Der Bundesrat wollte die Einbürgerung vereinfachen, doch bei der Revision des Bürgerrechtsgesetzes schaffte das Parlament neue Hindernisse.
Wie haben sich die Einbürgerungsregeln mit dem neuen Gesetz verändert, das im Jahr 2018 in Kraft getreten ist? Das wollte die Eidgenössische Kommission für Migration (EKM) genau wissen. Sie beauftragte ein Forschungsteam der Universitäten Genf, Neuenburg und Basel, das die Einbürgerungen in den drei Jahren 2018, 2019 und 2020 genau analysierte. Für jene Personen die vor Ende 2017 ihr Gesuch einreichten, galt das alte Gesetz; Gesuche nach dem 01.01.2018 wurden gemäss dem heute geltenden Gesetz eingebürgert. Das erlaubte einen aussagekräftigen Vergleich. Die teils überraschenden Ergebnisse sind in einem kürzlich veröffentlichten Bericht festgehalten.
Die Hürden sind höher
Gemeinden, Kantone und die Eidgenossenschaft erteilen auf den drei Ebenen das Bürgerrecht. Weiterhin haben die Kantone einen grossen Ermessensspielraum, die Einbürgerungsregeln sind jedoch auch von Gemeinde zu Gemeinde verschieden. Aber für alle, die sich einbürgern lassen wollen, hat das Parlament ein neues Hindernis aufgebaut: Nur wer eine Niederlassungsbewilligung hat (C-Ausweis) kann jetzt einen Antrag stellen.
Vorher war ein rechtmässiger Aufenthalt von 12 Jahren erforderlich, auch Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) sowie vorläufig aufgenommene Asylsuchende konnten den Schweizer Pass erhalten. Menschen mit einer B-Bewilligung, die nicht aus einem EU oder EFTA-Staat stammen, können erst nach 10 Jahren, nicht nach fünf Jahren, die Niederlassung beantragen. Zudem wird die Aufenthaltsdauer als vorläufig Aufgenommene nur zur Hälfte angerechnet.
Die Kandidaten müssen neu sehr gut in die schweizerische Gesellschaft integriert sein. Höhere Anforderungen werden an die Kenntnis der lokalen Sprache gestellt, mündlich und schriftlich. Das hat zur Folge, dass Ausländerinnen und Ausländer, die bloss die obligatorische Schulpflicht erfüllt haben, kaum mehr eingebürgert werden. Ihr Anteil an allen Eingebürgerten ist nach neuem Recht von 23,9% auf 8,5% gesunken. Hingegen beträgt der Anteil der Personen mit Hochschulabschluss nach neuem Recht 67,4%, während es zuvor 43,3% waren.
Es zeigt sich, dass die einfachen Menschen aus dem Ausland vom neuen Gesetz diskriminiert werden. Es gibt deshalb eine steigende Zahl von Jugendlichen, für die ein Einbürgerungsgesuch gestellt wird. Für Jugendliche werden die Aufenthaltsjahre doppelt gezählt, so dass sie in kurzer Zeit die neue 10-Jahresfrist erreichen. War sich das Parlament bewusst, dass mit dem neuen Gesetz die Eingebürgerten nun zu zwei Dritteln einen Hochschulabschluss haben? Für die gesamte Bevölkerung der Schweiz ist der Anteil mit rund 30% viel niedriger.
Ärmere Ausländer werden benachteiligt
Das neue Gesetz schränkt den Spielraum der Kantone z. B. mit dem Bezug auf die Aufenthaltsdauer im Kanton etwas ein, doch Kantone und Gemeinden könnten in verschiedenen Bereichen die Vorschriften verschärfen. So gibt es mehrere Kantone, die höhere Anforderungen an die Sprachkenntnisse stellen, als sie der Bund vorsieht (mündlich B1, schriftlich A2). Beispielsweise die Kantone Nidwalden und Graubünden. Im Touristenkanton sind die Einbürgerungen von Menschen aus Portugal und Sri Lanka um einen Drittel geschrumpft. Das bedeutet, Erwachsene aus den zwei Ländern fürchten, den sprachlichen Anforderunten nicht zu genügen. Hingegen stiegen die Einbürgerungen ihrer Kinder kräftig an.
Während früher nach Bundesrecht ein Einbürgerungsgesuch eingereicht werden konnte, wenn zu jenem Zeitpunkt keine Sozialhilfe bezogen wurde, gilt neu eine Frist von drei Jahren ohne Sozialhilfe. Die Kantone dürfen diese Frist verlängern, so können z. B. in den Kantonen Aargau, Bern und Tessin Gesuche erst gestellt werden, wenn während 10 Jahren keine Sozialleistungen bezogen wurden. Das bedeuten, dass vor allem Menschen in guten wirtschaftlichen Verhältnissen den Schweizer Pass erhalten.
Für viele unbeliebte, schlecht bezahlte und schwere Arbeiten findet man kaum mehr Schweizerinnen und Schweizer; diese für unsere Gesellschaft wichtigen Tätigkeiten werden vor allem von Ausländerinnen und Ausländern verrichtet. Trotzdem werden diese Menschen von Politikern und Behörden geringgeschätzt. Das lässt sich aus der Studie ableiten. Allerdings werden auch ärmere Schweizerinnen und Schweizern schlecht behandelt, als wäre Armsein in unserm Land ein Verbrechen. Es gibt jedoch viele Gründe, dass jemand unverschuldet in Finanznöte kommt, nur schon angesichts steigender Krankenkassenprämien und überteuerter Mieten.
Vorschläge für eine markante Vereinfachung
In Bellinzona wurde die Studie über die Einbürgerungen kürzlich von einem Mitglied der Forschergruppe, der Migrationssoziologin Rosita Fibbi erläutert. Die Einbürgerungsverfahren sollten aufgrund der Erkenntnisse des Forschungsteams neu ausgerichtet werden, und zwar nach folgenden Grundsätzen:
- das eingangs erwähnte dreistufige System Gemeinde, Kanton, Bund soll einstufig werden
- ein einfaches, einheitliches und transparentes Verfahren für alle Einbürgerungswillige sei vorzusehen.
Um jene Kriterien zu beseitigen, welche die Bildungs- und wirtschaftlich Schwächeren benachteiligen, ist laut Rosita Fibbi das beste Mittel, den Einwanderern der zweiten und dritten Generation den Schweizer Pass automatisch zu verleihen. Fibbi ist sich bewusst, dass dieses Thema gegenwärtig nicht zur Diskussion steht, aber für ein Einwanderungsland wie die Schweiz wäre es die geeignete Lösung. Demnächst dürfte die Volksinitiative für eine erleichterte Einbürgerung eingereicht werden, weshalb Fragen rund ums Bürgerrecht in der Schweiz in nächster Zeit ausgiebig diskutiert werden.