Die islamisch verbrämte Feindschaft gegenüber den USA, die im Iran vor 45 Jahren zur Staatsräson wurde und derzeit ihre mörderische Dimension in der gesamten Region zeigt, war immer nur vordergründig «islamisch». Im Maschinenwerk werkelten KGB-Agenten, kommunistische Gruppen und rote Turban-Träger mit. Und Ayatollah Chomeini fungierte als Lautsprecher.
Wer waren die Schöpfer, wer war der Spiritus Rector des beispiellosen, affektiven und irrationalen Amerikahasses, der vor 45 Jahren im Iran das Licht der Welt erblickte und inzwischen das Schicksal einer ganzen Region, ja der Welt zu bestimmen droht? Es ist eine schwierige Suche nach der Antwort auf diese Frage, die wahrscheinlich nie zum Ziel führen wird. Doch die Erkundung und Nachforschung an sich ist bereits sehr lehrreich, auch für diejenigen, die heute über die nahöstlichen Schlachtfelder reflektieren wollen.
Am Anfang, vor allem nach der Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran am 4. November 1979, bekam das Unerwünschte viele Namen. Die einen benutzten ausschliesslich Schimpfwörter und Beleidigungen, die anderen wählten politische Begriffe. Was Erstere Satan, Weltenfresser und arrogant nannten, war für Letztere eine imperiale, aggressive Supermacht.
Chomeini, der Besonnene?
Es mag verwunderlich klingen, doch unter den vielen Schöpfern dieses einmaligen Amerikahasses gehörte Ayatollah Chomeini, der Revolutionsführer, zu den Besonnenen. Mehr noch: Chomeini hielt die Anwesenheit der USA im Iran ursprünglich sogar für notwendig, um die Gefahr des Kommunismus, die vom Norden her drohte, zu bannen. Im Frühjahr 1980 schreibt die CIA in einem langen Bericht unter dem Titel «Islam und Iran»: «Chomeini stellte eindeutig klar, dass er nicht gegen die Interessen Amerikas im Iran ist, im Gegenteil. Er hielt die Anwesenheit der Amerikaner im Iran für das Gleichgewicht zur Sowjetunion ebenso wie zu den Briten für notwendig. Er betonte auch die Nähe des Islams zu den anderen Religionen, besonders dem Christentum.» Zu lesen ist diese irritierende Feststellung in einem im September 2005 freigegebene CIA-Dokument über die islamische Revolution im Iran.
Selbst als man am Abend des 4. November 1979 Chomeini die Nachricht bringt, eine Gruppe Studenten hätte die US-Botschaft besetzt, forderte er, man solle sie sofort rausschmeissen.
Der krebskranke Schah und die Mär vom Putsch
Und das war bereits das zweite Mal, dass Chomeini eine Besetzung der US- Botschaft verhindern wollte. Seit seiner triumphalen Ankunft in Teheran waren erst zwei Wochen vergangen, als die kommunistische Gruppierung «Fedaine-Chalgh» die Botschaft gestürmt und sie für besetzt erklärt hatte. Nach Chomeinis Anweisung gehorchte die einstige Guerilla-Gruppe seinem Befehl und räumte das Botschaftsgebäude. Doch an diesem 4. November blieb Chomeinis Wort ungehört. Denn in den turbulenten vergangenen neun Monaten seit dem Sieg der Revolution war viel passiert.
Der geflohene und inzwischen schwer an Krebs erkrankte Schah hatte nach einer langen Odyssee über Ägypten, Marokko, Mexiko und die Bahamas endlich einen Platz in einem New Yorker Krankenhaus gefunden. Der Krankenhausaufenthalt des sterbenden einstigen Herrschers im fernen New York rief im Iran wieder jene Strippenzieher auf den Plan, die längerfristig und strategisch am Werk waren.
Wie bei ihrem Putsch 1953 würden die USA den Schah wieder zurück an die Macht bringen wollen, hatten Revolutionäre unentwegt und in verschiedenen Variationen in ihren Pamphleten verbreitet. Allerdings glaubte in diesen Tagen kein ernstzunehmender Beobachter, nicht einmal Chomeini selbst, dass die USA tatsächlich putschen wollten oder könnten. Washington hatte sich längst mit der Tatsache arrangiert, dass die Schah-Ära endgültig vorbei war. So wurde die Auslieferung des todgeweihten Schahs zur Hauptforderung der Botschaftsbesetzer und deren Hintermänner.
Der rote Mullah
Die Botschaftsbesetzer, die 444 Tage lang US-Diplomaten und -Diplomatinnen festhielten, nannten sich diesmal «Studenten der Linie Imam», um jegliche Nähe zu Linken und Kommunisten auszuräumen. Ausserdem hatten diese «Studenten» einen einflussreichen Mullah namens Ali Akbar Mohtashami hinter sich, der für seinen Amerikahass und seine Nähe zu Moskau bekannt war. Man nannte ihn den «Turban tragenden Kommunisten». Mohtashami wurde später zum Botschafter Irans in Damaskus und war Mitbegründer der libanesischen Hizbullah. Die USA setzten ihn wegen seiner Beteiligung an dem verheerenden Bombenanschlag in Beirut im Jahre 1983 auf ihre Terrorliste. Gutachter gaben später an, dass die auf einem dortigen US-Stützpunkt gezündete Bombe mindestens 6'000 Kilogramm Sprengstoff enthalten habe und damit «die gewaltigste nicht-atomare Explosion auf Erden seit dem Zweiten Weltkrieg» ausgelöst hätte. Der 11. September 2001 toppte diesen Rekord .
