Am 6. November 1888 wurde der amerikanische Präsident Crover Cleveland nicht mehr gewählt. Vier Jahre später trat er erneut an – und wurde gewählt. Er war der bisher einzige Präsident, der nach seinem Rauswurf aus dem Weissen Haus erneut antrat.
Jetzt könnte er einen Nachfolger finden: Donald Trump lässt durchblicken, dass er in vier Jahren Revanche nehmen und erneut kandidieren könnte. Doch würde er, wie Crover Cleveland vor 132 Jahren, wieder gewählt? Viele Trump-Gegner schaudert es schon.
„Der Trumpismus ist nicht tot“, heisst es überall. „Trump wird seine Partei nach wie vor dominieren, er wird alle an die Wand drücken. Kein republikanischer Gegenspieler wird sich profilieren können. Mit seiner destruktiven Kraft wird er das Volk weiter aufputschen. Mit einem eigenen Fernsehsender wird er seine Anhänger bei der Stange halten. Ein Mann wie Trump gibt nicht auf. 2024 wird er sich brutal rächen.“
Vielleicht stimmt das alles. Vielleicht aber auch nicht ganz. Es gibt durchaus Anzeichen, dass Trump in vier Jahren nicht mehr gewählt würde. Oder dass er gar nicht antritt.
Trump ist einer der unbeliebtesten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Kein Präsident hatte seit dem Zweiten Weltkrieg derart miserable Beliebtheitswerte wie er. Das verspricht wenig Gutes. Seit seinem Amtsantritt lag er laut Gallup (mit drei winzigen Ausnahmen) immer teils massiv im Minus.
Zudem: Vor vier Jahren hatte er gegen Hillary Clinton fast drei Millionen Stimmen weniger gemacht. Jetzt, gegen Biden, sind es sogar sieben Millionen Stimmen weniger. Auch das: keine gute Vroaussetzung für eine Wiederwahl in vier Jahren.
Natürlich zählt nicht die Gesamtheit der Bevölkerung, sondern die Zahl der Elektoren. Doch auch da müsste sich Trump Sorgen machen. Er hat nach vier Regierungsjahren nicht nur die wichtigen Rust-Belt-Staaten Pennsylvania, Wisconsin und Michigan wieder verloren: er wurde auch in den seit 20, 25 Jahren ur-republikanischen Hochburgen Arizona und Georgia geschlagen. Und in fast allen Staaten, in denen er gewann, ging sein Zustimmungswert im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren drastisch zurück.
Die Wahlen haben gezeigt, viele Republikaner stimmen nach wie vor für republikanische Abgeordnete und Senatoren – aber nicht für Trump. In Georgia sind die beiden republikanischen Kandidaten auf Distanz zu ihm gegangen, um ihre Wahlchancen nicht zu schmälern.
Auch juristische Probleme kommen auf den abtretenden Präsidenten zu. Mögliche Anklagepunkte sind: Vermögensdelikte, falsche Aussage, Steuerhinterziehung, Behinderung der Justiz, Verstoss gegen die Gesetze der Wahlkampffinanzierung, illegale Vorteilsnahme im Amt, Vergewaltigung, Zahlung von Schweigegeldern an Frauen, Anstiftung zur Gewalt, Betrug, Nötigung.
Schon diskutieren die Medien, ob Biden bei seinem Versuch, die beiden Lager zu versöhnen, Trump begnadigen sollte. Viele halten das für eine schlechte Idee. Denn Trump würde eine Begnadigung als Schwäche des Präsidenten auslegen und als Beweis darstellen, dass er unschuldig ist. Sollte er aber verurteilt werden, wäre das ungünstig für eine neue Kandidatur. Vom Knast zurück ins Weisse Haus? Eher nicht.
Fragen wird man sich auch zunehmend, ob die wirtschaftliche Situation des Ex-Präsidenten wirklich so glorreich ist, wie er behauptet. Immer mehr werden Details bekannt, dass der angeblich so erfolgreiche Geschäftsmann gar nicht so erfolgreich war.
Doch der vielleicht wichtigste Punkt, der gegen Trump spricht, ist Trump selbst: vor allem sein Benehmen nach der verlorenen Wahl. Dieses Verhalten ist derart jämmerlich, dass ihm auch viele Republikaner die Sympathie gekündigt haben. Trump führt sich wie ein ungezogener Fünfjähriger auf, dem man im Sandhaufen das Spielzeug weggenommen hat und der nicht aufhört zu toben. Der Präsident entlarvt sich immer mehr als ein Despot.
Seit seiner Niederlage hat er sich derart selbst als Rüpel demaskiert, dass dies bei gemässigten Republikanern nicht ohne Folgen bleiben wird. Doch diese bräuchte er, um wiedergewählt zu werden. Die versuchte Aushebelung der Demokratie ging einigen dann doch zu weit. Noch nie hatte ein geschlagener Präsident das Wahlergebnis umkehren wollen. Auch eingefleischte Republikaner sind angewidert. Sogar sein eigener Justizminister geht auf Distanz zu ihm. Und jetzt hat auch noch der mehrheitlich konservative Supreme Court Trumps es abgelehnt, das Ergebnis in Pennsylvania für ungültig zu erklären. Ein demokratischer Senator sagt süffisant: „Man muss jetzt nicht mehr gegen Trump kämpfen, man muss ihn nur machen lassen. Er demontiert sich selbst.“ Längst ist er ein verhinderter, ein gescheiterter Putschist.
Er wird wohl nie und nimmer seine Niederlage eingestehen. Und ein grosser Teil seiner Fans wird noch immer glauben, dass die Wahl gestohlen wurde. Er wird sich als Opfer, als Märtyrer zelebrieren lassen. Noch lange wird er durchs Land tingeln, seine Anhänger belügen und aufpeitschen. Er wird als eine Art „Gegenpräsident“ oder „Gegenpapst“ schreien und brüllen – und er wird das Geld verpulvern, das ihm seine reichen Mäzene noch immer in den Rachen schiessen.
Aber: Viele Amerikanerinnen und Amerikaner sind der ewigen Schlammschlacht, dieser Politik des Hasses, dieses Chaos, dieser nimmer endenden Twitter-Tiraden müde geworden und wollen jetzt dem neuen Team eine Chance geben.
Der bekannte amerikanische Politologe Francis Fukuyama (bekannt durch sein Werk „End of History“) sagt: „Soll er doch kandidieren. Ein 78-jähriger Trump wird nicht wiedergewählt. Schon vor vier Jahren hat er es nur mit hauchdünner Mehrheit geschafft. Das schafft er mit 78 nicht mehr. Die Leute werden absolut die Nase voll von ihm haben.“ Fukuyama schliesst auch nicht aus, dass er die Partei spalten könnte.
Entscheidend wird sein, ob es Joe Biden und Kamala Harris gelingt, bald einige Erfolge vorzuweisen. Auch wenn die Republikaner den Senat dominieren werden und auch wenn der „Bluthund“ Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, mit allen Kräften gegen Biden kämpft: der neue Präsident hat trotzdem einige Möglichkeiten, einiges zu bewirken. Sollten seine Beliebtheitswerte bald einmal über 50 Prozent liegen, wird es Trump schwer haben.
2024 ist noch weit entfernt. Vielleicht ist dann alles anders. Auch da gilt: Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Auch eine Wiederwahl von Donald Trump in vier Jahren ist keineswegs sicher. Sogar Melania Trump, die Frau von Donald, sagt am Mittwoche laut CNN auf die Frage, was sie von den Gerüchten halte, dass ihr Mann 2024 erneut kandidiere: „Das könnte nicht gut herauskommen.“