Zwei Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass die UNO ihre Rolle als Friedensmacht wieder besser zu spielen vermag als in den letzten Jahren: Unter ihrer Aufsicht wurde das Giftgas im Bürgerkriegsland Syrien aufgespürt und beschlagnahmt. Einen Ort für die Vernichtung wird sie noch finden. Letzte Woche gab es eine erste Einigung im Endlos-Streit zwischen dem Sicherheitsrat und dem Iran um dessen Atompolitik. Begonnen hat diese Wende hin zum Comeback der UNO mit einer Sternstunde des britischen Unterhauses Ende August.
Erstmals seit 220 Jahren verweigerte das britische Parlament dem Ministerpräsidenten die Gefolgschaft in einer Frage von Krieg und Frieden. Eine Demütigung für den konservativen Regierungschef David Cameron, der grünes Licht für eine militärische Strafaktion gegen Diktator Assad gefordert hatte. Die Entscheidung des britischen Parlaments entzog den USA ihren treuen europäischen «Poodle», und Präsident Obama sah sich seinerseits veranlasst, den Kongress zu befragen.
David Owens Vorschlag für Syrien
Damit schlug die Stunde der friedensorientierten Diplomatie. Kurz nach dem Nein des Unterhauses meldete sich im «London Evening Standard» der frühere Aussenminister David Owen zu Wort. Er schlug vor, die den Sicherheitsrat blockierende Frage, wer in Syrien Giftgas eingesetzt habe, einfach einmal unbeantwortet stehen zu lassen und sich stattdessen auf eine Strategie zu verständigen, der sich auch Russland nicht verweigern könne. Owen sah demnach die UNO als Akteurin, nicht ein Militärbündnis an der UNO vorbei, und er bezog ins Kalkül mit ein, dass ein neuer Anlauf nur gelingen konnte, wenn die Vetomächte im Sicherheitsrat alle am gleichen Strick zogen.
Owens Idee: Alle Bürgerkriegsparteien sollten unter UNO-Aufsicht innert kurzer Zeit ihre Giftgasbestände aushändigen und der Kriegsführung entziehen. Die russische Regierung machte sich die Idee umgehend zu eigen und punktete damit erstmals am G8-Gipfel in Petersburg, wo US-Aussenminister Kerry ebenfalls Sympathien zeigte. Damit waren die Weichen gestellt, der Sicherheitsrat hatte ein vielversprechendes Projekt und US-Präsident Obama brauchte nicht mehr vor den Kongress zu gehen. Der Rest bestand im Aushandeln der Modalitäten und der von Russland bewirkten Einwilligung Assads in die Freigabe seiner Giftgasbestände. 1’500 Tonnen davon sind inzwischen gefunden worden, gemäss UNO wahrscheinlich der Gesamtbestand.
Positive Effekte der Syrien-Diplomatie
Das friedliche Eingreifen der UNO hat also viel mehr erreicht, als ein militärischer Schlag auf irgendwelche syrischen Ziele je hätte erreichen können. Dieser hätte nicht nur neue zivile Opfer gefordert, sondern mit grosser Wahrscheinlichkeit kein einziges Gramm Giftgas vernichtet. Die UNO-Aktion hat aber auch generell die Diplomatie gegenüber den Kriegsgurgeln gestärkt, und sie hat vor allem der UNO eine Handlungsfähigkeit auf ihrem zentralen Einsatzgebiet der Friedensförderung zurückgegeben, die ihr leider zunehmend genommen wurde in den letzten Jahren.
Selbst die Aufwertung Russlands als weltpolitischer Player kann positiv vermerkt werden. Es ist ohne Zweifel besser, diesem Land Einfluss in einer berechenbaren Form zuzugestehen als sich an seiner postsowjetischen Schwäche zu erfreuen und es zu weniger berechenbaren Trotzreaktionen zu veranlassen.
Chancen für Entspannung im Iran-Konflikt
Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran geht ebenfalls auf UNO-Beschlüsse zurück. Sie hat mit den zunehmend schmerzhafteren Sanktionen einen demokratischen Regimewechsel im Iran herbeigeführt oder zumindest stark begünstigt und dort Leute an die Macht gebracht, die überhaupt richtig verhandeln wollen. Die vor allem von Israel vertretene Kriegslogik hätte im Iran die nationalistischen Kreise an der Macht gehalten und den westlichen Falken den Vorwand für ein militärisches Eingreifen verschafft.
Es ist bezeichnend, dass nur Israel die Einigung von Genf nicht begrüsst, denn dieses Land ist sich gewohnt, an der UNO vorbei zu handeln und auf Waffen zu setzen. Der Iran hat in Genf Zugeständnisse gemacht, die unter dem Regime Achmedinedschads völlig ausgeschlossen waren. Es ist zu hoffen, dass die Lockerung der Sanktionen möglichst schnell zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der iranischen Bevölkerung führt, denn das wird sie darin bestätigen, die richtige gewählt Regierung zu haben.
Damit diese Regierung nach einem halben Jahr immer noch gewillt sein kann, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und die gefundene Einigung in eine längerfristige Lösung zu überführen, braucht sie eine positive Resonanz in der Bevölkerung. Die bekommt sie nur dann, wenn viele Iranerinnen und Iraner sagen können, uns geht es langsam wieder besser. Dass es so herauskommt, liegt in den Händen der UNO, die mit klugen Sanktionsbeschlüssen in dieser Krisenregion einen Entspannungsprozess einleiten kann, der viel friedensförderndes Potenzial enthält.