Der KGB triumphiert
Mohtashami kannte für seine islamisch verbrämte Feindschaft gegenüber Amerika keine Grenzen. Es galt, die Beziehung Irans zu den USA für immer und irreparabel zu ruinieren, was auch meisterhaft gelang. Leonid Shebarshin, der damalige Chef des sowjetischen Geheimdienstes in Teheran, wird später in seinem Buch «Der letzte KGB-Krieg» wohlwollend und triumphierend notieren: «Die Besetzung der amerikanischen Botschaft war präzise durchdacht und geplant, sie führte nicht nur zur völligen Zerrüttung der iranisch-amerikanischen Beziehungen, sie gab zudem der Geistlichkeit den Anlass, alle westlich orientierten Oppositionellen zu neutralisieren. Ministerpräsident Bazargan samt seinem Kabinett wurde entmachtet, weil man ihnen vorwarf, proamerikanisch zu sein.»
Shebarshin galt als sowjetischer Meisterspion im Nahen Osten. Der Orientalist und hochrangige KGB-Offizier kam im Frühjahr 1979, auf dem Höhepunkt der iranischen Revolution, nach Teheran. Er hatte schon Stationen in Pakistan, Afghanistan und diversen Ländern in Südasien hinter sich. Über das sowjetische Desaster in Afghanistan wissen wir inzwischen genug, doch sein Einsatz im Iran war für seinen Herrn in Moskau ein voller Erfolg. Und die Welle des Anti-Amerikanismus hatte sukzessiv eine Stufe erreicht, die dazu führte, dass Chomeini trotz seines anfänglichen Zögerns die Besetzung der US-Botschaft schliesslich als «zweite Revolution» bezeichnete. Chomeini war ein Populist par excellence.
Chamenei, der eingefleischte Amerikahasser
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verstärkte sich der Amerikahass weiter. Denn der Iran bekam einen neuen Revolutionsführer, und dieser ist ein bekennender und eingefleischter Hasser jeder westlichen Zivilisation. In den 34 Jahren, in denen Ali Chamenei seither die Geschicke Irans bestimmt, findet sich kaum eine Rede von ihm ohne eine antiwestliche Passage – ganz egal, worüber er spricht. Und er spricht viel und ist ein guter Rhetoriker. Politische und religiöse Anlässe gibt es zudem für Chameneis Auftritte genug.
Welche mörderischen Folgen sein wahnhafter Hass auf die USA hat, zeigte sich auf dem Höhepunkt der Coronapandemie. Als das Virus im Iran täglich Hunderte Tote forderte und alle auf den Import westlicher Impfstoffe hofften, verbot Chamenei am 8. Januar 2021 öffentlich die Einführung aller westlichen und vor allem amerikanischer Impfstoffe: «Sie wollen die Wirksamkeit ihrer Impfstoffe zunächst an anderen Nationen prüfen, bevor sie sie selbst nutzen. Unsere Verantwortlichen können die Impfstoffe woanders in sicheren Ländern besorgen.»
Doch «sichere Länder» fanden sich nicht. Als die Zahl der Coronatoten täglich weiter stieg, sah man sich stillschweigend gezwungen, den Import westlicher Impfstoffe doch zuzulassen. Und jene fünf Rechtsanwälte und Sozialaktivisten, die gewagt hatten, eine Klage gegen Chamenei wegen unterlassener Hilfeleistung für mindesten 600’000 Tote zu erheben, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Wie ein unauslöschliches, ewiges Bekenntnis liest man auf Chameneis Webseite:
«Amerika ist Amerika: Diese Partei, jene Partei, egal, wer auch an die Macht gekommen ist, brachte uns nur Böses. Der eine sanktioniert uns, der andere hilft unseren Feinden. Wir aber haben keine Sorge. Mit Gottes Hilfe sind wir für jedes Ereignis, jede Konfrontation bereit.»
Chameneis strategische Tiefe
Und vorbereitet hat er sich tatsächlich sehr gut, wie man in diesen Tagen sehen kann. Die USA sind derzeit im Nahen Osten mit einem asymmetrischen Krieg mit diversen Milizen konfrontiert, der sich von Jemen über Irak, Syrien und Libanon ausgebreitet hat. Ein Krieg, dem sie mit klassischen Militärschlägen schwer beikommen können. Ali Chamenei nennt dies die «strategische Tiefe» der Islamischen Republik. Mit Chamenei sind Russlands Interessen im Iran in sehr guten Händen. Ali Chamenei hat in zahlreichen Schriften und Reden ausführlich dargelegt, warum er Russlands Geschichte immer bewundert hat, vor allem in dem Krieg gegen Napoleon. Und was die Gegenwart angeht, sind die iranischen Drohnen im Ukraine-Krieg der eindeutige, tödliche Beweis, wie fest er an Russlands Seite steht.
Über die Zukunft muss man nicht viel debattieren, denn Putin betrachtet die Islamische Republik inzwischen als seinen gesicherten Hinterhof, den er mit allen Mitteln zu nutzen, zu bewahren und auch zu verteidigen weiss. Und all das passiert in einem Land, das am Portal seines Aussenministeriums die Parole eingemeisselt hat: «Weder Osten noch Westen – die Islamische Republik». Dies war übrigens die Hauptparole der islamischen Revolution.
Mit freundlicher Geneehmigung Iran Journal