Sie spazieren durch die dunklen Gassen Roms. Es ist spät. An einer Ecke kauert ein Kätzchen. Sylvia hebt das Tier auf und liebkost es. Sie bittet ihren Freund Marcello, Milch für das zarte Wesen zu holen.
Marcello kommt zurück, mit einem Glas Milch. Sylvia steht jetzt in den rauschenden Wassern des Trevi-Brunnens. Auch Marcello steigt ins Wasser und watet auf sie zu.
Dann streichelt er - verklärt - ihr Gesicht und küsst sie. Nur wenige Szenen der Filmgeschichte sind so weltberühmt wie diese. Federico Fellinis „La dolce vita“ mit Anita Ekberg (alias Sylvia) und Marcello Mastroianni (alias Marcello Rubini) entstand 1960.
Der Marmor bröckelt
Doch der 1735 eingeweihte riesige Brunnen in der Römer Innenstadt ist nicht mehr was er war. Marmor und Travertin bröckeln, Skulpturen sind beschädigt, da und dort hat sich schwarzer Russ und Schmutz festgesetzt, Gesimssteine lösen sich.
Jetzt soll der Trevi-Brunnen, eine der weltweit grössten Touristen-Attraktionen, in neuem Glanz erstrahlen. Seit diesem Freitag können Einheimische und Touristen die Restaurationsarbeiten am barocken Meisterwerk verfolgen.
Über die 50 Meter breite und 26 Meter hohe Brunnenanlage wurde ein Plexiglas-Laufsteg gebaut: eine Panorama-Brücke. Von ihr aus kann das Publikum die Restauratoren beobachten. Anderthalb Jahre sollen die Arbeiten dauern. Bezahlt werden sie von einem berühmten Modehaus.
Geburtstagsgeschenk
Kein Land hat so viele schützenswerte Monumente und Kunstschätze wie Italien. Einige sind mehrere hundert, andere mehrere tausend Jahre alt. Sie instand zu halten, übersteigt die finanziellen Kapazitäten des hochverschuldeten Staates. Nicht nur Pompeji bröckelt.
Das Land ist auf private Investoren angewiesen. Den Anfang machte der Unternehmer Diego della Valle. Er leitet den Schuhkonzern Tod’s und will 25 Millionen Euro für die Restaurierung des Kolosseums aufwenden.
Und jetzt Fendi. Das berühmte Römer Modeunternehmen, das dem französischen Konzern „Moët Hennessy Louis Vuitton“ (MHLV) gehört und für seine Luxusgüter bekannt ist, will den Trevi-Brunnen retten.
Fendi feiert im kommenden Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Als Geburtstagsgeschenk offeriert sich das Unternehmen den sanierten Brunnen. Laut letzten Angaben will Fendi 2,18 Millionen aufwenden. Wahrscheinlich werden es sehr viel mehr werden.
Bei drei Münzen wartet eine Heirat
Wer eine Münze in den Trevi-Brunnen wirft, wird nach Rom zurückkehren. So sagt es die Legende. Wer zwei Münzen ins Wasser wirft, wird sich in einen Italiener oder eine Italienerin verlieben. Bei drei Münzen wartet eine Heirat.
Der Brauch wurde erst 1954 richtig populär. Damals entstand der schmachtende Hollywood-Streifen „Three coins in the fountain“. Er handelt von drei Amerikanerinnen, die Münzen in den Brunnen werfen - und sich in Rom verlieben. Der Titelsong wurde von Frank Sinatra gesungen.
Doch erst Fellinis « La dolce vita » machte den Brunnen zum absoluten Must jedes Rom-Besuchers – neben dem Kolosseum, dem Pantheon, der Piazza Navona und der Sixtinischen Kapelle. Täglich zogen bisher etwa 30‘000 Touristen am Bauwerk vorbei. 1996, nach dem Tod von Mastroianni, wurde die Fontana di Trevi für einige Zeit abgestellt. Zur Trauer wurde sie in schwarze Tücher gehüllt.
