Wie sieht die real existierende Welt aus? Für Sanktionen oder den Einsatz von Friedenstruppen sind entsprechende Resolutionen des Sicherheitsrats der Uno erforderlich. Man weiss aus Erfahrung, dass es etliche Wochen dauert, bis sich das für die internationale Sicherheit und den Frieden zuständige Organ auf einen rechtsverbindlichen Text einigen kann. Um angenommen zu werden, muss ein Resolutionsentwurf mindestens neun der 15 Stimmen bekommen und keines der fünf ständigen Ratsmitglieder darf dagegen stimmen.
Bereits 100 000 Uno-Soldaten im Einsatz
Aufstände gegen die Staatsgewalt sind ein heikles Thema. Die chinesische Armee hat Aufstände in Tibet und Sinkiang niedergeschlagen, die russische in Tschetschenien. Alle derzeitigen Kriege in der Welt sind Bürgerkriege. Die Uno hat kein einheitliches Kriterium, um zwischen guten und schlechten Revolutionen zu entscheiden. Ihre 192 Mitglieder haben sich bisher noch nicht einmal auf eine Definition des Begriffs „Aggression“ einigen können.
Politische oder militärische Interventionen in einem Konflikt werden daher in der Regel mit humanitären Zielen begründet. Die einst vom französischen Ex-Aussenminister Bernard Kouchner ins Gespräch gebrachte „humanitäre Intervention“ mit militärischen Mitteln hat sich aber trotzdem nicht durchgesetzt. Niemand will eine solche Verpflichtung eingehen.
Schwierig und teuer ist auch die Aufstellung einer internationalen Truppe. Derzeit sind bereits mehr als 100 000 Uno-Soldaten weltweit im Einsatz. Das Reservoir geeigneter Truppen ist ausgeschöpft. Der ehemalige Uno-Generalsekretär Butros Butros-Ghali hatte vorgeschlagen, eine ständige Schnelleingreiftruppe unter dem Banner der Uno aufzustellen. Das Projekt scheiterte am Widerstand des US-Präsidenten Bill Clinton.
Nicht so einfach, wie es sich der kleine Max vorstellt
Man rechnet, dass es drei Monate dauern würde, um eine Blauhelmtruppe für Libyen zusammenzustellen. Weiter gilt es, deren Mandat und Einsatzregeln („rules of engagement“) zu bestimmen. Sollen die Soldaten einen Frieden bewahren oder erzwingen? Entlang welcher Linien sollen sie stationiert werden? Wer bezahlt? Alles nicht so einfach, wie es sich der kleine Max vorstellt.
Einer der guten Ratschläge an die Uno und die EU ist die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Libyen. Davon betroffen wären aber eher die kleinen Leute als der Ghadhafi-Clan. Und die Sanktionen könnten sich als Bumerang für die Europäer herausstellen. Libyen liefert das beste Erdöl der Welt, das berühmte „Libyan Light“, zu niedrigsten Transportpreisen, weil es nur übers Mittelmehr verschifft werden muss.
Schaffung einer No-Fly-Zone?
Eine weitere Forderung an den Weltsicherheitsrat ist die Schaffung einer Flugverbotszone für die libysche Luftwaffe. Damit sollen Luftangriffe gegen Demonstranten verhindert werden. Eine solche „No-Fly-Zone“ war zwischen den beiden Golfkrieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein in Kraft. Patrouillen der britischen und der US Air Force nagelten die irakischen Kampfflugzeuge am Boden fest. Doch die politische Lage war nicht die gleiche und Libyen ist nicht Irak.
Politisch hat die Uno im Fall Libyen ungewöhnlich rasch reagiert. Am Dienstag trat der Weltsicherheitsrat in New York zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Nicht ganz lupenrein einberufen wurde die Sitzung vom Vize-Botschafter Libyens bei der Uno, Ibrahim Dabbashi, der mit Gaddafi-Regime gebrochen hat. Der eigentliche Botschafter, der Ghadhafi treu blieb, wurde von seinen Mitarbeitern abgesetzt.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilte der Sicherheitsrat in der Nacht zum Mittwoch „die Anwendung von Gewalt gegen Zivilisten und die Niederschlagung friedlicher Demonstrationen“. Die libysche Regierung wird in dem Papier aufgefordert, „die legitimen Forderungen der Bevölkerung zu erfüllen, etwa durch einen nationalen Dialog“.
**NIchtmitglieder der Internationalen Strafgerichts*
Indirekt droht der Sicherheitsrat Ghadhafi und seinem Clan mit einem Verfahren der Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag. Etwas schwammig heisst es: „Die Mitglieder des Sicherheitsrats unterstreichen die Wichtigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Personen, die Angriffe bewaffneter Kräfte auf Zivilisten anordnen, müssen über ihre Taten Rechenschaft ablegen.“
Libyen ist dem ICC nicht beigetreten. Die USA, Russland und China übrigens auch nicht. Der Strafgerichtshof kann daher keine Anklage gegen libysche Bürger erheben – ausser der Weltsicherheitsrat erteilt ihm das Mandat dafür. So steht es in einer Klausel des „Römer Statuts“.
Sondersitzung des Uno-Menschenrechtsrats**
Fürs erste fordert der Weltsicherheitsrat das Ghadhafi-Regime auf, die internationalen Hilfswerken und Menschenrechtsbeobachtern sofort ins Land zu lassen. Der Rat verspricht in seiner Erklärung, die Lage in Libyen „aus der Nähe zu verfolgen“. Dazu sagte der britische Botschafter Mark Lyall Grant: „Wir werden uns ohne Zweifel bald wieder zusammensetzen und überlegen, welche weitere Massnahmen im Lichte der Ereignisse angemessen sind.“
An diesem Freitag tritt in Genf der Menschenrechtsrat der Uno zu einer Sondersitzung über Libyen zusammen. Staaten aus allen Erdteilen und politischen Lagern haben die Einberufung beantragt, darunter die Schweiz. Es ist das erste Mal, dass eines der 47 Mitglieder des Menschenrechtsrats auf der Anklagebank sitzt. Neben einer scharfen Verurteilung riskiert Libyen, seinen umstrittenen Sitz in dem Organ zu verlieren.