Zypern wurde aus dem EU-Überwachungsmechanismus entlassen und es besteht die Möglichkeit, dass das Zypernproblem gelöst wird. Niemand spricht hierzulande aber darüber.
In Deutschland scheint man immer noch davon auszugehen, dass man mit der Türkei verhandeln kann wie mit einem Nachbarland. Gross war das Erstaunen in Deutschland über die türkische Verstimmung, als ein Satiriker den türkischen Präsidenten Erdogan auf in der Tat abstossende Weise in den Dreck zog. Griechenland und Zypern, direkte Nachbarn der Türkei, könnten Deutschland erklären, wie unendlich schwierig es ist, mit der Türkei zu einer tragfähigen Vereinbarung zu gelangen, die dann auch eingehalten wird, wenn dieses Land davon ausgeht, seine Interessen seien betroffen.
Gute türkische Verhandlungsposition
Im Rahmen des Beitritts von Zypern zur EU und der Beitrittsverhandlungen der Türkei wurde vereinbart, dass Ankara Zypern diplomatisch anerkennen muss und sein Territorium für Schiffe und Flugzeuge öffnet. Eigentlich wäre es eine Selbstverständlichkeit wenn man sich für einen EU-Beitritt interessiert, dass man zu allen Mitgliedsländern diplomatische Beziehungen unterhält. Nicht so für die Türkei. Diese anerkennt nach wie vor – als einziges Land der Welt – die nach der Invasion der türkischen Truppen mit Waffengewalt geschaffene „Türkische Republik Nordzypern“. Weil bisher eine Anerkennung der Republik Zypern ausblieb, sind die Beitrittsverhandlungen zum Stillstand gekommen.
Nun fand sich die Türkei durch das Flüchtlingsdrama urplötzlich in einer guten Verhandlungsposition. Für ein Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage verlangte sie unter anderem, dass der Beitrittsprozess ohne Vorbedingungen wieder aufgenommen wird. Die Nervosität der Türkei in Bezug auf Zypern ist verständlich, spielen sich auf dieser Insel doch – von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt – sehr interessante Dinge ab.
Der Wunsch nach Enosis
Die Geschichte Zyperns ist eine leidvolle Geschichte von Fremdherrschaft, Unterdrückung und zwangsweiser Assimilierung. Die Insel blühte im Mittelalter, war bevölkert von verschiedenen Nationen und religiösen Gruppen. Nach der Invasion durch das ottomanische Reich gegen Ende des 16. Jahrhunderts verarmte sie. Ausserdem wurde die griechisch-zypriotische Mehrheit grossem Assimilierungsdruck ausgesetzt. Nachdem das Land seit Ende der 1870er Jahre durch die Briten administriert wurde, annektierten diese 1914 die Insel der Aphrodite und machten sie zur Kronkolonie.
Bereits zur Zeit des Ersten Weltkrieges bestand auf griechisch-zypriotischer Seite der Wunsch nach Enosis, nach der Vereinigung mit Griechenland, ein Wunsch, den die britische Seite sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Weltkrieg kategorisch ausschlug. Natürlich klang dieser Wunsch nach Enosis auf türkisch-zypriotischer Seite provokativ, aber immerhin machten die während der Türkenherrschaft eingewanderten Türkischzyprioten auch im 20. Jahrhundert nicht mehr als 18% der Bevölkerung aus. Und vor dem Hintergrund der Erfahrung mit Assimilierungsdruck und Fremdherrschaft wirkt der Wunsch erst recht verständlich.
Beide Seiten waren unzufrieden
Gleichzeitig verschärften die englischen Kolonialherren die Situation, indem sie offen die türkischzypriotische Seite bevorzugten. Sei es, dass die Ernennung eines neuen Erzbischofs verhindert wurde, sei es, dass alle Lehrer von britischer Seite bestellt werden mussten, die Konflikte der griechischzypriotischen Mehrheit mit der englischen Kolonialverwaltung häuften sich und die Furcht vor einer „Ent-Hellenisierung“ wuchs. Auch unter der lokalen Beamtenschaft waren die Türkischzyprioten krass bevorteilt. Weil die Insel strategisch günstig im östlichen Mittelmeer liegt – sie ist quasi ein stationärer Flugzeugträger -, wollten die Briten aber lange von einer Veränderung des Status quo nichts wissen. Noch heute erinnern zwei nicht zu knapp bemessene britische Militärbasen an die britische Kolonialzeit.
