Wer noch keine hat, der bekommt seine Maske noch vor Betreten des KKL. Grün sind sie, hell- oder dunkelgrün, nach Wahl, die «Lucerne Festival»-Masken. Grün ist die Hoffnung, sagt man doch so schön. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Deshalb gibt es nun doch ein Lucerne Festival. Nicht so umfangreich, wie es ursprünglich geplant war, alles zwei Nummern kleiner, aber dafür live. Denn auch das Leben findet live statt, Life is live … so das Motto.
Da die grossen Orchester kaum reisen konnten, aus den USA sowieso nicht, und viele Künstler ebenfalls wochenlang zuhause bleiben mussten, hat Michael Haefliger, der Intendant des Lucerne Festivals, überlegt, wer in der Schweiz lebt oder zumindest in der Nähe. Er wurde fündig und so kam eine Liste hochkarätiger Interpreten zustande, die nun ohne lange Anreise bis zum 23. August im KKL auftreten.
Den Anfang machten Martha Argerich, die inzwischen fast 80 Jahre alt ist und in Genf lebt, und Herbert Blomstedt, der Altmeister unter den grossen Dirigenten, der Schwede, der seit vielen Jahren in Luzern ansässig ist. Im hohen Alter von 93 Jahren hatte er nun sein Debut mit dem Lucerne Festival Orchestra, das allerdings Corona-bedingt in stark verkleinerter Formation antrat und auf der Bühne mit dem nötigen Abstand verteilt war.
Ebenso im Zuschauerraum: Ellbogenfreiheit rechts und links und freie Sicht auf die Bühne sind gewährleistet. Man könnte sich auf Publikumsseite durchaus daran gewöhnen. Wenn da nur nicht das Loch in der Kasse wäre …
Sternstunde gleich zu Beginn
Auf dem Programm stand Beethoven, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr ebenfalls Corona-bedingt bescheidener gefeiert wird, als ursprünglich geplant. Nicht nur in Luzern. Beethovens Klavierkonzert Nummer eins geriet dann aber unter den Händen von Martha Argerich und der Leitung von Herbert Blomstedt zu einer Sternstunde nicht nur des diesjährigen Lucerne Festivals. Zwei «Alte» auf der Bühne, zwei die zur Risikogruppe gehören und sich keinen Deut darum scheren. Zwei, die mit einer Jugendlichkeit sondergleichen Beethoven so interpretieren, dass man unten im Zuschauerraum, unter der grünen Maske, das Gefühl hat, Beethoven zum ersten Mal zu hören. Nicht gewaltig auftrumpfend, sondern mit feinen Tönen, die wie aus der Stille kommen und doch so hörbar sind. Genau wie in der zweiten und dritten Sinfonie. Die zweite Sinfonie wurde am Eröffnungsabend gespielt, die dritte dann am Samstag.
Standing ovation, Jubel und Applaus unten im Zuschauerraum, und auf der Bühne? Da stiess man strahlend und dankbar mit den Ellbogen an, so wie man es – wiederum Corona-bedingt – gelernt hat. Ansonsten: keine Pause, keine Cüpli, kein gemütliches Beisammensein, dafür gesittetes Abstandhalten beim Verlassen des KKL. Das geht alles ganz prima. Bis 23. August werden unter anderem noch Mauro Peter, Cecilia Bartoli, Igor Levit und andere auftreten.
Noten gegen Not
Und es gibt auch eine Solidaritätsaktion für Künstler, die in den letzten Monaten keine Auftritte und damit keinen Verdienst mehr hatten. Lucerne Festival hat zusammen mit seinen Hauptsponsoren die Kampagne #SolidarityForMusic auf die Beine gestellt, in der es um Noten aller Art geht, Noten, die die Not der Künstler lindern sollen: Musiknoten, die zu Banknoten werden. «Jeder Teilnehmer kann sich oder andere beim Interpretieren von Beethovens Ode an die Freude (Freude schöner Götterfunken) filmen», heisst es da. Dabei kann gesungen, getrommelt, geklatscht oder gerappt werden. Das Video wird dann auf die Kampagnenwebsite solidarityformusic.ch hochgeladen.
«Es ist uns und unseren Partnern ein Herzensanliegen, mit dieser Aktion ein Zeichen zu setzen und auf die dramatische Lage der Musikerinnen und Musiker in Corona-Zeiten aufmerksam zu machen», kommentiert Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival. «Ob Klassik, Jazz, Schlager, Heavy Metal oder Rap – hier gibt es keine Grenzen zwischen Musikgenres. Ich freue mich auf kreative Beiträge von Profis, Laien, Kindern und Rentnern, Studenten und Managern, mit denen wir zeigen: Wir stehen zusammen und engagieren uns für die Schweizer Musikerinnen und Musiker, die gerade um ihre Existenz bangen, und damit für eine vielfältige Zukunft der Schweizer Musikszene.»
Und wer es nicht so hat mit dem Selbst-Interpretieren von Musiknoten, der darf auch gern ein paar Banknoten beisteuern. Noten gegen Not sind immer willkommen …
Die Aktion dauert übrigens bis zum 28. August, und wer weiss, vielleicht wird ja damit auch der eine oder andere neue Star entdeckt!