Die OECD sagt den globalen „Steueroptimierern“ unter den Konzernen den Kampf an. Pauschalsteuern in der Schweiz geraten erneut unter Druck. Edward Snowden enthüllt Spionagekrimis. Recherchier-Journalisten bauen auf Datenlecks. Das Gemeinsame dieser vier Ankündigungen: Der Trend nach mehr Transparenz (Durchsicht) hält an. Die Schweiz tut gut daran, diese Entwicklung zu akzeptieren, statt sie zu bekämpfen.
Die Schattenwelt der globalen Konzernbesteuerung
Die Idee, dass Grosskonzerne, die in allen Ländern der Welt tätig sind, ihre Steuern nicht länger „optimieren“ dürfen, erhält immer mehr Zuspruch. Optimieren steht bekanntlich für reduzieren, wenn möglich vermeiden. Stattdessen sollten jene Länder zukünftig profitieren, in denen diese Unternehmen ihre Umsätze erzielen. Dass die Schweiz keine Freude an diesem Anliegen der OECD zeigt, ist nachvollziehbar, doch der Widerspruch letztlich kontraproduktiv. Nicht vergessen ist das Trauerspiel um das Schweizerische Bankgeheimnis. Dieses ging sang- und klanglos unter, niemand hat sich „daran die Zähne ausgebissen“ (Bundesrat Merz vor zehn Jahren).
Dass die Schweiz gesuchter Standort für eben solche Konstrukte ist, spricht für clevere Steuerattraktivität – nach über 100 Jahren kommt jedoch auch diese Tradition ins Wanken. Transparenz ist auf dem Vormarsch, dank digitaler Assistenz. Es stehen für die Schweiz tatsächlich Milliarden an Steuerausfällen auf dem Spiel. Dass dieses Land darum „auf Konfrontation gehen muss“ ist doch eher lächerlich. Denn es wird letztlich ein Privileg verlieren, ob es will oder nicht. Gegen eine fairere Lösung ist langfristig kein Kraut gewachsen.
Dubiose Pauschalsteuern für Super-Reiche
Vermögende Ausländerinnen und Ausländer mit Steuertricks ins Land zu holen ist eine weitere „Spezialität, made in Switzerland“. Dass ein solches Vorgehen den Richtlinien des Bundes widerspricht, interessiert da und dort die lokalen Behörden wenig. Wieder einmal sorgen Datenlecks dafür, dass kommunale Steueroasen (wie z. B. Gstaad) entlarvt werden, wenn sie der Steuerverwaltung zuwiderlaufende Einschätzungstricks aufdecken. Indem bei der Steuerfestsetzung nur der in der Schweiz anfallende Lebensaufwand (anstelle des weltweiten) berücksichtigt wird, zeigt, dass Unehrlichkeit zum Prinzip erhoben wird. Sobald – zum besseren Verständnis – den Schweizern die Frage gestellt wird: „Wie würden Sie reagieren, wenn die reichsten Schweizer Milliardäre ihr Einkommen in, sagen wir Monaco, versteuern würden und der Schweiz dadurch happige Steuerausfälle entstünden? Eben.
Aufgrund von Daten, die dem Recherchierdesk der Tamedia im Frühling 2019 vorlagen, wurde am Beispiel des Milliardärs Ecclestone minutiös aufbereitet, dass Letzterer vom Kanton Bern auf rund eine knappe Million Franken Lebensaufwand veranschlagt worden war. Apropos Lebensaufwand: Ecclestone besass u. a. eine 40-Millionen-Jacht … Ist es noch zeitgemäss, reichen Ausländern mit solchen Tricks in der Folge mit völlig unzureichenden Steuern entgegenzukommen? Warum regt sich dagegen kein Widerstand?
Amerikanische Geheimdienste spionieren in Genf
In seinen Memoiren deckte der wohl bekannteste Whistleblower Edward Snowden auf, wie die USA in unserem Land spionieren. Ziele waren der Sitz der UNO, aber auch Schweizer Banken. Und wie reagiert die Bundesanwaltschaft (BA) auf die Frage der Sonntagszeitung? „In Anbetracht der Sensibilität der von Ihnen aufgeworfenen Thematik […] äussert sich die BA diesbezüglich nicht weitergehend.“ Im Klartext: „Das geht euch nichts an!“ Da stellen sich dann die berechtigte Fragen, ob nicht auch die WHO, Das Rote Kreuz oder ganz generell die Schweiz ausspioniert werden?