1960 wurde Zypern dann doch unabhängig. Grossbritannien entliess damals viele Länder teils überstürzt in die Unabhängigkeit. Sei es weil England wirtschaftlich klamm war, sei es weil die EOKA, die für Enosis kämpfende griechisch-zypriotische Untergrundarmee den Kolonialherren zusetzte, das Land wurde Republik. Es musste sich verpflichten, ein Anschluss an Griechenland oder die Türkei zu unterlassen. Die Verfassung von 1960 hatte einen stark ethnischen Charakter. Die Präsidentschaft war einem Griechischzyprioten vorbehalten, die Vizepräsidentschaft einem Türkischzyprioten. Beide Seiten waren unzufrieden. Die Griechischzyprioten fanden sich in einem Staat wieder, den sie so nicht wollten – warum galt das Selbstbestimmungsrecht für alle neu unabhängigen Länder in Afrika und nicht für sie? und die Türkischzyprioten empfanden nach Jahrhunderten der Bevorzugung schnell eine Situation als inakzeptabel. Die Verfassung gab beiden Seiten weitgehende Vetorechte. Die türkischzypriotische Seite benutzte diese denn auch sehr stark und so wurde der Aufbau des Staates praktisch paralysiert.
Scharfmacher hüben und drüben
1963 schlug der Präsident, Erzbischof Makarios, einen 13-Punkte-Plan vor, der das Funktionieren des Staates erleichtern sollte. Unter anderem sollte das Vetorecht beider Seite abgeschafft werden. Die Türkischzyprioten zogen sich darauf aus den gemeinsamen staatlichen Institutionen zurück; der gemeinschaftliche Staatsaufbau war gescheitert. Ich habe die 13 Punkte gelesen. Eine gewisse Gefahr der Marginalisierung türkischzypriotischer Anlegen hätte bestanden, aber eine krasse Diskriminierung vermag ich nicht zu erkennen. Immer stärker glitt das Land aber in der Folge in bürgerkriegsähnliche Zustände und interkommunale Kämpfe ab.
Schon 1963 schickte die Uno eine Friedenstruppe. Die türkischzypriotische Bevölkerung konzentrierte sich in der Folge in selbst gewählten Enklaven und baute dort eine eigene Verwaltung auf. Hüben und drüben gossen Scharfmacher Öl ins Feuer. Und wenn immer die griechischzypriotische Seite etwas tat, was der türkischzypriotischen Volksgruppe nicht passte, folgten Repressalien gegenüber der damals noch zahlenmässig bedeutenden griechischen Volksgruppe in Istanbul (Konstantinopler Griechen, Phanaroten) Nach 1968 beruhigte sich die Situation etwas. Es wurde wieder verhandelt und der Präsident, Erzbischof Makarios, nahm Abstand von der Idee der Enosis. Persönlich habe ich den Eindruck – aber das ist natürlich Spekulation – dass das Land ohne die nachfolgenden verheerenden ausländischen Interventionen die Kurve gekriegt hätte.
Die Katastrophe von 1974
Im Jahre 1974 geschah die Tragödie: Die Athener Militärjunta unterstützte einen Putschversuch von griechischzypriotischen Extremisten gegen die Regierung Makarios. Unter eindeutiger Verletzung der internationalen Verpflichtung Zyperns und einer an altgriechische Tragödien gemahnenden Hybris und Selbstüberschätzung wollten die Putschisten die Enosis erreichen. Was folgte, war eine völlig überzogene Reaktion und eine krasse Verletzung des Völkerrechts durch die Türkei: Die Invasion und die Besetzung von 37% der Insel durch türkische Truppen. Im Gefolge dieser Intervention wurden über 150’000 Griechischzyprioten aus dem besetzten Norden vertrieben. Diejenige, die bis heute im Norden geblieben sind, waren Repressalien ausgesetzt. Auf der anderen Seite mussten fast 50’000 Türkischzyprioten den unbesetzten Süden verlassen. Allerdings hat die Regierung ihre Besitztümer registriert, damit sie nach einer allfälligen Wiedervereinigung einfacher zurückgegeben beziehungsweise entschädigt werden können. Die Teilung Zyperns war vollendet und die beiden Bevölkerungsgruppen lebten nun komplett segregiert. Anders als Griechenland schätzte die Türkei die Lage wiederum realistisch ein: Bis heute hatte der Krieg in Zypern für das Land keine Folgen. Die Teilung wurde verfestigt, indem im Norden die Türkische Republik Nordzypern (TRNC) ausgerufen wurde.
