Sie manifestieren gegen Bill Gates und fürchten, dass ihnen Mikrochips eingeimpft würden; sie glauben, über 5G-Antennen würde das Corona-Virus bewusst versprüht; sie wehren sich gegen die „Eliten da oben“, die die Demokratie abschaffen und die Weltherrschaft erobern wollen.
Diese finsteren Verschwörungstheoretiker, die unsere Plätze bevölkern, werden „Alu-Hüte» genannt. Alu-Hüte? Woher stammt dieser Ausdruck? Was hat er mit zweiköpfigen Kröten zu tun? Sehr viel.
Beginnen wir von vorn. Zwei weisse Forscher, Engländer, verirren sich im afrikanischen Busch. Plötzlich erschrecken sie. Vor ihnen hüpft eine Kröte mit zwei Köpfen. Die Forscher gehen weiter und werden von riesengrossen schwarzen Menschen überwältigt: Nach einem Zweitagemarsch werden sie in eine grosse afrikanische Stadt geführt, wo ihnen der Tod droht.
Die Festgenommenen treffen auf einen englischen Forscher mit Namen Hascombe. Er war als Spezialist für Schlafkrankheiten in Afrika unterwegs und geriet vor vielen Jahren in die Hände dieser Schwarzen. Auch ihm drohte der Tod, doch es gelang ihm, die Stammeshäuptlinge zu verführen. Hascombe realisierte, dass diese Gemeinschaft extrem religiös war. Der Chef schien mehr Priester als König zu sein. Für ihre religiösen Riten verwendeten sie Blut. Das war Hascombes Chance. Er besass ein Mikroskop, legte einen Bluttropfen darunter und sagte: „Ihr verehrt das Blut. Das tun auch weisse Männer, doch wir tun mehr, wir können im Blut versteckte, magische Kräfte sichtbar machen.“ Die Schwarzen waren beeindruckt und liessen ihn am Leben.
So wurde er zum engsten Berater des Priesterkönigs, dem er eine winzige Gewebeprobe aus seiner Haut entnahm. In einem Laboratorium kultivierte er sie. Das Gewebe wuchs. Hascombe teilte es immer wieder, verteilte es im Stammesgebiet und liess die Gemeinschaft glauben, dass sich so die göttliche Kraft des Herrschers über das ganze Gebiet verteilte.
Noch mehr: Auch alten Leuten entnahm er Gewebe und liess es wachsen. Die Angehörigen bewahrten es nach dem Tod der Alten auf und verehrten es. So wurde der Ahnenkult gefördert. Jede Familie besass mindestens eine solche Gewebekultur. Friedhöfe braucht es nicht, man hatte ja zuhause ein Stück Gewebe.
In einem weiteren Labor züchtete Hascombe phantastische einäugige Zombies. Doch, so sagte er: „Meine Spezialität sind dreiköpfige Schlangen und zweiköpfige Kröten.“ Diese hüpften dann im Busch herum.
Und dann wandte sich Hascombe der Massen-Telepathie zu. Und jetzt kommen wir den Alu-Hüten näher. Schon in England hatte ihn ein Hypnotiseur in die Kunst der Hypnose eingeweiht. Jetzt gelang es ihm, durch uralte Riten die ganze Gemeinschaft in Trance und Hypnose zu versetzen und sie via Telepathie gefügig zu machen.
Doch es gibt Abhilfe. Hascombe hat herausgefunden, dass Metall die telepathischen Strahlen abhält und den telepathischen Effekt zunichte macht. Also bastelten die Engländer für sich Hüte aus Metallfolien. „We with our metal coverings were immune“, sagte Hascombe.
Daher also der Ausdruck „Alu-Hüte“. Ihr Ziel ist es, gegen telepathische Beeinflussungen immun zu werden: also gegen Bill Gates, gegen die 5G-Antennen, gegen die Eliten, die das Volk willenlos machen und die Weltherrschaft ergreifen wollen.
„The Tissue-Culture-King“ heisst diese schräge Kurzgeschichte. Ist ihr Autor völlig bekloppt? Mitnichten.
Der Engländer Julian Huxley, der diesen Text 1927 im Magazin „Amazing Stories“ veröffentlichte, war der Bruder des bekannten Schriftstellers Aldous Huxley. Und Julian, ein Biologe, Philosoph und Verhaltensforscher, wurde später der erste Generaldirektor der Unesco. Zudem war er ein Mitinitiant der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Amazing Stories veröffentlichte immer wieder Texte von bekannten Science-Fiction-Autoren.
Eines hätte Huxley sicher nicht erwartet: Dass seine skurrile, typisch englische Horrorgeschichte 93 Jahre nach der Niederschrift eine Renaissance erlebt.