Die geschwärzten Passagen im Lauber-Bericht beweisen einmal mehr, wie schwer sich die Schweizer Justiz, Politik und ihre Behörden tun in Sachen Transparenz.
Abgedeckte Namen sorgen für Zündstoff
Wir erinnern uns, anfangs März 2020 hatte der Dauerbrenner «Disziplinarverfahren Lauber» erneut Schlagzeilen gemacht, nicht das erste Mal in den letzten Jahren. Die Aufsichtsbehörde brauchte jetzt ungewohnt harte Worte zum Verhalten des angeklagten Bundesanwalts Michael Lauber. Von Unwahrheit war die Rede, von Behinderung der Aufsichtsbehörde und illoyalem Verhalten. Seit rund fünf Jahren ziehen sich die Verhandlungen des Bundesstrafgerichts dahin.
In der NZZ war eine Seite des Berichts der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) abgebildet, auf der sämtliche Zeilen, also die ganze Seite, geschwärzt waren. Die gemeinsame Recherche der NZZ und der französischen Zeitung Le Monde hat offenbar brisante Details aufgedeckt, von denen die Öffentlichkeit nichts hätte erfahren dürfen. An dieser Stelle interessiert weniger, ob BA Lauber des Fifa-Präsidenten Giovanni Infantinos Jugendfreund Rinaldo Arnold zweimal getroffen hat und ob dabei bloss über allgemeine strafrechtliche Fragen (wie behauptet) oder auch über ganz anderes gesprochen worden war (Namen wie Blatter und Platini?). Es ist die beunruhigende Tatsache, dass darüber offensichtlich gelogen wurde, dass dies hätte vertuscht werden sollen; ein Skandal erster Güte, von der AB-BA als «unglaubhaft, unplausibel und nicht nachvollziehbar» eingestuft.
Zudem dreht sich die Diskussion auch um ein weiteres Treffen 2017 im Hotel Schweizerhof in Bern mit mehreren Teilnehmern. Dazu die NZZ: «Doch eigenartigerweise kann sich keiner der vier Teilnehmer an das Treffen erinnern, geschweige denn an die näheren Umstände.» Die ganze Angelegenheit ist am 27. April verjährt. Das ist dann das klägliche Ende einer Untersuchung, die nicht nur viele Steuergelder gekostet, sondern auch ein weiteres trübes Kapitel des merkwürdigen Transparenz-Verständnisses im Schweizerland beleuchtet hat.
Derweil sitzt Lauber mithilfe des Parlaments weiterhin im Sattel, als wäre nichts geschehen. Nach den neusten zusätzlichen Erkenntnissen und Belastungen ist er nicht mehr tragbar – die Schweizer Strafjustiz ist selbst genug gestraft. Ein zweites Mal darf das Parlament nichts mehr reinwaschen.
Medienmitteilung von Transparency International Schweiz
Ende Januar 2020 veröffentlichte TRANSPARENCY INTERNATIONAL SCHWEIZ ihren Bericht zur Situation «Korruption im öffentlichen Sektor». «Die Schweiz tritt auf der Stelle» titelt die Analyse und verweist darauf, wo dies der Fall ist. «Es bestehen erhebliche Mängel bei der Transparenz in der Politikfinanzierung, beim Schutz von Whistleblowern, bei der Geldwäschereibekämpfung und der Bestechung in Privatwirtschaft und Sport.»
Das Parlament verweigert Transparenz
Whistleblower nennt man sie bekanntlich, jene pflichtbewussten Angestellten, die Unregelmässigkeiten an ihrem Arbeitsplatz offenlegen. Längst hat die Gesellschaft den Wert solcher Informationen erkannt, die spektakulären «Leaks» der Vergangenheit zeugen davon.
