliarden Dollar aufbringen sollte, bekam offenbar Geldprobleme. Wang Jing kriegte kalte Füsse.
Doch auch wenn die Chinesen je einen Kanal durch Nicaragua graben sollten, würde es Jahrzehnte dauern, bis die Bauarbeiten fertig wären. Der Panama-Kanal mit seinen umstrittenen Transitgebühren wird also noch lange der einzige Wasserweg zwischen Atlantik und Pazifik sein.