«Haben Friedenspolitik, Entwicklungshilfe und das humanitäre Völkerrecht überhaupt noch eine Chance?» – mit Peter Maurer und Carolina Frischkopf
Der frühere Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer widerspricht meiner Behauptung, wir seien «in einer Welt aufgewachsen, da war sie noch in Ordnung (…) Die sogenannte internationale Ordnung, (…) hat einfach so nicht gespielt für ganz viele Leute, aber das wurde nicht zur Kenntnis genommen.» Carolina Frischkopf, die designierte Direktorin des Hilfswerks der evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) stimmt zu: «Es ist eine Welt in Unordnung, die immer in Unordnung war. (…) Bis jetzt hatten wir eine klare Ordnung, wer Macht hat, die Pax Americana. (… Die Amerikaner) haben die Weltordnung so nutzen können, wie es für sie gestimmt hat.(…) Wir hatten eine von Amerika dominierte Weltordnung, dort gelang es nicht, die wirtschaftliche Entwicklung für alle zugänglich zu machen. China hat das für China geschafft.»
«Was sich geändert hat», gemäss Maurer, «ist der Konsens, darüber, wer sich mit dieser Unordnung beschäftigen soll und kann. Die Leadership-Funktion der westlichen Welt ist in Frage gestellt. (…) Was nicht in Frage gestellt wird, sind die Zielvorstellungen, die sich Gesellschaften machen bezüglich Frieden, Respekt von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht. (…) Was abgelehnt wird, ist eine machtpolitische abgestützte Interpretation dieser Normen, aber nicht die Normen selbst. Und das ist ein grosser Unterschied. (…) Wir haben keine Akzeptanz der machtpolitischen Ordnung. Daher müssen Normen wieder neu verhandelt werden.»
Für Maurer gibt es ein Entwickungsparadox: «Es hat noch nie in der Geschichte der Menschheit so viele Leute gegeben, die gesund, wohlhabend, miteinander verbunden und ausgebildet waren. Und gleichzeitig hat es noch nie auf der Welt so viele Menschen gegeben, die ausgeschlossen sind von politischen Entscheidungsprozessen, die in Armut verharren, die die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf sich vereinigen. Und beides stimmt. Und das ist eigentlich die Problematik, mit der sich das internationale System heute beschäftigen muss, (…) das von den fragilen Kontexten durcheinander gerüttelt wird (…): Klimawandel, strukturelle Armut, Korruption, Auswirkungen von Pandemien (…) So haben wir Orte auf der Welt, die praktisch nicht mehr regierbar sind und die ausserhalb des internationalen Systems sind. Das internationale System erlebt eine Delegitimierung, weil sich heute diese Leute auch melden, weil sie verbunden sind mit der Welt und sagen: Euer Diskurs stimmt nicht.»
«Es braucht einen fundamental anderen Ansatz, wie wir ein Hilfesystem aufbauen, das auch den lokalen Begebenheiten Rechnung tragt», so Maurer weiter. Dafür brauche es aber «mehr als Augenhöhe», argumentiert Frischkopf, «der Lead für die Entwicklung muss bei den Ländern selber sein und bei den Partnern, weil sie am besten wissen, was sie brauchen und was bei ihnen funktioniert oder nicht. Und das ist im Gegensatz zu dem, was bei uns Geldgeber oder auch Staaten an Entwicklungspolitik machen wollen.» Das bestätigt Maurer: «Ich habe stark gespürt in den 10 Jahren, wo ich IKRK-Präsident war, wie die Legitimität westlicher Helferei fundamental in Frage gestellt wurde, (…) weil man gesehen hat, dass dies die falsche Hilfe ist, die nicht den Bedürfnissen entspricht.»
Ist es legitim, in der globalen Unordnung mit Gaunern und Schurken als Partner zu verhandeln? «Das war immer so, das hat sich nicht geändert», antwortet Frischkopf, «man hat mit Saddam Hussein und Gaddafi gut verhandelt, das hat realpolitisch immer funktioniert.» Und Maurer ergänzt aus seinen Erfahrungen mit autoritären Regimen: «Wir haben die unangenehme Gewohnheit, sie als Diktaturen und als korrupte Regierungen (zu bezeichnen), wie wenn es Korruption bei uns nicht gäbe, wie wenn es autoritäre Bestrebungen bei uns nicht gäbe.» Dazu Frischkopf: «Ich habe das in China erlebt und das hat mich sehr beeindruckt (…) Wenn man mit Chinesen zusammensitzt, sind sie da, um von einem zu lernen.»
