Im Gefälligkeits-Interview mit der «SonntagsZeitung» darf CS-CEO Brady Dougan seiner «Enttäuschung» Ausdruck geben, dass die Schweizerische Nationalbank nicht verstehen will, dass die CS «eine der sichersten Banken der Welt» sei, mit einer «Kapitalquote von 19,2 Prozent». Aber andere Berechnungen gehen von nur 5,9 Prozent oder gar 1,7 Prozent aus. Der Laie ist verwirrt. Genau das ist die Absicht hinter diesem faulen Zahlenzauber. Denn natürlich sind es nur 1,7 Prozent. Das entscheidende Wörtchen ist hier «risikogewichtet».
Zahlenblasen
Eigentlich ist es ganz einfach. Die CS hat Aktiva von rund 1000 Milliarden in den Büchern, dem steht ein Eigenkapital von 17,3 Milliarden Franken gegenüber. Daraus ergibt sich ein Verschuldungsgrad von 98,3 Prozent. Oder anders formuliert: Jedem eigenen Franken stehen 60 Franken Fremdkapital gegenüber. Oder nochmal anders: Entsteht ein Verlust von lediglich 2 Prozent, ist die Bank blank. Die Kollegen von der UBS mussten bekanntlich in der letzten Finanzkrise wegen schlappen 3 Prozent Verlust Hilfe von Papa Staat erbetteln. Aber nein, sagt da Bonus-Banker Dougan, im modernen High-Tech-Banking berechnet man die Eigenkapitalquote «risikogewichtet». Ist ziemlich kompliziert und nichts für Laien. Deshalb müssen wir das auch selber machen. Aber vertraut dem Banker, wenn er so 19,2 Prozent aus dem Hut zaubert.
Was heisst «risikogewichtet»?
Wir wollen uns hier nicht mit ellenlangen Algorithmen oder Teufelszeug wie Cocos (Contingent Convertible Bonds) langweilen. Es reicht die Anmerkung, dass diese Wandelobligationen, die alleine im Fall der CS für 9 Prozent «Eigenkapital» stehen, zu Recht den hübschen Übernamen «Todesspirale»-Anleihen tragen. Viel fataler ist die grundlegende Methode, die bei Risikogewichtungs-Rechnungen verwendet wird. Es ist die banale 99-Prozent-Regel. Einfach gesagt: Wir berechnen die Wahrscheinlichkeiten von allen möglichen Risiken. Ausser das Risiko des Totalschadens, weil es doch einfach zu unwahrscheinlich ist, dass beispielsweise der gesamte Immobilienmarkt der USA auf einen Schlag einbricht. Äh, okay, ist zwar 2008 passiert, aber eigentlich darf es das in einer anständigen Risikogewichtung gar nicht geben. Da lassen wir uns doch von der Realität unsere schönen Modelle nicht kaputtmachen, wäre doch gelacht. Das gilt natürlich auch für einen Zusammenbruch des Euros oder andere viel zu unwahrscheinliche Ereignisse.
Wozu der faule Zauber?
Wenn man zwei weitere Zahlen in die Runde wirft, versteht man Dougan besser. Im Jahre 2006 wurde vom Nettogewinn der CS 43 Prozent einbehalten und 49 Prozent für Mitarbeiterentschädigungen ausgegeben. Im Jahre 2011 waren es lediglich 7 Prozent einbehaltene Gewinne und, hoppla, 87 Prozent Mitarbeiterentschädigungen. Zum Beispiel über 90 Millionen für Dougan. Während der CS-Aktionär den kleinen Rumpler von 10 Prozent minus letzte Woche gar nicht mehr gross zur Kenntnis nimmt, bei einem Gesamtschaden im gleichen Zeitraum von über 70 Prozent Kurszerfall seit dem Amtsantritt von Grossverdiener Dougan im Mai 2007.
Krawumm
Wir fassen zusammen. Die CS ist ungefähr so risikoarm wie ein russisches AKW, das von Analphabeten gewartet wird. Die eigentlichen Besitzer der Bank, die Aktionäre, haben seit Amtsantritt Dougan über zwei Drittel ihrer Investition verloren. Das leitende Management hat sich dumm und dämlich verdient. In einem finanziellen Umfeld, das man zurückhaltend als nicht gerade risikoarm bezeichnen kann, fährt die CS weiter volle Pulle ihr Investmentbanking. Das ist etwa so, wie wenn ein Formel-1-Pilot sein völlig undurchsichtiges Visier herunterklappt und Vollgas gibt. Kommt er tatsächlich wieder auf die Ziellinie zurück, sagt er: So macht man das. Falls nicht, steigt er unverletzt aus dem Wrack und macht sich mit seinen unverdienten Boni von der Piste.
Das Urteil
Nicht zuletzt aus juristischen Gründen erteile ich doch gerne Hans Widmer das Wort, dem wohl grössten Sanierer der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte (unter anderem Oerlikon-Bührle). Ein harter Knochen. Der gesteht aber der «NZZ am Sonntag» im Zusammenhang mit deren Serie über Familiendynastien, dass ihn diese Geschichten «schier zu Tränen» rühren: «Weil sie dem Lumpenpack, das die letzten zwanzig Jahre auf Beute aus war und unermesslichen Schaden angerichtet hat, so leuchtend entgegenstehen.» Wir überlassen es der Fantasie des Lesers, wen er damit wohl gemeint haben könnte.