Den Worten folgen Taten: Nachdem Ali Chamenei, der mächtigste Mann des Iran, offen und bedingungslos Putins Krieg in der Ukraine unterstützt hat, kommt nun auch logistische Hilfe. Eine besondere Rolle spielt dabei eine angeblich zivile Airline. Und auch an religiöser Rechtfertigung für das Engagement mangelt es nicht.
Mahan Air: Den Namen sollte man sich merken. Auf dem Weltmarkt ist dies eine kleine, unbedeutende Fluggesellschaft, doch regionale Kriege machten sie für iranische Verhältnisse gross. Und der Krieg in der Ukraine wird Mahan Air wahrscheinlich weltberühmt machen; wichtige Institutionen wie die Nato werden sich bald mit ihren Flugplänen beschäftigen müssen.
Mahan Air prägt die Geschichte, die Gegenwart und wohl auch die Zukunft der Islamischen Republik. Entstehungsgeschichte, Werdegang und Agieren der iranischen Fluggesellschaft zu verstehen, heisst, die komplexe Macht der Mullahs im Iran zu begreifen. Denn deren Familienoligarchien, Reformer wie Radikale, sind auch hier am Werk.
Eine Oase und eine Fluggesellschaft
Mahan ist eine kleine Stadt in der Provinz Kerman, eine Oase in der Wüste, bekannt und beliebt für ihr angenehmes Klima. Hier liegt der Gründer des wichtigsten iranischen Sufi-Ordens begraben. Die «Blackbox» der Islamischen Republik, Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, stammt ebenso aus dieser Provinz wie der berühmt-berüchtigte General Ghassem Soleimani.
Ersterer kam auf ungeklärte Weise in einem Schwimmbad im Norden Teherans ums Leben, der zweite wurde auf Befehl des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auf dem Bagdader Flughafen getötet. Der eine hielt sich für einen Reformer und Pragmatiker, der andere war radikal und für den Export der Revolution zuständig. Die Symbiose der beiden aber ist das Paradebeispiel für die Macht der Teheraner Oligarchie.
Die Airline der Clans
Auf der Webseite der Fluggesellschaft liest man sonderbare Informationen darüber, wie sie das Licht der Welt erblickte. Alles beginnt mit einem Telefonat. In der Leitung ist ein dubioser ägyptischer Geschäftsmann, er sitzt in Dubai. Der Gouverneur der Provinz Kerman nimmt den Hörer ab. Er ist ein Cousin von Rafsandschanis Ehefrau. Rafsandschani ist zu der Zeit der mächtigste Präsident des Landes, viel mächtiger als Ali Chamenei, der nominelle Führer des Gottesstaates. Erst später werden sich die Machtverhältnisse umkehren. Rafsandschanis Tod im Schwimmbad habe mit Chameneis Machenschaften zu tun, erzählt man sich in der Gerüchteküche. Wie auch immer.
Der Gouverneur hört von dem Ägypter aus Dubai etwas Wichtiges: Ob der Iran bereit sei, als Tilgung für Ägyptens Schulden aus der Schah-Zeit vier alte Flugzeuge zu akzeptieren. Der Schah war vierzehn Jahre zuvor gestürzt worden und später im ägyptischen Exil gestorben. Der Gouverneur ruft den Präsidenten in Teheran an und bekommt dessen Zustimmung. Der Ägypter kommt nach Kerman. Auf dem Flughafen redet er fünfzehn Minuten mit dem Gouverneur, dann ist das Geschäft perfekt. Kerman wird zum Heimat-Flughafen von Mahan Air.
Die neue Airline wird allerdings eine private Fluggesellschaft. Eingegliedert ist sie in eine religiöse Holding mit dem Namen مولی الموحدین , «Herr der Monotheisten». Die Holding gehört dem Rafsandschani-Clan. Und Mahan Air wächst. Sie besorgt sich auf dem legalen und illegalen Markt alte, aber noch brauchbare Maschinen wie Boeing, Airbus und britische BAE. In Russland kauft sie Tupolew und Iljuschin.
Sogar eine Merkel-Maschine
Und Mahan Air gibt sich elitär: «The Spirit of Excellence», mit diesem Slogan wirbt sie auf ihrer Webseite. Fünf Boeings 747 zählt die Airline zu ihrer Flotte, auch 27 Airbusse gehören dazu.
