Bilder der Getöteten liefen am Donnerstag stundenlang über den Bildschirm des ruandischen Fernsehens. Als Hintergrund Bilder der ruandischen Landschaft, die stark an die Toskana erinnert.
In Kigali waren am Donnerstag alle Läden geschlossen, auf den Strassen nur wenige Taxis, Polizisten an jeder Kreuzung, eine menschenleere Stadt. Dann fällt noch mehr auf, wie sauber, wie aufgeräumt diese Stadt ist. Wer zum ersten Mal hierher kommt staunt: „Das soll eine afrikanische Stadt sein?“ Grünstreifen mit Blumen, die die vierspurige Autobahn zum Flughafen trennen, aus Betonsteinen gefügte Trottoirs, die Randsteine in der ganzen Stadt schwarz-weiss bemalt, Anzeigetafeln werben für Villen, die gerade aus dem Boden gestampft werden. Hier standen früher Hütten aus sonnengetrockneten Backsteinen mit Wellblechdach. Die wurden alle abgeräumt, um Platz zu machen für Präsident Paul Kagames Traum von der Zukunftsstadt, der Hauptstadt eines afrikanischen Silikon Valley.
Systematische Bespitzelung
Viele trauen ihm zu, dass er das schafft. Kagame hat Visionen für die Zukunft seines Landes und setzt sie konsequent um. Welch ein Unterschied zum Nachbarland Kongo, wo Politiker das Blaue vom Himmel versprechen und danach nur damit beschäftigt sind, die eigenen Taschen zu füllen. Kagame hat Plastiksäcke verboten, weil sie als Abfall das Land verschandeln, lässt Geschwindigkeit auf den Strassen kontrollieren, verpflichtet alle Ruander einmal pro Monat zu Gemeinschaftsarbeit. Zum Beispiel bemalen sie Randsteine. So einem hilft man die Weltgemeinschaft gerne. Die Geberländer sehen, dass die Hilfsgelder bei der Bevölkerung ankommen. Und doch, bei vielen Gesprächen kommt man bald an einem Punkt, wo man um Verständnis ringt.
Kagame hat die Präsidentenwahlen im letzten Jahr mit 93 Prizent der Stimmen gewonnen. Dafür hat er politische Gegner eingeschüchtert und ins Exil getrieben hat. Warum hat er nicht „richtig demokratische“ Wahlen durchgeführt. Gewonnen hätte er sowieso, vielleicht halt nur mit 63 Prozent der Stimmen. Kagame lässt die Leute im Land systematisch bespitzeln. Sobald Ruander und Weisse in der etwas Kritisches sagen, beginnen sie zu flüstern, sogar im eigenen Haus. Botschaften kaufen raffinierte Verschlüsselungsanlagen, um einen möglichen Lauschangriff abzuwehren.
Angst vor einem neuen Massaker
Man überlegt, warum dieses Misstrauen Kagames? Man argumentiert dann vielleicht, dass Kagame so ja von Komplotten hören und verhindern könnte, dass Hutus und Tutsis nochmals aufeinander losgehen. Kagame hat auch verboten, von Hutus und Tutsis zu reden, für ihn sind alles Ruander. Allerdings sind die meisten wichtigen Posten im Lande von Ruandern besetzt, die zu den 15 Prozent Tutsi gehören. Kritiker meinen, dieses Ausblenden der Ethnien führe dereinst dazu, dass das Land nochmals explodiere, sobald Kagames Druck nachlässt oder er abtritt.
Trefflich lässt sich auch disputieren über den Sprachenwechsel in Ruanda. Bis Ende 2009 war die Schulsprache in Ruanda Französisch. Dies obwohl Ruanda eine eigene Sprache hat, die alle als Erstsprache sprechen, nämlich Kinyarwanda. Ab Januar 2010 mussten alle Lehrer in den oberen Klassen ihren Unterricht auf Englisch halten, ohne Vorbereitung. Welch ein Unterschied zur Schweiz, wo man Jahrzehnte diskutierte, nicht etwa, ob man auch Unterricht in einer zweiten Sprache halten, sondern den Kindern einige Stunden Früh-Französisch und Früh-Englisch zumuten könne.
Am Freitagabend übrigens werden in Ruanda die Antennen von Ruandatel abgestellt. Wer bisher mit dem Handy auf diesem Netz telefoniert hat, wurde vor zwei Tagen aufgefordert, den Anbieter zu wechseln. Ruandatel wird kontrolliert von libyschen Geldgebern. Kagame hat sich als einer der wenigen afrikanischen Führer gegen Gaddafi gestellt und unterstützt die Opposition. Was halten wir davon?