Etwas im Schatten der Diskussionen über die Veränderungen der Parteienlandschaft bei den jüngsten Nationalratswahlen blieb das Abschneiden der Frauen. Sie konnten ihren hohen Anteil von 2019 (42 Prozent) nicht halten. Es wurden sieben Frauen weniger gewählt und der Frauenanteil sank auf 38,5 Prozent. Das ist immer noch das zweitbeste Ergebnis seit der Einführung des Frauenstimmrechts von 1971.
Der Rückgang der Frauenvertretung im Nationalrat kann vor dem Hintergrund der Mandatsgewinne und -verluste der Parteien interpretiert werden. Dabei bestätigt sich erneut die seit Jahrzehnten schon fast zur Regel gewordene Erkenntnis, dass die Frauen unter den Gewählten bei den Linken und Grünen am stärksten vertreten sind und dass ihr Anteil unter den Gewählten sinkt, je mehr rechts sich eine Partei positioniert.
Mehr Männer bei den Rechtsparteien
Die Siegerinnen der Nationalratswahlen, die SVP und die kleinen Rechtsparteien, legten zusammen zwölf Mandate zu: In den Reihen der SVP-Deputation befinden sich neu zehn Männer mehr und eine Frau weniger als 2019. Bei den kleinen Rechtsparteien (EDU und dem Genfer MCG) wurden alle drei zusätzlich gewonnenen Mandate von Männern besetzt. So sank der Frauenanteil bei der SVP um über fünf Prozentpunkte auf unter zwanzig Prozent. Bei den kleinen Rechtsparteien (Lega, EDU, MCG) sind sämtliche fünf Mandate ausschliesslich in Männerhand.
Weniger Frauen bei Grünen und SP
Ins Gewicht für den gesunkenen Frauenanteil im Nationalrat fielen auch die Mandatsverluste der Grünen. Vier der fünf verlorenen Sitze hatten 2019 Frauen innegehabt, eines war von einem Mann besetzt. So sank der Frauenanteil bei den Grünen 2023 um vier Prozentpunkte auf 57 Prozent. Bei der SP wurden per Saldo drei Männer mehr gewählt und eine Frau weniger. Damit sank ihr Frauenanteil um sechs Prozentpunkte. Wie bei den Grünen sind die Frauen aber auch bei der SP immer noch in der Mehrheit, mit einem Anteil von fast 59 Prozent.
Gestiegene Frauenanteile bei GLP, FDP und Mitte
Anders als bei den Grünen präsentiert sich das Muster bei der GLP: Hier gingen von den sechs verlorenen Mandaten fünf zu Lasten der Männer und eines zu Lasten einer Frau. Der Frauenanteil der GLP steigerte sich somit um zwanzig Prozentpunkte auf siebzig Prozent, was den höchsten Wert aller Parteien darstellt. Der Frauenanteil stieg auch bei der FDP: Dadurch, dass drei Männer weniger und zwei Frauen mehr gewählt wurden, erreichte der Frauenanteil 43 Prozent (+8,4 Prozentpunkte). Bei der Mitte wurde per Saldo eine Frau mehr gewählt, sodass der Frauenanteil dreissig Prozent überstieg. Dies sind für beide Parteien die höchsten Frauenanteile im Nationalrat ihrer Geschichte.
In sieben Kantonen weniger Nationalrätinnen
Gewachsen im Vergleich zu 2019 ist die Zahl der Nationalrätinnen in drei Kantonen: in Zürich, Basel-Stadt und in Nidwalden. In sieben Kantonen sank der Frauenanteil im Vergleich zu 2019. In den Kantonen Waadt, Genf, St. Gallen, Tessin und Graubünden wurden je eine Frau weniger und ein Mann mehr gewählt, wodurch der Frauenanteil – je nach Anzahl der zu vergebenden Sitze pro Kanton – um fünf (VD) bis zwanzig Prozentpunkte (GR) sank. In Luzern wurden zwei Frauen weniger und zwei Männer mehr gewählt, im Kanton Bern gar drei Frauen weniger und drei Männer mehr.
Reine Frauenvertretung aus Basel-Stadt
Ein Novum für einen Proporzkanton stellt die vierköpfige Vertretung aus Basel-Stadt dar: sie ist ausschliesslich weiblich. In Nidwalden holte 2023 erstmals eine Frau (CVP/Mitte) das einzige Nationalratsmandat. Damit zog Nidwalden mit Obwalden gleich, das 2019 ihre erste Frau (SVP) in den Nationalrat wählte. In der Mehrheit unter den Gewählten sind die Frauen auch, wie schon 2019, in Basel-Landschaft und Freiburg. In den Kantonen Schaffhausen und Thurgau sind sie paritätisch vertreten. Über dem schweizerischen Durchschnitt liegen die Frauenanteile auch in Zürich, Aargau, Bern, Genf und Graubünden (40%–47%).
Unterdurchschnittlich gross ist die Frauenvertretung in der Waadt (37%), in Zug und St. Gallen (33%) sowie in Schwyz (25%). In Luzern, Solothurn und im Tessin bewegt sich der Frauenanteil zwischen 13 und 22 Prozent. Wie schon 2019 wurden in den vier Majorzkantonen (UR, GL, AR, AI) sowie in den Proporzkantonen Wallis, Neuenburg und Jura keine Frau gewählt.