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Im Podcast diskutiere ich über grundsätzliche Fragen aus Politik und Gesellschaft – jeweils mit einer Frau und einem Mann. Jeden Monat wird es zwei neue Debatten geben. Diese Gespräche führe ich mit Personen des öffentlichen Lebens, die selbst im Thema tätig sind. Ihre Perspektiven sind persönlich, führen über das Tagesgeschehen hinaus und öffnen einen weiteren Horizont.
Zuvor habe ich folgende 49 Debatten geführt, die online zu hören sind:
- Hat Sozialdemokratie Zukunft? - mit Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP-Schweiz und Norbert Walter-Borjans, Co-Vorsitzender der SPD.
- Film, Kunst & Moral - mit Martina Gedeck, deutsche Schauspielerin und Stefan Haupt, Schweizer Filmemacher
- Staat, Kultur & Cancel Culture – mit Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien der deutschen Bundesregierung und Adolf Muschg, Schweizer Schriftsteller
- Überleben Rechtsstaat und Demokratie, wenn Wahrheit und Vertrauen erodieren? - mit Samir, Filmemacher und Sibylle Lichtensteiger, Leiterin des Stapferhauses Lenzburg.
- Verpasst die Schweiz die Chance ihrer Italianità?- mit Marina Carobbio, Tessiner Ständerätin, und Marco Solari, Präsident des Filmfestivals Locarno
- Ist eine Mitte-Links-Allianz möglich? - mit Daniel Jositsch, Zürcher Ständerat und Laura Zimmermann, bis vor kurzem Co-Präsidentin der Operation Libero
- Ist Gleichstellung ein Männerproblem? – mit Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin des Frauendachverbandes alliance F und Markus Theunert, Gründungspräsident von Männer.ch
- Wer ist schuld am Rechtspopulismus? - mit Nationalrätin Nadine Masshardt und Roger de Weck, Autor von “Die Kraft der Demokratie - eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre" (Suhrkamp 2020)
- Sicherheitspolitik: Rüsten wir uns für den letzten Krieg oder gegen die Gefahren der Zukunft? - mit Nationalrätin Priska Seiler-Graf und Hans-Peter Bartels, der bis vor kurzem Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und zuvor Bundestagsabgeordneter war.
- Überlebt die nationale Identität in der Migrationsgesellschaft? – mit dem Schriftsteller Lukas Bärfuss und der Migrationsforscherin Naika Foroutan.
- Ist die Schweiz noch reformfähig? – mit Monika Rühl, Economiesuisse und Peter Grünenfelder, Avenir Suisse.
- Lügt die Politik? - mit Jacqueline Fehr, Regierungsratspräsidentin des Kantons Zürich, und dem Philisophieprofessor Georg Kohler.
- Soll uns das Museum erklären, wer wir sind? - mit Denise Tonella, Direktorin des Schweizerischen Nationalmuseums, und Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums.
- Brauchen wir eine Brandmauer zwischen Antisemitismus und Israelkritik? - mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der früheren deutschen Justizministerin, und Abraham Lehrer, dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland.
- Sind Gerichtsklagen ein zweckmässiges Kampfmittel gegen den Klimawandel? - mit der ehemaligen Richterin am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Prof. Helen Keller und Prof. Peter Hettich,Universität St.Gallen.
- Kann Emmanuel Macron nach seinem Wahlsieg das Tandem Paris-Berlin zum Motor der europäischen Erneuerung machen? - mit Michaela Wiegel, langjährige FAZ-Korrespondentin in Paris, und dem schweizerischen Publizisten Joseph de Weck.
- Putin und die Rückkehr der Einflusssphären in der Geopolitik - mit Prof. Herfried Münkler und Prof. Daniela Schwarzer, der Exekutiv-Direktorin der Open Society Foundations in Berlin
- Wie prägt die familiengeschichtliche Erinnerung nationale Politik? - mit der deutschen Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und dem Schweizer Historiker Thomas Maissen.
- Deutschschweiz-Baden-Elsass-Liechtenstein-Vorarlberg: Können alemannische Gemeinsamkeiten Landesgrenzen überwinden? - mit Rita Schwarzelühr-Sutter und Thomas Pfisterer
- Ukrainekrieg: Wie sich die Gesellschaften der früheren „Brudervölker“ entfremdet haben - mit Ina Ruck, Leiterin ARD-Büros Moskau und Alexander Hug, langjähriger Leiter der OSZE-Mission in der Ukraine.
- Documenta Kassel, Biennale Venedig, Art Basel – Unterwirft sich die Kunst dem politisch-moralischen Zeitgeist? - mit der Schweizer Kunsthistorikerin Jacqueline Burckhardt und dem Kurator und Ausstellungsmacher Raphael Gygax.
- Ist die Ostpolitik der SPD gescheitert? – mit Rolf Mützenich, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag und der Osteuropakorrespondentin Sabine Adler.
