Kein Kundengespräch vergeht, kein Hochglanzprospekt wird gedruckt, ohne dass das Wort Vertrauen verwendet wird. Das höchste Gut, die Geschäftsgrundlage, das Wichtigste, was es braucht, wenn jemand einer Bank sein Geld anvertraut. Das Wort Vertrauen wird durchdekliniert, mit Zierleisten versehen, gesalbt, im Brustton der tiefsten Überzeugung ausgesprochen, ehrfurchtsvoll von schräg unten betrachtet. Vertrauen ist der höchste Wert, den es gibt. Banker messen Werte allerdings nur in Zahlen. Am liebsten in Gewinn, Bonus oder Kick-back. Logisch, dass deshalb Vertrauen für sie selbst keinen Wert hat.
Man kennt sich
Wie gross eine Finanzkrise ist, lässt sich am sinnvollsten nicht an Schuldenbergen, Zinshöhen, faulen Papieren in Bilanzen oder gefurchten Stirnen von Bankbossen ablesen. Der beste Massstab ist das sogenannte Interbanking-Geschäft. Hier leihen sich Banken gegenseitig und sehr kurzfristig, meist über 24 Stunden, gegenseitig Geld. Eine Bank braucht Liquidität, eine andere hat sie, normalerweise ein Geschäft, wie es ein Banker liebt. Schnell, profitträchtig, problemlos, mit nicht mehr Arbeit als einem Tastenklick verbunden. Es gibt da nur ein Problem: Banker kennen sich gegenseitig. Daher wissen sie, dass Kunden gegenüber Vertrauen als höchstes Gut angepriesen werden muss. Aber vertraut ein Banker dem anderen? Natürlich nicht. Er ist doch nicht blöd.
Wie vor Lehman
Wenn eine Bank der anderen nicht mehr traut, weil sie zu recht davon ausgeht, dass die ihre Bilanzen, ihre Stabilität genauso hinschummelt wie man selbst, dann besteht Anlass zur Befürchtung, dass ausgeliehenes Geld nicht mehr zurückkommt. Dann parken Banken anderweitig nicht gebrauchte Gelder bei der jeweiligen Nationalbank. Obwohl dort fast kein Zins zu erhalten ist. Aber wenigstens ist das Geld sicher. Es handelt sich hier um sogenannte Day Trades, also das Kapital wird lediglich über Nacht bei der Nationalbank deponiert. Das heisst, die Banker sind sich nicht mal mehr sicher, ob es die andere Geschäftsbank am nächsten Morgen noch gibt. Ohne hier gross in einen Zahlendickicht einzusteigen, haben die in den USA oder in Europa bei den Zentralbanken deponierten Gelder inzwischen wieder beinahe eine Höhe erreicht, wie sie vor dem Zusammenbruch der Zockerbank Lehman Brothers üblich war. Und der war bekanntlich der Startschuss für die Finanzkrise I.
Jeder für sich
Wie der «Tages-Anzeiger» enthüllt, «erfolgte letzten Dienstag eine unkontrollierte Herausgabe von sensiblen Kundendaten an die USA.» Die Credit Suisse, eine von zehn wieder ins Visier der US-Steuerfahnder geratene Bank, soll sich entschlossen haben, dem Ultimatum nachzugeben und Daten über die Grössenordnung bei ihr vorhandener Schwarzgeldbunker herauszurücken. Bei den übrigen betroffenen Geldinstituten, vor allem bei Privatbanken, sei «Panik ausgebrochen», kommentiert der «Tages-Anzeiger». Worte wie Verrat, Vertrauensbruch, mangelnde Solidarität machen die Runde. Aber bitteschön, welche Heuchelei. Jeder Banker weiss, dass jeder sich selbst der Nächste ist. Jeder Banker weiss: Vertrauen ist ein Wort, das man Kunden gegenüber verwendet. Wobei aber die grösste Leistung des Bankers darin besteht, dass ihm dabei nicht die Mundwinkel zur Seite rutschen und er das Lachen zurückhalten kann, bis der Kunde das Besprechungszimmer verlassen hat.
Und die Politik?
Wir erinnern uns an die markigen Worte der Bundesrätin Widmer-Schlumpf: Es werde diesmal kein Notrecht angewendet. Die Schweizer Banken sollen das Schlamassal, das sie mit der fortgesetzten Lagerung von US-Schwarzgeldern angerichtet haben, selber ausbaden. Wer halt vom Fall UBS nicht gelernt hat, dass das garantiert Ärger mit den USA gibt, ist selber schuld. Wem das Offensichtliche mal wieder «unvorhersehbar» war, soll sich vielleicht eine Brille kaufen. Aber den Begriff Schuld kennen Banker höchstens im Zusammenhang mit Schulden, und die haben im Prinzip immer andere. Wetten, dass dieses Wochenende jammernde Banker beim Bundesrat antichambrieren? Schutz, Rettung, Pleite, nach dem Verrat der Credit Suisse müsse die Regierung eingreifen. Mit Notrecht oder ohne, legal, illegal, ganz egal. Noch ist es unvorhersehbar, ob das Erfolg haben wird oder nicht. Aber es gibt da gewisse Vorkommnisse aus der Vergangenheit ...
Das übliche Trauerspiel
Seit mehr als zwei Jahren, seitdem die UBS Tausende von Kundendaten herausrücken musste und eine Busse von 780 Millionen Dollar zahlte, war es sonnenklar: Die USA werden weitermachen. Warum auch nicht? Trotz Gezeter wegen extraterritorialer Rechtsanwendung, Machtpolitk, so gehe man unter Freunden nicht miteinander um. Jeder, der die US-Steuerbehörde IRS und das Justizministerium dort kennt, wusste und weiss: Der nächste Hammer kommt bestimmt. Dafür muss man nicht an der HSG studiert oder einen Black Belt als MBA haben. Gesunder Menschenverstand in einer homöopathischen Dosis genügt. Kleine Frage: Wo war und ist der bei unseren versammelten grossartigen Bankenbossen? Bei ihnen kann man nur auf eins vertrauen: Kurzfristiger Profit ist ihnen immer wichtiger als mittelfristiger Schaden.