Seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump die amerikanische Medienhierarchie auf den Kopf gestellt. Bei Pressekonferenzen werden nicht mehr Nachrichtenagenturen oder grosse Zeitungen und Fernsehsender bevorzugt behandelt, sondern erzkonservative, dem Weissen Haus wohlgesinnte Medien, unter ihnen auch der eine oder andere Fabrikant von Fake News. Eine Gefahr für die Demokratie ist das noch nicht, auch wenn einzelne Vertreter des Medienestablishments, verwöhnt und an ungehinderten Zugang gewöhnt, das so sehen.
Die Pessimisten mögen sich an den legendären Zeitungskolumnisten Jimmy Breslin erinnern, der diese Woche im Alter von 88 Jahren in New York gestorben ist. Breslin war der Prototyp des abgebrühten Reporters, neugierig, hartnäckig, witzig, unermüdlich und trinkfest. Mochten andere vom Büro aus, per Telefon, recherchieren, er war zu Fuss unterwegs, direkt am Schauplatz des Geschehens, um selber sehen und mit Beteiligten reden zu können.
Als zum Beispiel 1963 John F. Kennedy in Washington DC begraben wurde, war „J. B. Number One“, wie er sich nannte, unter Hunderten von Berichterstattern der Einzige, der sich von der Meute löste und auf dem Heldenfriedhof in Arlington Clifton Pollard interviewte, jenen schwarzen Arbeiter, der für 3.01 Dollar pro Stunde das Grab des ermordeten Präsidenten grub. Breslin hatte bereits als junger Journalist seine Lektion gelernt: Spannend sind nicht Sieger, sondern Verlierer – im Sport, in der Politik, im Alltag. „Du musst viel Treppen steigen“, pflegte er zu predigen: „Alle guten Geschichten sind im obersten Stock.“
Jimmy Breslins Erkenntnis gilt es zu beherzigen, wenn Medien sich fragen, wie das Phänomen Trump zu bewältigen sei. Es reicht künftig nicht mehr aus, von sicherer Warte aus zu analysieren und zu kommentieren. Erst müssen, in mühseliger Kleinarbeit, am Boden Fakten gesucht und festgenagelt werden – unvoreingenommen und vorurteilsfrei. Und all dies im Dienste der Öffentlichkeit und nicht, um prestigeträchtige Preise zu gewinnen oder die eigene Karriere zu fördern.
An Ideen, wie Donald Trump zu begegnen wäre, mangelt es nicht. Jill Abramson, die frühere Chefredaktorin der „New York Times“, rät ihrer Zunft, statt sich in Hahnenkämpfe zu verstricken, öfter zu kooperieren und Ressourcen zu teilen, wie es die Medien in einzelnen Fällen schon erfolgreich getan haben. Zweifellos werde das Weisse Haus das Ergebnis solcher Recherchen Fake News schimpfen: „Doch eine kenntnisreiche, peinlich genaue Berichterstattung durch ein Kollektiv grosser Nachrichtenorganisationen könnte das beste Gegenmittel sein.“
Jay Rosen, Professor an der New York University, empfiehlt, mehr Journalismus von aussen nach innen zu betreiben, d. h. zum Beispiel die prestigeträchtige Berichterstattung aus dem Weissen Haus, wo eh keine Real News zu erfahren sind, den Volontären anzuvertrauen und die erfahrenen Leute anderswo arbeiten zu lassen. Politische Kommunikation funktioniert laut Rosen heute nicht mehr wie gehabt. Deshalb gilt es, Altgewohntes zu vergessen und Neues zu versuchen.
Nachrufer haben Jimmy Breslin als Angehörigen einer aussterbenden Spezies beschrieben, als Kolumnisten, der wie kein zweiter die Sprache einer Grossstadt sprach. Zwar lösen sich In Zeiten des Internets lokale Publika zunehmend auf und mutieren zu nationalen oder globalen Gemeinschaften. Breslins Credo aber bleibt. Der Nachfahre irischer Einwanderer sah sich stets als Vertreter des kleinen Mannes, der mutig die Mächtigen herausfordert: „Wut ist die einzige Eigenschaft (…), die mich dazu motiviert hat, Zeitungskolumnen zu schreiben.“ Amen.