Nach dem ersten Durchgang der Parlamentswahlen liegen die Kandidaten der Präsidentenpartei und die des Linksbündnisses NUPES Kopf an Kopf mit jeweils rund 25%. Unklar bleibt, ob Präsident Macron in einer Woche mit einer absoluten oder nur relativen Mehrheit in der Nationalversammlung rechnen darf.
Trotz aller Ungewissheiten zeichnen sich nach diesem ersten Wahlgang zwei Dinge ab:
Zum einen darf sich Präsident Macron nicht sicher sein, in den nächsten fünf Jahren im französischen Parlament über eine ähnlich komfortable, absolute Mehrheit zu verfügen, wie dies seit 2017 der Fall war.
Denn es wird knapp werden für seine Kandidaten und die seiner Bündnispartner Modem und Horizons bei den Stichwahlen in 577 Wahlkreisen am kommenden Sonntag. Dazu kommt: Noch nie seit Beginn der 5. Republik hat die Partei eines gerade gewählten Präsidenten bei den Parlamentswahlen ein derart dürftiges Ergebnis erzielt.
Dementsprechend hiess es gestern Abend aus dem Umfeld Macrons, man sei durchaus beunruhigt.
Für die Mehrheit braucht es am Ende mindestens 289 Sitze im Parlament. Von Macrons Kandidaten, so die Vorhersagen für den nächsten Sonntag und die Stichwahlen, könnten 260 bis 310 in die Nationalversammlung gelangen, was bedeutet, eine klare Mehrheit für Macon und seine Regierung ist im Parlament alles andere als sicher.
Mélenchon
Zum anderen ist auch klar: Frankreichs Linksaussen, Jean-Luc Mélenchon und sein Wahlbündnis NUPES werden im französischen Parlament künftig keine Mehrheit haben .
Damit wird nun auch das Gerede, wonach der Linkspopulist Mélenchon Premierminister unter Präsident Macron werden könnte, ein Ende haben.
Klar ist aber auch: Das hauptsächlich von Mélenchon zusammengezimmerte Linksbündnis hat einen klaren Erfolg zu feiern.
Erste Projektionen nach Schliessung der Wahllokale sagten den Kandidaten des Linksbündnisses vorher, dass 190 bis 200 von ihnen nach dem kommenden Sonntag einen Sitz in der Nationalversammlung einnehmen könnten.
Womit die Linke insgesamt drei Mal mehr Vertreter im französischen Parlament hätte als in den letzten fünf Jahren, von einer Mehrheit aber rund 100 Sitze weit entfernt bleibt.
Diese Tatsache hinderte Jean-Luc Mélenchon, Chef der Linkspartei LFI und Architekt des Wahlbündnisses der Linken aus seiner Partei, den Grünen, Kommunisten und Sozialisten, nicht daran, gestern Abend zu verkünden: «Die Partei des Präsidenten ist geschlagen und erledigt.»
Was natürlich nicht stimmt und masslos übertrieben ist, auch wenn Macrons Partei mit ihrem neuen Namen «Renaissance» nach dieser Wahl durchaus angekratzt und gebeutelt erscheint. Und, so viel kann man jetzt schon sagen, im Parlament wird der Präsident auf jeden Fall die Unterstützung der Abgeordneten der Zentrumspartei MODEM und der Gruppierung «Horizons» des ehemaligen Premierministers, Édourard Philippe, brauchen.
Gewiss scheint: einfach Durchregieren wird nach dem entscheidenden 2. Wahlgang am 19. Juni für Präsident Macron deutlich schwerer werden als in den vergangenen fünf Jahren.