Perikles Monioudis, trotz seines griechischen Namens in Glarus geboren und aufgewachsen, ist der Autor des Buches über einen Tänzer, der seinerseits mit einem nicht gerade amerikanisch klingenden Namen in Nebraska auf die Welt kam: Frederick Austerlitz, der unter dem Künstlernamen Fred Astaire eine unvergleichliche Karriere machte.
Mit vier Jahren auf der Bühne
Und warum gerade Fred Astaire? «Er hat mich seit meiner Jugend fasziniert», sagt Perikles Monioudis. «Schon als Kind habe ich mir Gedanken über Fred Astaire gemacht. Später, als Schriftsteller, habe ich bewusster darüber nachgedacht. Warum macht er das? Warum ist er so perfekt mit seinen Schritten? Und wie ist es, wenn man schon als Vierjähriger auf der Bühne steht, als Star, zusammen mit der Schwester, wenn man von einer Vaudeville-Bühne zum nächsten Varieté weitergereicht wird, 27 Jahre lang, alles zu Zeiten, als seine Hollywood-Karriere noch gar nicht begonnen hatte».
Als Kind sass Perikles Monioudis am Sonntagnachmittag gebannt vor dem Fernseher, um alte Fred Astaire-Filme anzusehen. Auch er zusammen mit seiner Schwester. Astaire liess ihn nicht los. «Wie wirkt sich so ein Leben bei Tänzern aus, die ihren Körper ja ganz bewusst ‘bewohnen’, sich also auch im Alltag immer bewusst bewegen, sich bewusst ernähren…»
Ist das nicht ein Lebensstil, wie ihn auch Sportler pflegen im Hinblick auf immer neue Höchstleistungen? Monioudis denkt nach und rührt in seinem Kaffee. «Ja, aber da ist ein Unterschied: Der Hochleistungskünstler ⎯ oh, hoppla, jetzt sage ich schon ‘Hochleistungskünstler’.» Eigentlich kein schlechter Versprecher, einer sogar, der absolut passend ist für Fred Astaire. «Aber was ich sagen wollte: Ein Hochleistungssportler macht das alles für sich selbst, für die Medaille, die er für sich gewinnen will. Ein Künstler macht das auch noch für einen Adressaten, für das Publikum.»
Künstlerische Freiheit
«Frederick» ist keine Biographie, sondern ein Roman. Vieles ist nicht belegt. «Ich habe all seine Filme wieder und wieder gesehen. Und ich habe natürlich alles gelesen, was über Fred Astaire geschrieben wurde. Aber da ist nur wenig Substanzielles, obwohl Fred Astaire doch ein nationaler Mythos in den USA ist. Alle Autoren haben voneinander abgeschrieben. Auch die Fehler.»
Für einen Schriftsteller, der über einen Künstler schreiben will, kann es doch aber auch von Vorteil sein, wenn nicht allzu viele Informationen über das Leben des betreffenden Künstlers vorliegen. So bleibt beim Schreiben Raum für künstlerische Freiheit, was letztlich der Person, über die der Autor schreibt, viel mehr gerecht werden kann als die exakte Wiedergabe einer Lebensgeschichte. «Ja, das ist genau der Punkt», bestätigt Monioudis. «Für mich war das sozusagen ein Freipass. Ich konnte über Fred Astaire schreiben, was ich schreiben wollte. Jedes Wort, jeder Satz, jede Bewegung, jede Diskussion, jeder O-Ton ist sozusagen erfunden.»
Monioudis schreibt tatsächlich vieles so, als wäre er dabei gewesen, als hätte er Fred Astaire nicht nur auf die Füsse geschaut, sondern als hätte er auch ständig die Ohren gespitzt, damit ihm kein Wort entgeht, das Astaire spricht. «Ich hoffe mit diesem Buch einen Beitrag an die Astaire-Forschung geleistet zu haben. Aber es ist ein fiktionales Buch, und es hat mich beim Schreiben auch interessiert, wie weit man genuin schriftstellerisch mit einer Person umgehen kann, die wirklich gelebt hat».
Schmerz, Verzicht und Leidenschaft
Und so erzählt Perikles Monioudis vom Leben eines begnadeten Tänzers aus dem Mittleren Westen der USA, dessen Kindheit schon in Nebraska vom Tanz geprägt war, und vom Ehrgeiz der Mutter, die ihre Kinder aus der Provinz bis nach New York brachte. Dort sollten sie Erfolg haben. Dort sollten sie auf den grossen Bühnen tanzen. Schmerzen, Verzicht, Enttäuschung, Leidenschaft: alles, was zu so einer Karriere gehört, kannte auch Fred Astaire. Und der Ehrgeiz der Mutter wurde auch sein Ehrgeiz.
Von New York geht es weiter nach London, wo Fred Astaire und Schwester Adele Triumphe feiern. Inzwischen sind sie junge Erwachsene und beginnen, nicht nur im Leben, sondern auch in der Liebe erste Erfahrungen zu sammeln. Adele bleibt in England, Fred Astaire geht zurück nach Amerika, um schliesslich in Hollywood trotz grösster persönlicher Zweifel an seinem Aussehen auf der Grossleinwand eine glanzvolle Filmkarriere als Tänzer zu machen.
Monioudis schreibt, wie es war und hält sich an die bekannten Fakten. Und er schreibt, wie Astaire es vielleicht empfunden hat, was er gedacht und gefühlt hat, wie er gelitten und wo er triumphiert hat. Entstanden ist eine fesselnde Roman-Biographie. «Man trägt als Schriftsteller Stoffe mit sich herum. Man sieht etwas, man reist, man nimmt wahr, man ist ein Stück weit auch Trichter und verdichtet gewisse Dinge. Irgendwann hat man dann das Personal beisammen, das im Buch eine Rolle spielt, und beginnt zu schreiben. Im Fall von Fred Astaire musste ich fast keine weiteren Recherchen machen, weil ich mich seit Jahren mit ihm beschäftigt und auch in den USA in Bibliotheken gesucht hatte».
Sesshaft in Zürich
«Es war eine lange Produktionszeit», erzählt er. «Vor sechs oder sieben Jahren habe ich bei einem Nachtessen ein paar befreundeten Schriftstellern das erste Kapitel vorgelesen. Dann habe ich ein zweites geschrieben und noch ein halbes dazu. Anschliessend ist das Projekt in den Hintergrund geraten wegen meiner Familiengründung».
In Berlin, wo er zwölf Jahre gelebt hatte, war er Dana Grigorcea begegnet und zog schliesslich mit ihr nach Zürich. Für ein geregeltes Familieneinkommen erwies sich die Fifa als Glücksfall. Dort ist er für das monatlich erscheinende Magazin verantwortlich. «Wir versuchen darzustellen, was die Fifa macht», sagt er ganz sachlich.
Nach etlichen Lehr- und Wanderjahren von einem Stipendium zum anderen und an den verschiedensten Orten ist er nun in Zürich sesshaft. Mit zwei kleinen Kindern und einer Frau, die ebenfalls erfolgreiche Schriftstellerin ist: Dana Grigorcea. Sie war es, die ihren Mann immer wieder ermuntert hat, das Astaire-Buchprojekt nach den angefangenen Kapiteln zu Ende zu führen.
Dann packt er seine Sachen zusammen. «Ich muss nach Hause, um die Kinder zu hüten. Dana reist zu einer Lesung.»
Perikles Monioudis: Frederick, Roman, dtv, 220 S.