Die Schweiz hat das 21. Aussenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Gastgeber makellos über die Bühne gebracht. Die zweitägige Konferenz von 57 Staaten ging am Freitag im Basler Messegebäude zu Ende. Bundespräsident Didier Burkhalter beendete damit seine einjährige Amtszeit als Vorsitzender der OSZE mit Brio.
Es gehört zu den Gepflogenheiten der OSZE, dass der Staat, der die Organisation für jeweils ein Jahr präsidiert, auch die obligate Aussenministerkonferenz veranstaltet. Vergangenes Jahr war Irland an der Reihe, nächstes Jahr wird es Serbien sein. Als Schweizer Austragungsort hatte sich Basel beworben. Die Zustimmung der anderen OSZE-Mitglieder war nur eine Formalität. Basel erhofft sich von der hochkarätigen politischen Versammlung eine Aufwertung als internationale Kongressstadt. Das war dem Halbkanton Spesen in der Höhe von 2,9 Millionen Franken wert.
"Markant verschlechterte Sicherheitslage"
In die Weltgeschichte wird die Basler Konferenz allerdings kaum eingehen. Der Ukraine-Konflikt, der die Beratungen beherrschte, kam seiner Lösung keinen Schritt näher. Die Generaldebatte geriet zu einem Schlagabtausch zwischen Russland und den westlichen Teilnehmerstaaten. Letztere klagten Russland an, die vor fast 40 Jahren in der Schlussakte von Helsinki – dem Gründungsdokument der OSZE – niedergeschriebenen Prinzipien mehrfach missachtet zu haben. Dazu gehört die Unverletzbarkeit der Grenzen. Insgesamt habe sich die Sicherheitslage in Europa markant verschlechtert, stellte Burkhalter fest. Der flagranteste Fall sei die Annexion der Krim durch Russland.
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow wies der EU und den USA die Hauptschuld zu. Noch vor einem Jahr hätte man das Drama verhindert können, erklärte er, doch die EU habe die Verhandlungen zwischen der damaligen ukrainischen Regierung, den Separatisten und Moskau blockiert und einen Staatsstreich in Kiew unterstützt. Immerhin waren sich alle Konferenzteilnehmer einig, dass die OSZE ihre Bemühungen um einen haltbaren Waffenstillstand und eine politische Lösung intensivieren müsse.
"Niemand sucht eine Konfrontation mit Russland"
Lange hielten sich die Tenöre der Weltpolitik allerdings nicht in Basel auf. Lawrow fand am Donnerstag noch Zeit, mit seinem US-Amtskollegen John Kerry unter vier Augen zu sprechen. Dann reisten beide ab, wie auch der Deutsche Frank-Walter Steinmeier. Alle Vertreter der Westmächte beteuerten, das „niemand eine Konfrontation mit Moskau oder eine Isolierung Russland“ wolle.
Der ukrainische Aussenminister Pawlo Klimkin rief die internationale Gemeinschaft auf, die OSZE zu ermächtigen, „entscheidende Massnahmen“ zur Beendigung des Konflikts um die Ukraine zu ergreifen. Das ist natürlich Wunschdenken, denn die Organisation kann Entscheidungen nur im Konsens treffen. Die Hoffnungen konzentrieren sich jetzt auf den neuen Waffenstillstand zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten, der unter Vermittlung der OSZE zustande kam und am kommenden Dienstag in Kraft treten soll.
Verbot einseitiger Änderungen der Grenzen
Die OSZE ist die Weiterentwicklung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die den anachronistisch gewordenen Kalten Krieg beendete. Nach drei Jahren Verhandlungen, die abwechselnd in Genf und in der finnischen Hauptstadt stattfanden, setzten die Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten am 1. August 1975 ihre Namen unter die Schlussakte von Helsinki. Teilnehmer waren alle damaligen europäischen Staaten sowie die USA und Kanada. Die Grundpfeiler des Dokuments waren das Verbot einseitiger Änderungen der Grenzen und die Achtung der Menschenrechte, die nicht mehr als „innere Angelegenheit“ der einzelnen Staaten gelten durfte.
Die Schweiz spielte gemeinsam mit den anderen neutralen und blockfreien Staaten Europas eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der Schlussakte von Helsinki. Der eingeleitete Prozess führte schliesslich zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems und zur Auflösung der Sowjetunion. Im Dezember 1994 wurde auf einer Gipfelkonferenz in Budapest beschlossen, die KSZE in eine ständige Organisation umzuwandeln. Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Jugoslawiens wurden souveräne Mitglieder.
OSZE - aus dem Dornröschenschlaf erweckt
Obwohl sie mit zahlreichen Befugnissen und Unterorganen ausgestattet wurde – darunter mit der Überwachung freier Wahlen in allen Mitgliedstaaten -, fiel die OSZE bald in einen langen Dornröschenschlaf. Die Amerikaner und die Russen brauchten sie nicht mehr. Die neuen Krisen haben sie wieder zum Leben erweckt, weil sie als einzige politische Organisation den gesamten Kontinent abdeckt.
In Basel wurden am Freitagabend 20 Resolutionen und Erklärungen verabschiedet. Unter anderem wurde der Schweizer Vorschlag angenommen, einen unabhängigen „Rat der Weisen“ zu gründen, der neue Wege zur erhöhten Wirksamkeit der OSZE finden soll. Vorsitzender wird der deutsche Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger. Hinsichtlich der Ukraine kam wie erwartet keine gemeinsame Resolution zustande. Die Differenzen über Ursachen und Lösung des blutigen Konflikts blieben unüberbrückbar.