Die Katari sind Aktionäre der Holding, damit Rentiers. Sie verwalten ihr Familienvermögen und lassen Ausländer die Arbeit verrichten, Buchhalter aus Indien, Finanzexperten aus dem Libanon, palästinensische Techniker sowie ein unabsehbares Arbeiterheer aus Süd- und Südostasien für alles Manuelle.
Einkauf der Fussball-WM 2022
In Europa hingegen wird eingekauft und investiert, und dies im grossen Stil: vom Fussballklub Paris St.Germain, samt UEFA-Chef Michel Platini zu Prestigegebäuden in der City von London und grösseren Anteilen an VW (7 Prozent) und Porsche (10 Prozent) zum gewichtigen Aktienpaket der Credit Suisse und zu Nobelhotels mit Schweizer Kreuz. Katar kontrolliert die Raffelsgruppe, welcher die Swissôtel Gruppe kurz vor dem Swissair-Debakel 2001 zum Diskountpreis überlassen worden ist.
Das katarische Meisterstück bislang war der Einkauf der Fussball-WM 2022. Jeder, der einmal während den Sommermonaten in Doha - Katar ist ewas gösser als seine Hauptstadt, besteht aber ausserhalb von Doha nur aus Wüste - weilte, weiss genau, dass die WM so wie vorgesehen nicht stattfinden wird. Die sommerliche Bruthitze lässt keinen längeren Aufenthalt im Freien zu, nicht für Zuschauer und Fans und noch viel weniger für die Spieler selbst. Das Klima hat sich in den rund 15 Jahren seit ich dort regelmässig meine Aufwartung machte, nicht verändert.
Geld macht’s möglich
Was hat also die FIFA Delegierten vor rund zwei Jahren grossmehrheitlich(darunter Platini) bewogen, die WM Katar - und nicht den Sportgrossmächten USA oder Australien (eine einzige Stimme, jene Beckenbauers) - zuzusprechen? Ein Wort als Antwort genügt: Geld. Wohl nicht primär mit vergleichsweise lumpigen und direkten Bestechungssummen sondern vorher und eine Kategorie grösser: Mit Geldgeschenken an Länder, beispielsweise der Finanzierung von Sportinfrastruktur in einem Herkunftsland eines FIFA-Delegierten, und an Personen. Wie die renommierte ‚Financial Times‘ kürzlich auf ihrer Frontseite meldete, soll der französische Ex-Staatspräsident Sarkozy allenfalls einem von Qatar finanzierten neuen Geldmarkt- Fond als Galionsfigur dienen.
Geleitet wird die Familienholding Katar vom Clan der Al-Thani. Oberster Chef ist Emir (arabisch für Prinz) Hamad ben Khalifa. Der Mann fürs Grobe (so etwa die Oberaufsicht über die ‚Unkosten‘ ausländischer Geschäftstätigkeit im Emirat), aber auch für für (Geld)diplomatie ist sein Cousin, Premier- und Aussenminister Hamad ben Jassim. Fortschrittliches Aushängeschild ist die zweite Frau des Emirs, Sheika Mouza (Qatar Foundation, omnipräsent etwa als Sponsor von CNN- Sendungen und auf den Jerseys der Spieler von ‚Barca‘).
Wahabismus als Staatsreligion
Katar bietet dem Besucher, falls sich dieser wie Bernard Imhasly die Mühe macht, etwas am Oberflächenglanz zu kratzen, tatsächlich ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite dank immensen Kapitalien rasender Fortschritt im Sinne einer Explosion von Konsum und Technologie, darunter auch einigen durchaus interessanten Versuchen, der harschen Umwelt nachhaltige Lösungen entgegenzustellen, und auf der anderen Seite die wenigen Katari - Bürger kann nur werden, wer als Nachkomme eines männlichen Katari geboren wird, mit Ausnahme einiger aus Kenia stammenden Leichathleten, welche sich den Pass erlaufen haben - mit weiterhin tief konservativer Religion und entsprechenden Moralvorstellungen.
Katar’s Staatsreligion ist wie im Nachbarland Saudi-Arabien, woher die Al-Thanis mit einigen anderen Grossfamilien vor ein-zwei Jahrhunderten einwanderten, der Wahabismus, die konservativste Form des Islam. Ein schönes Beispiel wie Moderne und Tradition im Bereich Politik zusammenprallen, ist mir noch präsent von den allerersten katarischen Wahlen um die Jahrtausendwende. Trotz passivem und aktivem Wahlrecht wurde damals keine einzige Frau gewählt.
Dies einmal, weil für die katarische Gesellschaft und speziell ihre weibliche Hälfte, bislang im öffentlichen Raum auf Grund strenger Gesetze und Traditionen nur als ganzvermummte schwarzen Schemen präsent, dieser Sprung in die Moderne zu radikal war. Ein weiterer, rein praktischer Grund wurde uns offiziellen Beobachtern erst bei näherem Hinsehen klar. Auf den Wahlplakaten waren nur Männer abgebildet, da das Konterfei einer auch gesichtsverschleierten Kandidatin ja absurd gewesen wäre.
Der Frühling kommt bestimmt
Leider steht zu befürchten, dass Katar weder Zeit gelassen wird, noch das Land diese hat und sich selbst nimmt, zu einer behutsameren Heranführung seiner Gesellschaft an die Moderne unserer ‚flachen Welt‘.
Hier würde dann der zweite Grund liegen, warum die Fussball-WM 2022 nicht in Katar stattfinden wird. Es ist nur schwer vorstellbar, wie alle Ausprägungen des arabischen Frühlings über so lange Zeit fern- und aufgehalten werden können. Der ‚Frühling‘ in den noch mehr (arabische Halbinsel) oder weniger (Marokko, Jordanien) feudalen arabischen Ländern wird anders aussehen als in Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien. Kommen wird er aber bestimmt.