Napolitano, einer der weisesten und ehrenwertesten Politiker Italiens, hat immer gesagt, er wolle nicht bis zum Ende seines zweiten Mandats im Amt bleiben.
Jetzt berichtet die linksliberale italienische Zeitung „La Repubblica“, Napolitano wolle zum Jahresende, am Ende der italienischen EU-Präsidentschaft, zurücktreten. „Jetzt herrscht Gewissheit“, schreibt La Repubblica, „Napolitano hat seinen Entscheid gefasst“. Die kommende Neujahrsansprache werde seine letzte sein.
Keiner ist so glaubwürdig wie er
Der frühere kommunistische Politiker Napolitano hatte seine erste Amtszeit im Frühjahr 2013 beendet und seinen Rücktritt eingereicht. Doch das Parlament konnte sich in einem peinlichen Wahlzirkus nicht auf einen Nachfolger einigen. So liess sich Napolitano – auf inständiges Bitten von Politikern aller Lager - überreden, noch ein zweites Mal zu kandidieren. Am 22. April 2013 wurde der damals 87-Jährige im sechsten Wahlgang mit den Stimmen von 738 der 1007 Mitglieder der Wahlversammlung gewählt. Die Amtszeit des Staatspräsidenten beträgt sieben Jahre.
Kein italienischer Politiker geniesst eine solche Glaubwürdigkeit wie Napolitano. Der Jurist und frühere Kämpfer in der Resistenza gegen die Faschisten, ist mit Abstand der beliebteste Politiker des Landes, ein ruhender Pol, der im traditionell turbulenten italienischen Politgezänk immer wieder vermittelte und mässigend einwirkte.
Berlusconis einstige Illusionen
Napolitano war am 15. Mai 2006 als elfter italienischer Staatspräsident gewählt worden. Zum ersten Mal hatte ein früherer Kommunist das Amt übernommen. Seit langem ist Napolitano Mitglied des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), jener Partei, der heute auch Ministerpräsident Matteo Renzi angehört.
Lange Zeit hatte sich Berlusconi Illusionen gemacht, Napolitano in seinem Amt beerben zu können. Nach der Verurteilung im Mediaset-Prozess wird nun wohl nichts daraus.
Das Verhältnis zwischen Berlusconi und Napolitano war seit Jahren gespannt. Berlusconi attackierte den Staatspräsidenten immer wieder heftig. Der rief ihn, oft mit sehr deutlichen Worten, zur Räson.
Kümmert euch mehr um das Land als um euch
Napolitano hatte gehofft, das Land seinem Nachfolger in einem besseren Zustand zu übergeben, als es jetzt ist. Er setzte sich immer wieder für die dringend notwendigen Reformen ein. Fünf Ministerpräsidenten dienten in seiner Amtszeit: Prodi, Berlusconi, Monti, Letta und Renzi. Sie alle fordert er dringen auf, den Polit- und Verwaltungsbetriebe zu entschlacken sowie eine Arbeits- und Wahlrechtsreform durchzuführen. „Kümmert euch mehr um das Land, als um euch selbst“, rief er den Politikern zu.
Das tun sie offensichtlich noch immer nicht. Ob Ministerpräsident Renzi sich mit seinem Reformprogramm durchsetzen kann, ist mehr als fraglich. Die Popularitätswerte von Renzi sind bereits deutlich eingebrochen.
Napoliaton wird also wohl das Land seinem Nachfolger in einem abstrusen Zustand übergeben müssen – so, wie er es angetreten hatte.
Keine gute Nachricht
Schon bereiten sich die politischen Parteien auf das Hickhack um seine Nachfolge vor. Wochenlang werden sich die Politiker wieder zerfleischen und sich vor allem mit sich selbst beschäftigten – anstatt endlich Reformen durchzusetzen. Die meisten scheinen noch nicht begriffen zu haben, dass Italien das Wasser bis zum Hals steht.
Napolitanos Rücktritt ist – auch wenn er angesichts seines Alters erwartet ist – keine gute Nachricht für Italien.