Im bewegenden Film von Wim Wenders über Papst Franziskus sind Ausschnitte vom denkwürdigen Auftritt des römischen Kirchenoberhaupts im September 2015 vor beiden Kammern des amerikanischen Kongresses zu sehen. In seiner von stehenden Ovationen begleiteten Rede kommt Franziskus auch auf das Waffengeschäft zu sprechen. Warum, fragt er, betreibe man umfangreichen Waffenhandel mit tyrannischen Regimes, die mit diesen Waffen oft genug die eigenen Bürger und das eigene Volk verwunden wollten? Leider wissen wir es alle, erklärte der argentinische Papst: Es geht ums Geld, «drenched in blood».
Die eindringlichen Papst-Worte sind mir im Zusammenhang mit dem jüngsten Nato-Gipfel in Brüssel und dem von Präsident Trump neu entfachten Streit um die Militärausgaben der Bündnispartner durch den Kopf gegangen. Trump polterte, weil eine Reihe von Mitgliedsländern das vor einigen Jahren vereinbarte Ausgabenziel von 2 Prozent des Bruttolinlandprodukts (BIP) noch nicht erreicht haben. Seine Schimpftirade ergänzte er anschliessend mit dem nächsten rhetorischen Purzelbaum: Eigentlich sei dieses Ziel möglichst schnell auf 4 Prozent des BIP zu verdoppeln.
Beim Nato-Streit geht es zwar nicht primär um Waffengeschäfte mit Diktaturen wie etwa Saudi-Arabien. Doch das monomane Herumreiten auf höheren Rüstungsausgaben hat dennoch etwas Anstössiges. Denn es besteht kein Zweifel, dass es Trump mit dieser Kampagne keineswegs nur um die Stärkung der Atlantischen Verteidigungsallianz geht – die er kurz nach seiner Wahl noch verächtlich als «obsolet» bezeichnet hatte. Sein tiefstes Anliegen ist vielmehr die Förderung der amerikanischen Rüstungsindustrie. Unverblümt posaunte er denn auch in Brüssel: «Wir haben die besten Raketen, die besten Kanonen, die besten Flugzeuge.»
Was Trump weiter verschweigt, wenn er sich mit den weltweit mit Abstand höchsten Militärausgaben seines Landes brüstet: Ein grosser Teil dieser gewaltigen Kosten dient gar nicht in erster Linie der Stärkung der Nato, sondern den eigenen globalen Weltmachtinteressen Amerikas. Gewiss kann man argumentieren, dass auch die europäischen Bündnispartner davon profitieren, wenn eine demokratisch organisierte Hegemonialmacht die mächtigste Armee unterhält und nicht autokratische Regimes in China oder Russland. Doch wenn dies zutrifft, dann müsste auch über die Verteilung der Rüstungsausgaben differenzierter und ehrlicher debattiert werden.
Was Trump aber vollends unter den Tisch fallen lässt: Das Gewicht und der Einfluss von Staaten und Bündnissen in der Welt hängt keineswegs nur von der Höhe ihrer Militärausgaben ab. Wesentliche Faktoren sind ebenso die kulturelle und soziale Anziehungskraft der einzelnen Mächte sowie das gegenseitige Vertrauen von Allianzpartnern, die sich auf freiheitliche Werte berufen. Solche Faktoren zählen zur Kategorie der sogenannten Softpower.
Softpower ist die stärkste Währung, über die der römische Pontifex Franziskus verfügt. Dem Machtmenschen und Egomanen Trump bedeuten solche Qualitäten offenkundig wenig. Powerplay, Drohungen und verwirrende Kehrtwendungen liegen ihm näher. Und da er sich auch nicht für Geschichte interessiert, wird ihn auch der Hinweis nicht beeindrucken, dass das Reich der römischen Kirche trotz praktisch inexistenten Militärausgaben sehr viel längere Wurzeln hat als die Hegemonialmacht USA.