Die Griechischzyprioten bauten den unbesetzten Teil des Landes in Rekordzeit wieder auf, obwohl 60% der touristischen Infrastruktur im Norden lag. Die Griechischzyprioten wurden wohlhabend, während der Norden verarmte.
Ständige ausländische Interventionen
In der Vergangenheit gab es viele Anläufe, die vertrackte Situation zu bereinigen. Wenn in Griechenland Leute über längere Zeit eine Sache besprechen, dann fragt man sie: „Löst ihr das Zypernproblem?“ Es ist also das sprichwörtlich schwierig zu lösende Problem. Was macht es denn so schwierig, dass sich die beiden Volksgruppen vertragen und friedlich auf der Insel leben, ohne dass die eine Seite die andere unterdrückt?
Das Hauptproblem waren wohl in der Vergangenheit die ständigen ausländischen Interventionen. Auf sich allein gestellt, würden sich die beiden Volksgruppen wohl ziemlich problemlos vertragen. Dazu kommen seit 1974 die Probleme, die die türkische Intervention geschaffen hat. Praktisch immer in den letzten Jahrzehnten wurden von der Uno Gespräche gesponsert – fast ohne Resultat.
Der Annan-Plan
Nur 2004 gab es die Möglichkeit einer Lösung: Der Annan-Plan. In Griechenland fiel mir damals auf, dass weder in den Zeitungen, noch im Fernsehen genaue Informationen darüber gegeben wurden, was der Annan-Plan eigentlich beinhaltete. Die Moderatorin blendete ständig in neuen Fenstern andere Gesprächspartner ein, die ihre Meinung zum Annan-Plan von sich gaben. Man konnte stundenlang fernsehen oder Zeitung lesen – was wirklich vorgesehen war, verstand man nicht. Man hörte nur Meinungen, aber keine Fakten. Ein weiterer Tiefpunkt des griechischen Journalismus.
Dieser Lösungsvorschlag wurde im Süden und im Norden in getrennten Abstimmungen dem Volk vorgelegt – obwohl die Stimmbürger wohl kaum wussten, um was es genau ging. Er sah eine Konföderation von zwei selbständigen, gleichberechtigten Teilstaaten vor. Der Gesamtstaat sollte nur für die Aussen-, Verteidigungs-, Wirtschafts- und Währungspolitik zuständig sein sowie für die Regelung der Staatsbürgerschaft. Ausserdem war eine weitgehende, aber nicht vollständige Demilitarisierung vorgesehen. Im Süden wurde der Plan abgelehnt, während der Norden zustimmte.
Risiken für den Süden
Die Gründe für die Ablehnung waren vielfältig: Da war einmal die Regierung, die den Plan zur Ablehnung empfahl und nicht einmal klar erklärte, was er genau beinhaltete. Dann herrschte im Süden die Ansicht vor, dass der Norden viel kriegen würde, während der Süden einiges abgeben müsste. Diese Einschätzung ist nicht ganz falsch. Es war vorgesehen, dass das Territorium des Nordens von 37% auf 28% verkleinert würde; insbesondere die Gegend um die Stadt Morphou hätten die Türkischzyprioten zurückgeben müssen. Allerdings wäre damit das türkischzypriotische Territorium immer noch verhältnismässig gross, denn zum Zeitpunkt der Invasion betrug der Bevölkerungsanteil der Türkischzyprioten lediglich 18%. Es hätten etwa 90’000 Griechischzyprioten nach einem komplizierten Verfahren wieder in ihre Häuser im Norden zurückkehren können. Der Rest wäre entschädigt worden. Hier ist entgegengehalten worden, dass das nur gut die Hälfte der einstmals Vertriebenen betrifft, dass aber alle Türkischzyprioten ungehindert in den Süden hätten zurückkehren können. Auch gewisse Einschränkungen bei der Personenfreizügigkeit hätten fortbestanden.
