Der Sommer mit seinen für die Medien gefährlichen Löchern, die diensthabende Redaktoren zur Verzweiflung treiben, verheisst Amüsement, weil solche Löcher unbedingt gefüllt werden müssen: mit Themen, die es in anderen Jahreszeiten höchstens zu einer kleinen Meldung bringen würden. So geschehen in diesen Tagen mit ausschweifenden Artikeln über die Tatsache, dass J.K. Rowling, die «Harry Potter»-Milliardärin, unter Pseudonym einen Krimi geschrieben hat. Das Publikumsinteresse für «The Cuckoo's Calling» von Robert Galbraith alias Rowling soll sich in Grenzen gehalten haben, und der Text wäre in der unüberschaubaren Menge von Produkten dieses Genres kaum aufgefallen. Seit das Pseudonym gelüftet ist, erobert er die Bestsellerlisten. Pseudo steht für Täuschung, für Betrug und Lüge. Was man in den Gefilden der Literatur nicht so eng sehen darf. Unterschiedlich und manchmal lebensnotwendig sind die Gründe, die einen Autor dazu bringen können, unter einem Decknamen zu publizieren. Frau Rowling, die angeblich mit ihrem Verwirrspiel herausfinden wollte, wie man ihre Schreibe beurteilen würde, wenn sie namenlos wäre, wird enttäuscht sein. Im Namen des Namens erhält «The Cuckoo's Calling» Kultstatus. Wenn hinter dem anonymen Decknamen eine weltberühmte Autorin auftaucht, wirkt das wie Zauberei; ein unauffälliger Text wird über Nacht zur Sensation. Man könnte auch sagen: Es kommt auf ihn gar nicht an, nur auf den Namen. Den Text darf man versenken – im Sommerloch. (Christoph Kuhn)