So endete unlängst in der „Weltwoche“ Nr. 19/17 ein langer „Erfahrungsbericht“ von SVP-Nationalrat Alfred Heer. Heer hat fünf Jahre in der Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat mitgewirkt. Sein Fazit: Der Europarat ist ein Korruptionssumpf, der hochgejubelte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine „Eiterbeule“.
Peter Studer hat zwei Fachleute befragt, die es völlig anders sehen: Maya Hertig, Professorin für Verfassungs-und Völkerrecht an der Universität Genf, und den freisinnigen Tessiner Alt-Ständerat Dick Marty, bis 2011 während 13 Jahren für den Europarat aktiv. Dieser kam gerade von den Philippinen zurück, wo er die Geltung der Anti-Folterkonvention nicht ohne Grund untersuchte.
Korruptionsvorwürfe
Professorin Hertig kennt die Korruptionsvorwürfe gegen einige Parlamentarier im Europarat. Aber sie werden „unter Hochdruck und in prominenter Besetzung untersucht“.
Der Europarat und seine Organe kuschen nicht, er hat dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung das Misstrauen ausgesprochen, ein Absetzungsverfahren eingeleitet. Allein 2016 hat der Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 16 Urteile gegen Aserbaidschan gefällt, von dem die Korruption ausgegangen war.
Auch in Sachen Türkei ist der EGMR keineswegs untätig. Aber er ist nun einmal eine gerichtliche und keine politische Instanz. In 260 Urteilen gegen die Türkei hat er eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit festgestellt. Das erzeugt Druck. Dabei hält er sich an das Subsidiaritätsprinzip, was gerade Schweizer Skeptiker immer wieder einfordern: Der Gerichtshof soll erst zum Zug kommen, wenn die innerstaatlichen Instanzen nicht willens oder fähig waren, eine Menschenrechtsverletzung zu beheben. Das braucht mitunter Zeit.
Fehlende Argumente
Nutzlose Instanzen? Herr Heer sollte vielleicht Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Sprecher bedrohter Minderheiten fragen, ob sie auf den EGMR verzichten wollen. Auch die Schweiz verdankt seiner Praxis einiges: die Zündung vor der Einführung des Frauenstimmrechts 1971, verbesserten Diskriminierungsschutz, Abschaffung der administrativen Versorgung, Stärkung der Medienfreiheit.
Alt-Ständerat Dick Marty vermutet, dass sich Nationalrat Heer in Vulgarität flüchtete, weil ihm Argumente fehlen. Er betrachtet offenbar den Europarat nur als parlamentarische Versammlung, während Marty eine ganze Reihe von Kommissionen aufzählt, die den Grundrechtsschutz mit Vorschlägen und Seminaren vorwärts treiben, gerade in einer Zeit, wo nach jedem Attentat die Sicherheit gegenüber dem Grundrechtsschutz den Vorrang behauptet.