Damit kam man Befürchtungen des Nordens entgegen, dass der wirtschaftlich starke Süden den ganzen Norden aufkaufen, wirtschaftlich dominieren und bevölkern würde. Tatsächlich wäre unter dem Strich der Norden der klare Gewinner gewesen, während sich für den Süden durch den Annan-Plan gewisse Risiken ergeben hätten. Ein Türkischzypriote ist heute Bürger eines international nicht anerkannten Gänsefüsschestaates, der nur über Umwege ins Ausland reisen kann. Mit dem Annan-Plan wäre er sofort EU-Bürger mit allen Rechten geworden. Viele Griechischzyprioten sahen deshalb nicht ein, warum sie dieses Risiko eingehen sollten – zumal die türkischen Truppen nur langsam und nicht komplett abgezogen würden. Heute hat die Türkei etwa 40’000 Mann in Nordzypern stationiert – eines der am stärksten militarisierten Gebiete der Welt. Seit 1974 ist die Insel zwar geteilt, aber sie ist ruhig. Zusätzlich war 2004 eine Generation herangewachsen, die nichts anderes kannte als ein getrenntes Zypern.
Neue Hoffnung
In der Zeit seit 2004 haben sich unmerklich gewisse Parameter verschoben. Aus diesem Grund ergibt sich die Möglichkeit für neue Verhandlungen.
Nach der Ablehnung des Annan-Planes wurde Zypern wie geplant in die EU aufgenommen, wobei das Gemeinschaftsrecht aber nur im unbesetzten Süden gilt. Institutionell ist also der Unterschied krass: Hier ein Staat, der mit Waffengewalt geschaffen wurden und nur von der Türkei anerkannt ist und da ein gleichberechtigtes EU-Land. Einiges ausgelöst hat auch die Wirtschaftskrise in Zypern. Es ist also nicht gottgegeben, dass der unbesetzte Teil Zyperns wohlhabend ist. Gleichzeitig zieht die Idee der Enosis nicht mehr. Die Wirtschaftskrise in Griechenland und die ständigen Dysfunktionalitäten des griechischen Staates haben die Anziehungskraft für das gut funktionierende und kaum korrupte Zypern vermindert.
Im März wurde das Land aus dem EU-Überwachungsmechanismus entlassen und kann sich wieder am Kapitalmarkt finanzieren. Dieser Erfolg war den ausländischen Medien kaum eine Kurzmeldung wert. Gleichzeitig sind im Moment zwei ausgleichende Politiker in beiden Landesteilen daran, die Teilung zu überwinden. Präsident Nikos Anastasiadis hat schon die Wirtschaftskrise des Landes sehr gut gehandhabt. Im Norden wurde vor einem Jahr Mustafa Akıncı zum Präsidenten der international nicht anerkannten TRNC gewählt. Er war viele Jahre Bürgermeister des nördlichen, türkischen Teils der Hauptstadt Nikosia. Die beiden kennen sich, wurden in der gleichen Stadt geboren und vertrauen sich. Nun verhandeln sie selber um eine Lösung. Akıncı hat ausdrücklich das Leid bedauert, das den Griechischzyprioten durch den Einmarsch der Türken widerfahren ist. So weit ist nie ein türkischzypriotischer Politiker gegangen. Eine allfällige Lösung, die innerhalb des Landes ausgehandelt wird, hätte natürlich viel höhere Chancen, an der Urne angenommen zu werden und zu funktionieren als ein Plan, der von der Uno kommt.
Wahlen im Mai
Gleichzeitig haben gewisse vertrauensbildende Massnahmen das Klima auf der Insel verbessert. Die grüne Grenze ist nicht mehr derart hermetisch abgeriegelt wie sie einmal war. Es gibt einige neue Grenzübergänge und diese können auch ohne grosse Formalitäten passiert werden. So haben viele Türkischzyprioten im Süden Arbeit gefunden. Für die Republik Zypern ist das kein Problem, da die Türkischzyprioten aufgrund des Anspruchs auf die ganze Insel deren Bürger sind – mit allen Rechten. Gleichzeitig werden auch die wenigen Griechischzyprioten, die im Norden geblieben sind, kaum mehr Repressalien ausgesetzt. Vor einigen Jahren konnte in Rizokarpaso zum Beispiel die griechische Sekundarschule wiedereröffnet werden.
Die Chancen auf die Überwindung der Teilung und zu einer Lösung des Zypernproblems haben sich also rapide verbessert. Es ist zu hoffen, dass eine gerechte, detaillierte Lösung aus dem Verhandlungsprozess resultiert. Nach den zypriotischen Wahlen im Mai ist zu erwarten, dass dieser Prozess beschleunigt wird. Was sind die Stolpersteine?
Blockiert die Türkei erneut eine Lösung?