Kurios, dass auch eine ausgemusterte Merkel-Maschine dabei ist. Am 20.11.2011 meldete der Spiegel: «Ein Airbus 310-304 wurde am 18. November von Kiew nach Teheran geliefert. Nur Kennern fiel der neue Zuwachs der Flotte schnell auf: Zum einen handelt es sich bei dem zweistrahligen Jet um eine sogenannte VIP-Maschine, zudem ist die Flugzeugkennung 10+22 sehr ungewöhnlich. Bei dem Flugzeug handelt es sich nach Informationen von SPIEGEL ONLINE um eine Maschine, die rund 20 Jahre im Dienst der Bundesregierung stand. Bis vor wenigen Monaten jetteten die Kanzlerin, der Aussenminister oder andere Kabinettsmitglieder mit dem bequem eingerichteten Airbus durch die Welt.»
Merkwürdige Routen abgestellter Transponder
Eine Maschine von Mahan Air, die im Auftrag von Venezuela fliegt und seit fünf Wochen auf einem argentinischen Flughafen festsitzt, beschäftigt derzeit diverse Geheimdienste. Das Rätsel um diese Maschine scheint unlösbar: eine merkwürdige Route, ein abgestellter Transponder und nicht angemeldete Passagiere, die den iranischen Revolutionsgarden angehören sollen. Deshalb filzen argentinische Behörden diese Boeing 747 wegen Verbindungen zu Terrorismus.
Der Jumbojet mit dem Baujahr 1986 ist heute mit dem Kennzeichen YV353 unterwegs. Zuvor flog er 14 Jahre lang für die iranische Mahan Air als EP-MND. Der Fracht-Jumbo war in den vergangenen Wochen viel unterwegs. So war er wiederholt in Belgrad, in Mexiko City, in Moskau und Teheran. Neben 14 Venezolanern befanden sich auch fünf Iraner an Bord. 19 Personen sind für eine Frachtmaschine extrem viel, im Normalfall ist die Besatzung nur ein Viertel so gross. Hinzu kommt, dass die Iraner nicht auf der Passagierliste vermerkt waren. Die letzte Entwicklung der Affäre: Die Maschine darf Argentinien verlassen, die Iraner aber nicht.
Das Zivile ist nur Tarnung
Als zivile Fluggesellschaft bot Mahan Air mehrere Jahre lang Flüge rund um die Welt an, von Peking bis nach Paris. Die häufigsten Ziele waren und sind aber Damaskus, Beirut und Bagdad, die Hauptstädte jener Länder, die zur «strategischen Tiefe» des Gottesstaates zählen. Dort müssen militante Glaubensbrüder regelmässig mit Waffen und Personal versorgt werden.
Ghassem Soleimani, der oberste General dieser regionalen Bürgerkriege, bedient sich Mahan-Air-Maschinen nach Belieben. Er stammt ja aus Kerman und kennt die dortigen Verhältnisse sehr gut. Die «zivile private» Fluggesellschaft wird zum Bestandteil der militärischen Strategie des Gottesstaates. 2011 setzen die USA Mahan Air auf ihre schwarze Liste. Alle Vermögenswerte der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten werden eingefroren und Geschäftsbeziehungen mit ihr untersagt. Mahan Air unterstütze die iranischen Revolutionsgarden bei Attentatsplänen, sagt das US-Finanzministerium. Als letztes europäisches Land wird auch Deutschland 2019 jegliche Zusammenarbeit mit der Mahan Air verbieten, aus Sicherheitsgründen und wegen «Gefährdung der aussenpolitischen Belange der Bundesrepublik».
Im Krieg in Syrien zeigt die Airline ihre tatsächliche Daseinsberechtigung. Sie agiert als Logistikarm der Revolutionsgarden. In den vergangenen zehn Jahren fliegt sie fast täglich nach Syrien und versorgt dort kämpfende Glaubensbrüder aus mehreren Ländern.
Nun ruft ein noch grösserer Krieg: Der in der Ukraine.