Vielen Menschen dürfte inzwischen klar geworden sein, dass die amerikanischen Geheimdienste (wohl andere auch?) auf die internationale Digitalkommunikation zugreifen können, wann, wo und wie sie wollen. Noch immer werden indessen in der Schweiz Whistleblower verfolgt und verurteilt, ungeachtet dessen, dass durch ihr Verhalten Unrechtmässigkeit, Geldwäscherei, Gesetzesverstösse publik gemacht werden. Zwar werden da und dort in Behörden und Konzernen Ombudsstellen eingerichtet, um jene Menschen zu schützen, die den Mut beweisen, Unrecht aufzudecken und anzuprangern.
Illegale Preisabsprachen in der Schweiz
Hinter dem unscheinbaren Namen „Dienst Bau“ versteckt sich die Spezialabteilung der Wettbewerbskommission des Bundes (Weko), die der Sache auf den Grund geht, dann, wenn Verdacht auf illegale Preisabsprachen zum Nachteil der Steuerzahlenden aufkommt. Solche Preisabsprachen zwischen Unternehmen waren vor 1996 gang und gäbe in unserem Land. Dann kam das neue Wettbewerbsrecht und erst seit 2004 kann das Weko überhaupt Bussen gegen straffällige Firmen aussprechen.
Nach ersten Untersuchungen gegen Unterengadiner Baufirmen hat das Weko seit 2012 gegen weitere zehn Baufirmen im Kanton Graubünden wegen Verdachts auf illegale Preisabsprachen ermittelt. Jene hatten Hunderte von Strassenbauprojekten im Werte von 190 Millionen Franken untereinander aufgeteilt. Gleichzeitig hatten sie die Preise um knapp 10 Prozent erhöht und auf diese Weise Kanton und Gemeinden einen Schaden von 19 Millionen Franken zugefügt. Gemäss TA dürfte der Fall ein Nachspiel haben, denn es sei schwer vorstellbar, dass niemand bei den kantonalen Behörden etwas von den Absprachen gemerkt hätte.
Helvetische Dunkelkammer „Politikfinanzierung“
Dass Schweizerinnen und Schweizer nach wie vor nicht wissen dürfen, wer die politischen Parteien finanziert oder z. B. die ausufernden Werbekampagnen im Vorfeld der nationalen Wahlen (Oktober 2019) berappt, ist ein veritabler Skandal. Mit anderen Worten: die Frage, wieweit die grössten politischen Financiers in unserem Land die ihnen genehme Politik mit Millionenbeträgen „einzukaufen“ versuchen, ist unseres Landes unwürdig. Immerhin gibt es Anzeichen, dass im Ständerat neue Regeln zur Parteienfinanzierung angedacht werden, wenn allerdings die Offenlegungspflicht erst bei Beträgen von über Fr. 250’000.—beginnt – was soll das?
Kürzlich hat das digitale Magazin „Republik“ einen eigentlichen Krimi publiziert mit dem Titel Wahlkampffinanzierung. Die Bemühungen der Recherchierjournalisten, Licht ins Dunkel dieser seit Jahrzehnten andauernden Skandalgeschichte zu bringen, stiessen überall auf Hindernisse, „Ich-weiss-von-nichts“-Antworten, eisernes Schweigen. Dass trotzdem Dokumente aufgelistet werden wie „Es wäre gut, wenn Sie 2 x Fr. 500’000.— bar übergeben könnten“ oder „Bitte überweisen Sie Fr. 1’500‘000.— an Nationalrat T. B.“ lassen zumindest erahnen, wie es bei dieser Partei mit ihren „Extrablättern“, Propagandafilmen und Plakaten zu und her geht.
Im Parlament in Bern wird zwar viel über Transparenz diskutiert – die gleichen Protagonisten verhindern dann aber anschliessend mehrheitlich Versuche, wenigstens da und dort einem zeitgmässen Transparenz-Verständnis zum Durchbruch zu verhelfen.