Einerseits die internationale Entwicklung. Insbesondere die Türkei muss mitspielen und die Truppen abziehen. In dem Masse wie die internationale Entwicklung der Türkei Trümpfe in die Hände spielt, ist das schwierig oder sehr schwierig zu erreichen. Entwickelt sich die Situation in der Flüchtlingskrise in einer Art, dass Europa stark auf die Kooperation mit der Türkei angewiesen ist, so kann eine Situation entstehen, wo die Türkei in einer starken Position ist und eine Lösung in Zypern ungestraft blockieren oder sabotieren kann – auch dann, wenn sich die beiden Volksgruppen einig sind. Umgekehrt weiss die Türkei genau, dass es wenig zu gewinnen gibt, wenn das Land eine Lösung des Zypernproblems akzeptiert und die Truppen von der Insel abzieht. 2004 hätten die Türken mitgespielt, ob sie das aber heute wieder tun, ist unklar – aber auch nicht unmöglich.
Die anderen Stolpersteine sind nicht weniger – und sie liegen in Zypern.
Was passiert mit den griechischzypriotischen Besitztümern im Norden genau? Wie funktioniert die Rückgabe, respektive Entschädigung? Während die türkischzypriotischen Besitzungen im Süden registriert sind und damit eine Rückgabe/Entschädigung leicht zu bewerkstelligen ist, dürften sich ausserhalb der Gegenden, die an den griechischzypriotischen Teilstaat übergeben werden, knifflige rechtlichte Probleme und Beweisfragen ergeben.
Was geschieht mit den Siedlern aus Anatolien?
Offenbar ist wiederum vorgesehen, dass die Gegend um Morphou und die Pufferzone in Famagusta an die Griechischzyprioten zurückgegeben wird. Das ist im Verhältnis wenig. Offenbar sind aber Einschränkungen in der Personenfreizügigkeit nicht mehr vorgesehen. Das wäre auch innerhalb eins EU-Landes schwer zu vermitteln. Was passiert, wenn Griechischzyprioten ausserhalb des griechischzypriotischen Teilstaates in grosser Zahl im Norden siedeln? Gilt wie in der Schweiz das Territorialitätsprinzip oder müssen wieder Schulen und allgemein griechische Infrastruktur aufgebaut werden?
Was passiert mit den Siedlern? Nach 1974 schickte die Türkei massenweise Siedler aus Anatolien nach Nordzypern. Diese unterscheiden sich mentalitätsmässig stark von den säkularisierten Türkischzyprioten. Auch diese sind auf die Siedler nicht immer gut zu sprechen. Sie lassen sich aber wohl nicht einfach zu 100% zurückschicken – auch wenn selbst viele Türkischzyprioten dafür durchaus zu haben wären.
Wie geht die Rückgabe von Kirchen und Klöstern im Norden, sowie von Moscheen im Süden vonstatten? Bei den Moscheen ist es wiederum einfacher. Aber im Norden sind praktisch alle Kirchen geschlossen und teilweise ausgeraubt worden. Viele Ikonen sind illegal verkauft worden. Dass zumindest bestehende Kirchen innerhalb des türkischzypriotischen Teilstaates wiedereröffnet werden können, ist wohl selbstverständlich.
Rotierende Präsidentschaft
Wie wird sichergestellt, dass sich die Griechischzyprioten, die nach 1974 im Norden in der Gegend von Rizokarpaso geblieben sind, weiterentwickeln können, falls die Gegend nicht an den griechischzypriotischen Teilstaat zurückgegeben wird.
Vorgesehen ist, dass vom Tag 1 der Wiedervereinigung im Norden EU-Recht gilt und der Euro eingeführt wird. Das ist logisch, da Zypern EU- und Euro-Mitglied ist. Wie wird aber verhindert, dass die Banken im Norden, von denen nach 40 Jahren Wirtschaftsboykott niemand weiss, in welchem Zustand sie sind, ausbluten. Innerhalb der Währungsunion kann ein plötzlicher Abfluss von Geld nicht so einfach kontrolliert werden.
Vorgesehen ist nicht mehr ein System mit einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten, sondern eine rotierende Präsidentschaft. Wie wird sichergestellt, dass beide Bevölkerungsgruppen angemessen vertreten sind, aber kein Teil den Staat blockieren kann?
Und schliesslich: Wie werden die 40’000 Mann der türkischen Armee hinauskomplimentiert?
Es gilt also noch viele Fragen zu regeln. Die Hoffnung besteht aber, dass Präsident Anastasiadis und der türkischzypriotische Volksgruppenführer Akıncı eine tragfähige Regelung finden, damit auch Zypern wieder vereinigt wird.