Rendez-vous mit dem Meeresgott
Einen Touristenmagneten wie der Trevi-Brunnen kann man nicht anderthalb Jahr hinter einem Bretterzaun verstecken. So kam die Idee auf, statt Bretter Glaswände zu errichten. Und vor allem: Das Publikum soll die Möglichkeit haben, ganz nahe an die Restaurationsarbeiten heranzukommen.
So kann man jetzt in luftiger Höhe über den Brunnen hinwegspazieren. Das Wasser ist längst abgepumpt. Den mythologischen Statuen des Brunnens kommt der Besucher so nah wie nie zuvor. Im Zentrum stehen der Meeresgott Oceanus, daneben zahlreiche Fabelwesen, Tritonen und Meerespferde.
Die Prunkfassade wurde vom Barockkünstlers Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) entworfen. Das Bauwerk wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Nicola Salvi (1697-1751) errichtet. Papst Clemens XII. (1720-1740) hat das monumentale Wasserspiel 1735 eingeweiht.
Die Fontana die Trevi, an der 32 Jahre lang gebaut wurde, trägt ihren Namen, weil hier im alten Rom drei Strassen aufeinandertrafen: „tre vie“ wurde zu „Trevi“. Hier auch endete ein Aquädukt, das schon in vorchristlicher Zeit Wasser aus den sabinischen Bergen nach Rom spülte.
Fendis PR-Coup
Das Engagement von Fendi ist nicht nur selbstlos. Medien in aller Welt berichten darüber. Zudem sollen die Restaurierungsarbeiten mit einem pompösen Paukenschlag inszeniert werden.
Karl Lagerfeld, der Chefdesigner von Fendi, will im kommenden Jahr auf der Plexiglas-Passerelle eine gigantische Modeschau inszenieren. Natürlich mit Fendi-Kreationen. „Fendi“ wird dann in aller Munde sein. Die Rettung eines historischen Denkmals als PR-Coup.
Das Publikum kann die Glas-Passerelle gratis und ohne Voranmeldung besichtigen, zunächst von 16.00 Uhr bis 21.30 Uhr - und von Ende Juli an von 09.30 bis 21.30 Uhr. Die Stadt hat auch eine Internetadresse eingerichtet. Auf www.restaurofontanaditrevi.it können die Arbeiten demnächst verfolgt werden.
Garantierter Münzenwurf
Täglich war kiloweise Geld ins Wasser geworfen worden. Pro Jahr sollen bis weit über eine Million Euro zusammengekommen sein. Das Geld ging an die Caritas, die damit den Armen hilft. Suppenküchen und Notunterkünfte werden so finanziert.
Selbst auf den Münzenwurf müssen die Touristen jetzt nicht verzichten. Der Römer Bürgermeister liess eine mit Wasser gefüllte Plastikwanne aufbauen. Dort können die Besucher ihre Geldstücke hineinwerfen. Auch ein App für einen virtualen Münzeneinwurf wurde eingerichtet.
Durststrecke
Vor zwei Jahren geriet der Brunnen in die Schlagzeilen, weil er nachts von Banden heimgesucht wurde. Mit Besen rafften die Räuber die Münzen im Brunnen zusammen. Zwar ist es verboten, den Brunnen zu betreten. Doch die Polizisten, die den Diebstahl verhindern sollten, drückten ein Auge zu – und liessen sich von den Geldfischern bestechen.
In jüngster Zeit waren die Touristen spendabler geworden. „In Zeiten der Krise“, sagte ein Caritas-Sprecher, „wird der Mensch abergläubischer“. Und nach Rom zurückkehren bedeutet: die Krise überleben
Auf riesige Einnahmen wird jetzt die Caritas während den Restaurierungsarbeiten verzichten müssen. Doch dann im Oktober 2015 wird der Brunnen in strahlendem Weiss neu eingeweiht. Dann wird eine münzenwerfende Touristen-Lawine erwartet – die Caritas freut's schon jetzt.