Vieles ist hintersinnig versteckt in den riesigen Maschinenskulpturen des Fribourgers Jean Tinguely (1925-1991). Jede der fünf „Méta-Harmonies“, die nun in Basel erstmals zusammengeführt wurden, ist ein schier unerschöpfliches Entdeckungsfeld, ein Pandämonium nicht nur bildnerischer, sondern auch akustischer Art.
Bissige Fröhlichkeit
In diesen beweglichen und von jeder Seite her einsehbaren „Musikmaschinen“ herrscht vordergründig zwar keinerlei schwarze Magie. Eine eher bissige Fröhlichkeit gibt den Ton an, sowohl bildnerisch wie akustisch. Die Betrachter aber werden in einen Sog hineingezogen, der zwischen Lachen, Erstaunen und Erschrecken oszilliert.
Tinguely, in Basel aufgewachsen, begann seine Karriere in den Vierzigerjahren in Basel als Schaufenster-Gestalter mittels beweglicher Drahtelemente. Heute gilt er als einer der Hauptvertreter der Nouveaux Réalistes. Er wurde massgeblich geprägt sowohl durch seine Freundschaften mit Daniel Spoerri, Eva Aeppli und Bernhard Luginbühl als auch während seines Pariser Aufenthalts in den Fünfziger- und Sechzigerjahren durch Künstlerbegegnungen wie jenen mit Yves Klein, Niki de Saint Phalle oder später dem Komponisten John Cage.
Nicht nur auf letzteren, sondern ganz allgemein auf Tinguelys Auseinandersetzung mit der Musique concrète dürfte wohl die Entwicklung seiner ersten grossen Musikmaschine „Méta-harmonie I“ von 1978 für die sogenannte Basler Hammerausstellung zurückzuführen sein. Vorläufer waren seit 1955 Tinguelys bewegliche Reliefs „Méta-Mécaniques“, die spätestens seit seiner Teilnahme an der Kasseler Documenta 1964 seine weltweite Bekanntheit und Anerkennung begründet hatten. Doch schon im Jahre 1960 hatte er im Garten des Museum of Modern Art in New York mit einer riesigen Skulptur, die im Rahmen einer Aktion sich selbst zerstörte, internationales Aufsehen erregt.
Widerstand gegen das Verfliessen
Nun, in den Musikmaschinen zerstört sich während ihrer Laufzeit gar nichts. Und doch ist etwas an ihnen logischerweise vergänglich: Es sind ihre Klänge, die, kaum entstanden, auch schon vergangen sind. Diese Dimension des vergänglichen akustischen Augenblicks dürfte Tinguely entscheidend umgetrieben haben. Er setzt sowohl mit seinen Skulpturen als auch mit den Klang- oder Lichtmaschinen einen fast grimmigen Widerstand gegen das spurlose Verfliessen von Zeit. In „Méta-Harmonie III“ setzte er erstmals Tierschädel ein.
Später, vor allem nach dem Unfalltod seines Freundes, des Rennfahrers Jo Siffert, sollten seine makabren altargleichen Aufbauten und Installationen von Widderköpfen beherrscht sein. Eines seiner eindrucksvollsten Spätwerke dieser Art ist das „Mengele-Totentheater“ von 1986, das er aus dem Schutt eines abgebrannten Bauernhauses errichtet hat.
Witz und Überraschung
In den Meta-Harmonien aber werden die Betrachter und Zuhörer von jenem Faktor angelockt, der Tinguely so bekannt und beliebt gemacht hat: dem Überraschungsmoment, das oft zum Lachen, aber eben auch zum Nachdenken reizt. Und wenn nun in der grossen Halle des Basler Tinguely-Museums alle fünf Meta-Harmonien zum ersten Mal nicht nur ausstellungsmässig vereint sind, sondern auch noch gleichzeitig ertönen, sind das Augenblicke, die im Gedächtnis bleiben.
Die längste Anreise hat „Pandämonium Nr. 1, Méta-Harmonie 3“ von 1984 hinter sich, die vom Sezon Museum of Modern Art in Karuizawa zum ersten Mal überhaupt ausgeliehen wurde. Auf deren Rückseite versteckt sich auch der eingangs zitierte Uhu, auf der Vorderseite flankiert von einem Adler – also unseren grössten europäischen Greifvögeln. Ergänzt werden sie in diesem Auftragswerk für Japan mit schweizerischen Versatzstücken, so einem Fondue-Caquelon und einer originalen Basler Trommel (Tinguely war aktiver Fasnächtler in der legendären „Kuttlebutzer-Clique“).
Die wohl melodischste Skulptur, „Méta-Harmonie I“ von 1978, reiste aus dem Museum Ludwig von Wien her an. Die übrigen befinden sich, entweder als Dauerleihgabe oder direkt, im Besitze des Basler Tinguely-Museums, sind aber nicht permanent ausgestellt. Die einzige fahrbare Skulptur, „Klamauk“ von 1979, auf einem alten Traktor montiert, ist ratternd und zischend auch im Leichenzug Tinguelys in Fribourg mitgefahren, ebenso 2011 durch Basels Strassen zur Erinnerung an den 20. Todestag des ganz allgemein als Basler angesehenen Künstlers.
Die Ausstellungsmacherinnen Annja Müller-Alsbach und Sandra Beate Reimann ergänzten dieses „visuell-akustische Klangspektakel“ mit einem ebenso spannenden wie klugen Begleitprogramm sowohl von installativen Künstlerarbeiten als auch Konzerten, Führungs- und Kinderprogrammen.
Ausstellung „Musikmaschinen / Maschinenmusik“, Museum Tinguely, Basel, bis 22. Januar 2017