Plötzlich steigt die Zahl der Moskau-Flüge
Nach Wladimir Putins Besuch in Teheran am 19. und 20. Juli waren nur drei Tage vergangen, da verkündete Mohammadi Bakhsh, der Chef der iranischen Zivilluftfahrt, die Zahl der Flüge nach Moskau würde auf wöchentlich 35 erhöht. Mehrheitlich ginge es dabei um Frachtflüge ohne jegliche Beschränkung, so die Einigung mit den Russen, erklärte Bakhsh. Mahan Air übernimmt dabei die Hauptlast. Einen Tag zuvor hatte die Fluggesellschaft selbst bereits bekanntgegeben, sie fliege ab jetzt regelmässig die tschetschenische Hauptstadt Grosny an. Es lässt sich nur ahnen, was bei diesen Flügen transportiert wird. Dafür werden sich sicherlich diverse Geheimdienste interessieren müssen.
Zwei Wochen zuvor hatte schon der britische Guardian gemeldet, iranische Revolutionsgarden brächten Panzerabwehrraketen und in Brasilien entwickelte Raketensysteme aus dem Irak nach Russland, mit Mahan Air, versteht sich. Auch iranische Bavar 373-Raketensysteme, ähnlich dem russischen S-300, würden nach Moskau geflogen, so die Zeitung. Auch in die Hauptstadt von Belarus würde die Zahl der Flüge erhöht, es würden ebenfalls hauptsächlich Frachtmaschinen sein, sagt der iranische Transportminister Fatemi Amin nach seinem Besuch in Minsk. Wir schreiben den 22. Juli, einige Tage nach Putins Besuch in Teheran.
Die Verteidigung des Islams
Einen Tag danach kamen prompt die religiös-politischen Erklärungen und Legitimationen für dieses eigenartige Engagement. Wie rechtfertigt ein islamischer Gottesstaat, der von einem schiitischen Ayatollah beherrscht wird, einen russischen Krieg im fernen Europa, der viele, aber mit Sicherheit keine religiösen Ziele verfolgt?
Am deutlichsten stand dies zwei Tage nach Putins Abreise aus dem Iran in der Teheraner Tageszeitung Keyhan, deren Chefredakteur Ali Chamenei persönlich bestimmt. Unter der Überschrift «Spielt nicht mit dem Schwanz des Löwen» schrieb deren Leitartikler: «Irans nationale Sicherheit und Russlands Kampf gegen die USA in der Ukraine sind eng miteinander verbunden, denn nach der Ukraine ist Iran das nächste Ziel der Nato. Daher ist es verständlich und logisch, dass Iran Russlands Operation in der Ukraine unterstützt.»
Und die Zeitung Jawan, das Organ der Revolutionsgarden, sekundierte am nächsten Tag: «Die Nato muss man im Zaum halten, wo man es kann, heute in der Ukraine, bevor man es morgen im Iran tun muss.» Die Kooperation mit Russland sei für den Iran eine legitime Präventivverteidigung. Denn immer, wenn das Territorium des Islams gefährdet sei, sei eine solche Verteidigung nach Meinung aller Rechtsgelehrten gerechtfertigt. Beispiele dafür seien in der islamischen Geschichte zahlreich. Selbst eine bestimmte Zahl toter Muslime könne man in Kauf nehmen, bevor unzählige stürben. Dann folgen arabische Zitate aus verschiedenen religiösen Quellen.
Ein heiliger Schrein in der Ukraine?
Findet sich etwa auch in der Ukraine ein Heiliger Schrein? Dies fragt nach Beginn dieser Medienkampagne Hossein Alisadeh. Der Diplomat war viele Jahrzehnte lang Botschafter der Islamischen Republik in unterschiedlichen Ländern der Welt. 2009, nach der brutalen Niederschlagung der Grünen Bewegung, setzte er sich aus dem Iran ab. Seine süffisante Frage weist auf Syrien hin. Die Verteidigung des heiligen Schreins ist die gängige Rechtfertigung für die iranische Beteiligung am mörderischen und kostspieligen Krieg in Syrien. Denn in der Nähe von Damaskus liegen zwei schiitische Schreine. «Sucht nun Heiliges in der Ukraine», beendet der ehemalige Diplomat seinen Beitrag.♦
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von © Iran Journal