In einem Online-Kommentar auf einen Artikel im «Tages-Anzeiger» fragt ein empörter Leser, warum in der Berichterstattung über die Steuerhinterziehungs- und vermuteten Geldwäschereiaffaire der Genfer Niederlassung der HSBC nicht generell betont werde, dass es sich um eine britische Bank handle. Ganz unrecht hat er nicht, aber leider ist das belanglos. Was allein zählt ist, dass krumme Bankgeschäfte einmal mehr durch eine Bank in der Schweiz, unter schweizerischer Aufsicht, getätigt worden sind.
Ebenso wenig spielt eine Rolle, dass der Whistleblower im Herzen der Affaire, Hervé Falcani seinerseits eine, sagen wir einmal, interessante Gestalt zu sein scheint. Es zählt allein, dass entsprechend schweizerischer Gesetzgebung ein Whistleblower mit Bezug auf illegale oder zumindest ethisch zweifelhafte Bankgeschäfte in der Schweiz nicht nur keine Anerkennung erhält, sondern im Gegenteil der Einzige zu sein scheint, welcher aktiv strafrechtlich verfolgt wird. Dabei müsste er für eine direkte Mithilfe im nun endlich begonnenen Strafverfahren gegen die HSBC-Genf spezielle Immunität erhalten.
Noch immer fehlt aktives staatliches Handeln
Das Verfahren wurde aufgenommen mit Blick auf Geldwäscherei – also ein Offizialdelikt. Aber dies geschieht allein als Folge von beharrlichen Untersuchungen eines internationalen Konsortiums von Investigationsjournalisten, denen glücklicherweise auch schweizerische Medienschaffende (Tages-Anzeiger) angehören. Seit den 90er Jahren wird von schweizerischen Offiziellen ein unerbittlicher Kampf gegen schwarzes (Geldwäscherei etc.) und auch gegen graues (Steuerhinterziehung) Geld beschworen. Noch aber scheint dies eher reaktives als proaktives Handeln zu bedeuten.
Aktives Vorgehen wäre aber dringend nötig – und auch möglich. Die Rückgabe von in der Schweiz blockierten Potentatengeldern und deren nachhaltige Verteilung im Ursprungsland zeigt es. Wenn die Schweiz hier eine gewisse Vorreiterrolle spielen kann, sollte sie das dann nicht auch in der ungleich publizitätsträchtigeren Verfolgung von Steuerhinterziehung und Geldwäscherei tun? In zahlreichen Fällen kann das auch ohne ausländisches Rechthilfegesuch geschehen.
Um aber soweit zu kommen, muss der schummrige Sachverhalt «Interesse des schweizerischen Finanzplatzes» im Lichte aller relevanten Faktoren ausgeleuchtet werden. Und dazu gehört bei einem so offenen und auslandsabhängigen Land wie der Schweiz auch ihre Reputation im Ausland. Diese enthält neben materiellen (Genauigkeit, Zuverlässigkeit etc.) eben immer auch ethische Komponenten.
Beschädigte Glaubwürdigkeit und Reputation
Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist dabei einer der zahlreichen Kommentare zur HSBC-Affaire im britischen Traditionsblatt «Financial Times». Unter dem Titel «Privatbanken sollten mehr sein als Waschanlagen», kommt John Gapper zum Schluss, dass den schweizerischen Privatbanken ihre angebliche Blütenreinheit schlicht nicht mehr geglaubt werden könne. Das Private Banking, die Vermögensverwaltung für Private also, bildet aber den Kern von Reputation und Fachwissen des schweizerischen Finanzplatzes.
Mit Blick auf die generell gestörte Vertrauensbasis ist auch die innenpolitische Frage legitim, ob schweizerische Banken generell, und die grösste unter ihnen speziell, zu Ausgestaltung, Umfeld und vor allem Regulierung des Finanzplatzes überhaupt noch angehört werden sollten. Ausgerechnet die UBS, welche in kaum einem der internationalen Bankenskandale der letzten Jahre nicht mit am Pranger stand und weiter steht – vom bedenkenlosen Verkauf zweifelhafter Derivatprodukte über Beihilfe zu Steuerdelikten in den verschiedensten Ländern bis zur Manipulation von Zinssätzen und Wechselkursen – fühlte sich legitimiert, wirtschaftspolitische Ratschläge zu erteilen.
Auch nach Aufgabe des Bankgeheimnisses wird noch mit Leichen im Keller zu rechnen sein. Entsprechend langwierig wird sich der Prozess gestalten, national und international verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies zudem in einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich seit Ausbruch der Finanzkrise ab 2008 grundlegend verändert hat. Die Beweislast hat sich umgekehrt: Banken und schweizerische Behörden müssen immer wieder zeigen, dass ein völliges Umdenken stattgefunden hat mit Nulltoleranz gegenüber gesetzlich und ethisch verpöntem Tun, in der Schweiz oder in anderen Rechtsstaaten.