Ob überhaupt eine und welche Regierung nach den griechischen Wahlen ihr Amt antritt, spielt keine Rolle. Längere oder kürzere Agonie vor dem Bankrott, schnellere oder langsamere Entstaatlichung und Zerfall der Gesellschaft, das sind die vorhandenen Optionen. Lichterlöschen oder herunterdimmen. Während die europäische Öffentlichkeit mal wieder gebannt auf eine Schmierentheaterbühne starrt, braut sich ausserhalb des Schauspielhauses der grosse Sturm zusammen.
Zahltag
Der unsinnige und gemeingefährliche Versuch, wirtschaftliche Zwerge, mittelgrosse Volkswirtschaften und einen Koloss wie Deutschland unter eine Währungshaube zu bringen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn die wenigen Regeln einer gemeinsamen Fiskalpolitik, Obergrenzen für Staatsschulden und Neuverschuldung, nicht ständig gebrochen worden wären. Selbst wenn die einzige Notenpresse, die Europäische Zentralbank (EZB), nicht das tödliche Verbrechen begangen hätte, Staatsschuldpapiere aufzukaufen. Selbst wenn sie nicht kriminell Gratisgeld hergestellt hätte. Selbst wenn nicht immer zu zögerlich, unzureichend und kurzsichtig gehandelt worden wäre. In einer für historische Massstäbe sehr kurzen Zeit von zwei Jahren wird nun die Rechnung präsentiert. Sie wird nicht in Euro bezahlt werden.
Nach der Ökonomie die Demokratie
Erinnert sich noch jemand daran, dass der letzte gewählte Ministerpräsident Griechenlands eine Volksbefragung durchführen wollte, ob seine Bürger der letzten Finanzhilfe mit all ihren Bedingungen zustimmen? Das kostete ihn sein Amt. Das war das erkennbare Ende der griechischen Souveränität, der Selbstbestimmung. Aber nicht nur im unbedeutenden Pleitestaat im Südosten Europas ist die Demokratie am Ende. Abgesehen von offenen Diktaturen: Seit den Zeiten des Absolutismus wurde ganz Europa noch nie so undemokratisch regiert wie heute. Das europäische Parlament hat nichts zu sagen, die europäische Regierung ist nicht gewählt. Ihre Kommissare, Gruppenchefs, Troikas unterliegen keinerlei demokratischen Kontrolle. Die Geldtöpfe, aus denen sie sich bedienen, die grossartigen Rettungsschirme, noch viel weniger. Das ist der Zustand, was sind die Folgen?
Diktatur der Unfähigen
Selbst wenn die EZB ein weiteres Mal die Geldschleusen öffnet und den Finanzmarkt mit zwei, drei Fantastillionen flutet und damit den Kollaps des Euro hinausstündelt, seine Agonie verlängert, ändert das nichts daran, dass alle Bürger und Steuerzahler Europas betreffende Entscheidungen ausserhalb ihres Einflussbereichs getroffen werden. Ihre gewählten Vertreter, sei das der deutsche Bundestag, gar das griechische Parlament, haben nichts zu sagen. Oder glaubt jemand im Ernst, der spanische Ministerpräsident Rajoy habe nur den Hauch eines Mitbestimmungsrechts, wenn sein Land nach der Kulissenschieberei mit den 100 Milliarden unter einen Rettungsschirm flüchten muss? Nun könnte man noch hoffen, dass selbst autokratische oder absolutistische Herrscher weise und im Interesse aller handeln. Nur schon die letzten zwei Jahre haben aber bewiesen, dass es sich in Europa um eine Diktatur der Unfähigen handelt.
Das Ende der Alternativen
Schneller Zusammenbruch oder Geldschleusen auf, und/oder Eurobonds. Das sind die letzten zur Verfügung stehenden Alternativen. Also Staatsbankrotte, galoppierende Inflation oder eine Garantie Deutschlands für alle Schulden. Letzteres können die Deutschen nicht wollen, die beiden anderen Optionen will niemand. Wie bei jedem sich abzeichnenden Bankrott gab es auch hier ein Zeitfenster, in dem schmerzliche, aber potenziell rettende Massnahmen möglich waren. Es hat sich geschlossen. Es konnte innerhalb der Fehlkonstruktion Euro nicht ausgenützt werden. Deshalb ist es inzwischen egal, ob der Euro weiter künstlich am Leben erhalten wird oder nicht. Es geht längst um die Frage, wie und wann die staatliche und gesellschaftliche Ordnung in Europa zusammenbricht.
Deutschland und Frankreich
Irland, Griechenland, Portugal, Spanien, Italien. Das sind die Dominosteine. Bleiben noch Frankreich und Deutschland als die beiden grössten Wirtschaftsmächte, England spielt bekanntlich nicht mit. Der nächste in der Reihe ist natürlich Frankreich, das für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung die Aufgabe der D-Mark forderte und bekam. Ein wahres Danaergeschenk, wie sich zeigt. Die Griechen sind zu klein, um Stunk zu machen. Die Italiener und Spanier haben seit Jahrhunderten keinen Krieg mehr gewonnen. Bleibt also die Frage, wie sich Deutschland und Frankreich arrangieren, wenn la Grande Nation deutsche Hilfe bräuchte, aber nicht bekommt. Immerhin gibt es eine Alternative zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Allerdings keine schöne.
Der neue Zusammenbruch
Nationalstaatliche militärische Auseinandersetzungen haben zur Voraussetzung, dass noch ein funktionsfähiger Staat existiert. Es kann sein, dass der Zusammenbruch des Euro, der sich anschliessende Bank Run, also der Kollaps des europäischen Finanzsystems, schon alleine das Lichterlöschen, das Ausbleiben von Pensionszahlungen, die Auflösung der staatlichen Ordnungsmacht zu Implosionen führt, also innerstaatlich Faustrecht regiert. Wir werden es erleben. Bedeutende Stimmen geben Europa noch weniger als drei Monate. Ohne natürlich die möglichen Szenarien zu beschreiben, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Viel mehr als: «Wunder gibt es immer wieder» singen, kann man da wohl nicht.