- Wie erklären sich die Sympathien islamischer Länder für Putins Angriffskrieg? – mit Isabelle Werenfels und Reinhard Schulze
- Führt der Ukrainekrieg zu einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur? - mit Jana Puglierin, European Council of Foreign Relations und Roderich Kiesewetter, Mitglied des Bundestagses und früherer Generalstabsoberst.
- Opfern wir die Menschenrechte wirtschaftlichen und politischen Interessen? – mit der Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur und Wenzel Michalski, dem Deutschlanddirektor von Human Rights Watch.
- Hat die schweizerischer Neutralität Zukunft? - mit der Nationalrätin Sarah Wyss und dem ehem. Diplomaten Paul Widmer
- Können Gesellschaften aus der Geschichte lernen? - mit der Schriftstellerin Eva Menasse und dem Dichter Durs Grünbein
- Die verkannte Bedeutung des Dualen Bildungssystems für den wirtschaftlichen Erfolg – mit Ursula Renold,Prof. für Bildungssysteme ETH und Rudolf Strahm, ehem. Nationalrat.
- Auschwitz liegt auch in der Schweiz – mit Prof. Jacques Picard, Präsident der Stiftung jüdische Zeitgeschichte der ETH-Zürich und Dina Wyler, ehem. Leiterin der Stiftung gegen Antisemitismus und Rassismus
- Was ist das konservative Projekt für ein modernes Deutschland? - Mit dem CDU-Kanzlerkandidaten von 2021 Armin Laschetund Frau Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing
- Kann nach Jahrzehnten von Krieg und Gewalt im Irak und in Algerien ein Weg zu innerer Stabilität und nationaler Verständigung gefunden werden.? - Mit der Nordafrikaexpertin Isabelle Werenfels und dem Orientalisten Daniel Gerlach.
- “Frau, Leben, Freiheit !” – Führt die iranische Protestbewegung in die politische Blockade oder steht das Land in einem revolutionären Umbruch? - mit der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar und dem deutsch-iranischen Politologen Ali Fathollah-Nejad
- Wird Europa bis 2050 klimaneutral? - An welchen Problemen kann das scheitern? - mit dem früheren EU-Energie-KommissarGünther Oettingerund der Energie- und Klimafachfrau Susanne Nies.
- Der Sieg des Sultans – Wohin steuert die Türkei ? - mit dem ZEIT-Korrespondenten Michael Thumann und der Leiterin des Zentrums für angewandte Türkeistudien der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Hürcan Alsi Aksoy.
- Zerstört der zunehmende Hass gegen Amts- und Mandatspersonen die Demokratie? - mit Sawsan Chebli, ehemalige Staatssekretärin im Berliner Senat, und Jörg Müller, Chef des Verfassungsschutzes von Brandenburg.
- Wo steht Europa in der Konfrontation zwischen den USA und China? - Mit Franziska Brantner, Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Alexander Graf Lambsdorff, dem künftigen Deutschen Botschafter in Moskau
- Bedroht der Kampf um Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit? - Mit der deutschen Afro-Amerikanerin Chenoa North-Harderund René Pfister, USA-Korrespondenten des SPIEGELs.
- Ukraine: Wird die westliche Unterstützung brüchig? Mit Ralf Fücks, dem Leiter des Zentrums für Liberale Moderne und Sicherheitsexpertin Claudia Major der Stiftung für Wissenschaft und Politik.
- Haben wir eine Chinastrategie? – Mit dem langjährigen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger und Janka Oertel, Verfasserin des Buches „Ende der Chinaillusion“.
- „Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns“ – mit Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Aussenpolitik und Eckart von Hirschhausen, Gründer der Stiftung "Gesunde Erde - Gesunde Menschen".
- Polen nach der Wahl - mit der polnischen Soziologin Karolina Wiguraund dem früheren polnischen Botschafter in Deutschland Janusz Reiter
- „Wer ist noch zuständig für Wahrheit? – Wie kann sich der Journalismus in einer von Sozialen Medien geprägten Öffentlichkeit behaupten?“ -mit Judith Wittwer, Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, und Claus Kleber, zuvor ZDF-Nachrichtenmoderator..
- „Krieg, Zeitenwende und Aufrüstung – Ist der Pazifismus am Ende?“ - mit Sara Nanni, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
- „Kann Solidarität nur einseitig sein, mit Israel oder mit palästinensischen Opfern?“ – mit dem Antisemitismusbeauftragten Felix Klein und Jouanna Hassoun von der StiftungTransaidancy
Die Debatte zu Dritt wird in Zusammenarbeit mit www.journal21.ch publiziert.
«Journal 21» ist eine Internetzeitung, die von erfahrenen Journalisten gemacht wird, die für die grossen Medienhäuser in der Schweiz gearbeitet haben.
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