
In der ausserordentlichen Session zum Thema Asyl nahm der Ständerat Änderungen an, die nicht oder kaum angewendet werden können. Ein Ratsmitglied übte Kritik.
Es ist zu einem Ritual geworden: Die SVP kann dank ihrer grossen Anzahl Parlamentarier zum Asylrecht Sondersessionen verlangen. So werden wiederholt die gleichen Begehren gestellt. Beispielsweise, dass Personen, die durch einen sicheren Drittstaat in die Schweiz kommen, also via Italien oder Österreich, gar kein Asylgesuch stellen dürfen. Eine solche Motion der SVP ist bereits im September abgelehnt worden, aber diese Partei stellte das gleiche Begehren erneut in der laufenden Frühlingssession – ohne Erfolg. Das ist nicht seriös, sondern reiner Populismus. Für den Rat, der sich als «chambre de réflexion» versteht, ist es peinlich.
Kritik äusserte der grüne Ständerat Mathias Zopfi aus Glarus: Eigentlich sei man sich einig, dass im Ständerat keine Parteipolitik gemacht werden solle, doch daran würden sich manche nicht mehr halten. Es gebe Vorstösse, die auf den ersten Blick einleuchteten, sagte der Glarner, doch bei näherer Prüfung zeige sich dann, dass die Behörden schon an der Arbeit seien, offene Türen eingerannt würden und kaum etwas brächten. Diese Worte lösten bei mehreren Beteiligten Unmut aus.
Das Unbehagen wird von Politikern geschürt
Nach dem Nationalrat hat der Ständerat am 13. März 15 Vorstösse während über drei Stunden beraten und darüber abgestimmt. Ein paar Tage zuvor übte die SVP im Nationalrat heftige Kritik an Bundesrat Jans. Einige Ständerätinnen und Ständeräte betonten, in der Bevölkerung herrsche grosse Unzufriedenheit über die Asylpolitik. Für einen Teil der Bevölkerung trifft das zweifellos zu. Doch darüber sollte man sich nicht wundern. Die SVP kritisiert seit über 20 Jahren andauernd die Bundesbehörden, spricht von Asylchaos und untätigen Bundesräten. Sie schlagen immer wieder in die gleiche Kerbe, unterstützt von einem Teil der Presse. Seit einiger Zeit stimmt auch die FDP in den Chor der Kritiker ein. Die Kampagne trägt ihre Früchte. Doch es sind die Brandstifter, die dazu aufrufen, man müsse jetzt energisch in die Asylpolitik eingreifen, um das Volk zu beruhigen. Am Ende der Diskussion nahm Bundesrat Beat Jans zu jedem Vorstoss Stellung. Der Bundesrat sei gerne bereit, Verbesserungen im Asylsystem zu prüfen und umzusetzen. Jans sagte, er sei der erste, der daran interessiert sei, das Asylsystem zu verbessern. «Ich werde aber keine Forderungen unterstützen – fügte er bei –, nur um ein Zeichen zu setzen. Ich werde keine Lösungen unterstützen, die unsere Verfassung verletzen.»
Familiennachzug bleibt möglich
Im Einklang mit dem Bundesrat wurden zwei Postulate angenommen, die u. a. eine bessere Zusammenarbeit der Behörden mit Bezug auf kriminelle Asylsuchende verlangten. Einverstanden war der Bundesrat auch mit zwei Motionen, welche eine Beschleunigung der Asylverfahren und mehr Kontrollen an den Grenzen forderten. Das Begehren von Ständerat Chiesa, systematische Kontrollen an den Landesgrenzen durchzuführen, lehnten Bundesrat und Ständerat hingegen ab, weil solche Kontrollen unrealistisch sind. Auch gegen eine Taskforce stimmte der Rat, da die entsprechende Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und anderen Institutionen schon besteht. Das Verbot des Familiennachzugs für vorläufig aufgenommene Asylsuchende, ein Steckenpferd der SVP, wurde vom Ständerat nur knapp abgelehnt. Die FDP-Fraktion unterstützte nämlich den familienfeindlichen Vorstoss.
Gegen Sans-Papiers
Anderen Forderungen der SVP stimmte die Kleine Kammer mit grossem Mehr zu, obschon der Bundesrat sie ablehnte. So die Motion Esther Friedli, die konsequent alle kriminellen Asylsuchenden ausweisen will, was eine Prüfung des Einzelfalls nicht zulässt. Bundesrat Jans erklärte, dass die Bundesverfassung gemäss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine Einzelprüfung verlange. Aus dem gleichen Grund könne er den Begehren von Pirmin Schwander und Daniel Fässler nicht zustimmen. Sie verlangten einerseits, sämtliche Straftäter seien einzusperren, andererseits müssten alle weggewiesenen Personen sofort von der Polizei ausgeschafft werden, obschon rund die Hälfte innerhalb der angesetzten Frist die Schweiz freiwillig verlassen würden. Der Datenaustausch bei Personen ohne Aufenthaltsbewilligung, der von der SVP verlangt wird, ist gemäss Bundesrat nicht zielführend. Sans-Papiers, die in der Landwirtschaft und auf dem Bau arbeiteten, würden dann aus Angst, entdeckt zu werden, sich nicht mehr bei den Sozialversicherungen und der Krankenkasse anmelden. Gleichwohl wurde auch diese Forderung angenommen.
Die Warnung von Parlamentariern, es sollten keine Begehren unterstützt werden, die nicht oder kaum umgesetzt werden könnten, wurde nicht beachtet. Für den Bundesrat ist es eine schwierige, fast unmögliche Aufgabe, Gesetzesänderungen und andere Massnahmen vorzubereiten, um die Aufträge des Parlaments zu erfüllen.