Doch einmal mehr hat das Parlament in Bern ein weltfremdes, unzeitgemässes Verhalten an den Tag gelegt: Die neue Regelung, die Whistleblowern Rechtssicherheit hätte geben sollen, ist anfangs März 2020 definitiv gescheitert. Dies, obwohl Judith Bellaiche (GLP) eindrücklich vor einer Ablehnung gewarnt hatte: «Schweigen sie, werden sie zu Mittätern» (TA). Da mochte auch das Plädoyer der Justizministerin Karin Keller-Sutter nichts mehr fruchten.
Dazu schreibt ein Jurist: «In Unternehmen sind Hinweisgeber bzw. Whistleblower der wichtigste Faktor für die Aufdeckung von Unregelmässigkeiten. […] Der weiterhin fehlende Schutz der Hinweisgeber ist nicht nachhaltig, weder finanziell, noch ethisch. […] Mit einem klaren gesetzlichen Schutz der Hinweisgeber, einer Kultur der Offenheit und Transparenz sowie mit wirksamen Hinweisgebersystemen reduzieren die Schweizer Unternehmen und die öffentliche Hand ihre Risiken und schützen ihre gute Reputation und unser Portemonnaie.» Von all dem wollte die Mehrheit des Nationalrats nichts wissen.
Die Whistleblowerin vom Genfersee
Das Waadtländer Kantonsgericht rehabilitierte in zweiter Instanz anfangs 2020 Yasmine Motarjemi, ehemalige Global Food Safety Managerin beim Nestlé-Konzern in Vevey, nachdem die Wissenschaftlerin über zehn Jahre lang mit ihrem vormaligen Arbeitgeber im Clinch lag. Vor 17 Jahren hatte sie erstmals realisiert, dass Babybiscuits von Nestlé zu Erstickungsanfällen bei Säuglingen geführt hätten.
Motarjemi war 2010 fristlos entlassen worden, «weil ich meine Finger immer wieder in die wunden Punkte in der Lebensmittelsicherheit legte» (DIE ZEIT). Zehn Jahre lang kämpfte sie in der Folge gegen die Rechtsabteilung von Nestlé. Es war ihr ja ursprünglich darum gegangen, dass der Konzern Schwachstellen in der Lebensmittelsicherheit hätte überprüfen sollen, was aber abgelehnt worden war. Für Motarjemi war damals klar, dass sie eine neue Aufgabe als Whistleblowerin nach aussen hatte.
DIE ZEIT schreibt weiter: «In der Schweiz sind Whistleblower rechtlich kaum geschützt. Wer Unrecht in der Firma aufdeckt, riskiert seine Freiheit.» Klare Worte, die zu denken geben.
Transparenz als Schlüssel zur Moderne
Für den Verfasser dieses Beitrags ist die Transparenz-Forderung seit über 20 Jahren ein wichtiges Thema. Mangelnde Transparenz führt in der Politik und in der Wirtschaft zu falschen Resultaten und Fehlverhalten. Zwar ist diese Verdunkelungsgefahr seit Jahrhunderten zu beobachten, neu in der Gegenwart ist allerdings die Informationstechnologie, deren datenbasierte Möglichkeiten erstmals die Chance eröffnen, hinter die Kulissen zu sehen und Missstände weltweit aufzudecken.
Virologen sind gefragt
In den gegenwärtigen Corona-Zeiten sind Virologen mit faktenbasierten Aussagen gefragt – Politiker mit ideologisch gefärbten Botschaften eher weniger. In Deutschland ist in diesem Zusammenhang der Forscher Christian Drosten sozusagen zum Aufklärer der Nation avanciert. Als Virologe informiert er ruhig, sachlich, «Besserwisserei ist ihm völlig fremd […] Transparenz ist überhaupt Drostens Erkennungszeichen. Schon die Entdeckung des ersten Sars-Virus veröffentlichte er sogleich im Internet, um allen Forschern Zugriff zu ermöglichen. Dabei war diese Praxis damals noch alles andere als üblich» (TA).