Die Nachrichten der letzten Wochen und Tage haben eine neue Qualität erreicht. Sie handeln nicht mehr von dieser oder jener Katastrophe, sondern von Konflikten, für die niemand einen Ausweg weiss.
Gesteigerter Hass
Was uns aus den Medien entgegentritt, ist gesteigerter Hass. Dieser Hass ist ethnisch, religiös und politisch so tief verwurzelt, dass er mit den üblichen Mitteln vernünftigen Verhandelns nicht besänftigt werden kann. Und weltweit bricht dieser Hass auf.
Die Nachrichten berichten von einer Eskalation nach der anderen. Es sind Eskalationen, die sich wie von selbst steigern und deren Logik kein Ende vorsieht. Wenn nicht die unwahrscheinlichsten Wunder geschehen, werden sich die Konflikte immer weiter ausbreiten.
Der Grauschleier
Unser Alltag ist davon bislang unberührt. Die Berichte der Medien gehören immer noch so zu unserem alltäglichen Konsum, als wären sie blosse Unterhaltung. Aber noch nie wurden so viele weinende Menschen gezeigt.
Spendenaufrufe in den Nachrichtensendungen wirken hilfloser denn je. Womit und wie kann Flüchtlingen geholfen werden, deren Zahl in die Millionen geht und deren Elend unser Fassungsvermögen selbst im Zeichen medialer Zubereitung übersteigt?
Aber etwas geschieht. Es geschieht mit uns. Ein Schleier legt sich über alles, was wir tun und vor allem: was wir planen. Das Entsetzen, das von allen Seiten bei uns anklopft, verhallt nicht ungehört. Wir spüren, dass das, was wir für unseren normalen Alltag halten, so normal nicht mehr ist.
Fatale Gleichzeitigkeit
Der Alltag wird mehr und mehr zu einer Parodie auf das Grauen ringsum. Und wir spüren, dass sich etwas tiefgreifend verändert hat. Eben noch hat man mit wohligem Gruseln die zahllosen Filme, Schilderungen und Analysen im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg auf sich wirken lassen, da stellt man fest, dass der Abstand nicht allzu gross ist. Das Schicksal unserer Väter holt uns ein.
Wir leben nicht dort, wo wir dachten. Unsere Welt ist nicht so aufgeklärt, dass sie sich weit von dem Verhängnis unserer Vorfahren entfernt hätte. Wir haben über die Vorgängergenerationen keine „natürliche Überlegenheit“ erlangt. Wir sind so verstrickt und so hilflos wie sie. Unser Alltag war nur eine Art Urlaub. Wir spüren, dass dieser Urlaub nun zu Ende gehen wird.
Kein Entrinnen
Was ist der Mensch? Wir hatten geglaubt, dass es trotz aller Rückschläge einen Fortschritt gibt. Denn dieser Fortschritt war für uns sichtbar und spürbar und allgegenwärtig. Und als die Nutzer immer besserer Technik und Kommunikation fühlten wir uns mehr und mehr wie Könige in unserem Reich. Und jetzt wachen wir auf und stellen fest, dass wir Ameisen sind.
Die inneren Alarmglocken schrillen. Aber gerade sie konfrontieren uns mit der Ausweglosigkeit. Wie Ameisen existieren wir auf einem eng begrenzten Biotop, aus dem es kein Entrinnen gibt, es sei denn, es schüttelt uns einfach ab. Und so machen wir weiter wie bisher und schauen uns mit Schaudern zu.