Mit dem langjährigen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, und Janka Oertel, Verfasserin des Buches «Ende der China-Illusion», diskutiert Tim Guldimann über eine europäische Antwort auf die chinesische Herausforderung.
Wolfgang Ischinger stellt fest, dass die Sichtweise innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten zum Thema China ganz sicherlich nicht einheitlich sei. Deshalb sei eine Chinastrategie notwendig, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, China gegenüber mit einer Stimme zu sprechen. Auch die Beziehungen mit den USA werden in Zukunft von der Chinafrage geprägt. Ischinger fordert deshalb besonders für die Taiwanfrage eine europäische Einigung.
Kann China noch ein Partner sein? Oertel glaubt das nicht, meint aber gleichwohl, dass punktuelle Zusammenarbeit möglich bleiben kann. Der Westen sei aber eigentlich immer noch in einer Position relativer Stärke. Er könne auf Regeln bestehen, müsse diese aber mit Sanktionsdrohungen untermauern.
Also klare Kante gegen China, obwohl eine Million deutscher Arbeitsplätze vom chinesischen Markt abhängen? Oertel hat Vertrauen in die Anpassungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Man dürfe nicht «aus der Gegenwart in die Zukunft eine Realität extrapolieren, die es nicht geben wird», weil «dieser Markt in weiten Teilen immer weiter zusammenschrumpft».
Ist ein europäisches Umdenken möglich? Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, so Oertel, «dass wir in der Lage sind zu handeln, wenn wir die Dringlichkeit verstanden haben». Seit den 90er-Jahren habe sich Deutschland aussenpolitisch, so Ischinger, «in eine Liebesaffäre mit dem Status quo begeben. Diese Liebesaffäre ist jetzt erkennbar vorbei, aber es gibt leider in unseren politischen Eliten Leute, die sich sehr schwertun».
Journal 21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.