Ein Geldschein ist ein Schuldschein. Daher beruht sein Wert in erster Linie auf Vertrauen. Normalerweise, Verbrecher und Bangster ausgenommen, ist sein Erwerb mit einer Gegenleistung verbunden. Beim Rücktausch in eine andere Gegenleistung vertraut der Besitzer darauf, dass sie seiner eigenen adäquat ist. Bei einer Inflation schrumpft ein Geldschein nicht zusammen, sondern er verliert an Wert. Das ist gut für Schuldner, aber schlecht für Gläubiger.
Schrumpfende Schulden
Wer Schulden hat, dem hat jemand Geld geliehen. Zum heutigen oder gestrigen Wert, versteht sich. Als Risikoprämie dafür, dass der Gläubiger sein Geld nicht mehr zurückbekommen könnte, kassiert er Zinsen. Liegen diese Zinsen für sichere Anlagen, so wie heute, bei nahe Null, ist die Risikoprämie futsch.
Liegt die durchschnittliche Inflationsrate bei 2,5 Prozent, wie heute, ist aber auch das Geld in weniger als 40 Jahren futsch. Im besten aller Fälle. Lässt man eine «gelinde» Inflation von 5 bis 7 Prozent zu, womit immer mehr Finanzwissenschaftler liebäugeln, ist der Gläubiger sein Geld schon in etwa 10 bis 15 Jahren los. Und der Schuldner seine Schulden.
Selber blöd?
Wieso soll denn ein Gläubiger so blöd sein, dem Wertverlust seines erarbeiteten Geldes einfach zuzuschauen? Ganz einfach: weil er muss. Pensionskassen gehören weltweit zu den grössten Investoren. Wir sprechen nur schon in der Schweiz von Ansprüchen in der Höhe von über 850 Milliarden Franken. Dem stehen entsprechende Einlagen in Form von Zwangssparen gegenüber.
Der zukünftige Rentner hofft dabei, dass ihm nach seiner Pensionierung wenigstens das einbezahlte Kapital wieder ausbezahlt wird. Nicht zum Nennwert, sondern adäquat zur durchschnittlichen Kaufkraft während den vielen Jahren seiner Einzahlungen. Pustekuchen.
Die Liquiditätsfalle
Der Gläubiger verliert, der Schuldner gewinnt. Besonders übel wird es, wenn der Schuldner der Staat ist. Denn der kann via Notenbank sowohl die Zinshöhe (der sogenannte Leitzins) wie auch die Geldmenge (durch die Herstellung von Neugeld) steuern. Senkt er den Leitzins auf nahe Null, dann wird kein Geld mehr für Investitionen angeboten, das nennt der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes die Liquiditätsfalle.
Genau darin befinden sich die USA, Europa und Japan. Da muss dann der Staat eingreifen, indem er sein zweites Instrument einsetzt: Geld drucken wie Heu. Damit will er die Verwandlung in Investitionen stimulieren, die Wirtschaft soll wieder Fahrt aufnehmen. Auch das wird heute gemacht, nur funktioniert es nicht.
Fegefeuer und Hölle
Keynes ging nicht davon aus, dass in einer solchen Situation der Staat selbst gleichzeitig der grösste Schuldner am Markt ist. Also das Neugeld im Wesentlichen dazu verwendet wird, dass sich der Staat via vermittelnde Banken seine eigenen Schulden refinanziert. Aus diesem Grund kommen die Billionen, die in den letzten Jahren neu hergestellt wurden, gar nicht im wertschöpfenden Bereich der Wirtschaft an.
Deshalb nützt es dem griechischen Staat einen feuchten Kehricht, ob er noch weitere 30 oder 300 Milliarden bekommt. Oder andersherum, würde der griechische Staat, statt sich totzusparen, seine Ausgaben verdreifachen, bliebe die Wirtschaft so marode, wie sie war und ist. Es wäre also ein Nullsummenspiel, Alchemie. Der Schuldner zahlt seine Schulden mit neu gedrucktem Geld. Wenn da die Inflation nicht wäre.
Neugeld und Altschulden
Ein Staat kauft sich seine eigenen Schulden nicht nur mit neugedrucktem Geld ab. Sondern einem Grossteil seiner Schulden stehen ja Gläubiger gegenüber, die ihm Geld geliehen haben. Eben Sparer, Rentenanwärter, Anleger und – natürlich seine Steuerzahler. Denn der Staat generiert ja nur so seine Einnahmen.
In der Eurozone haben wir es mit der zusätzlichen Perversion zu tun, dass beispielsweise der deutsche Steuerzahler für griechische Schulden geradestehen muss, obwohl er auf die Fiskalpolitik der dortigen Regierung noch weniger Einfluss hat als bei seiner eigenen.
Ohne Inflation funktioniert’s nicht
Der beste Beweis, dass die Neuschöpfung von Geld im Multimilliardenpack nicht funktioniert, ist interessanterweise das Ausbleiben einer entsprechenden Inflation. Denn würde es in der Realwirtschaft ankommen, entstünde ja mehr Nachfrage bei nicht gleichstark wachsendem Angebot. Dass passiert im Moment aber nur in nicht-wertschöpfenden Bereichen wie dem Immobilienmarkt oder Gold, verursacht durch die Flucht in scheinbar sichere Sachwerte.
Die Dreifachfalle
Keynes ging davon aus, dass die Steigerung von sinnvollen staatlichen Investitionen in die Infrastruktur um 1 Prozent im Anwachsen des BIP um etwa 3 Prozent resultiert. Eine Steuersenkung um 1 Prozent aber lediglich den Konsum um 1 Prozent steigen lässt. Also sind in der Eurozone restlose alle Voraussetzungen für ein absolut tödliches Desaster vorhanden. Der Staat investiert weniger, Nullzinsen paralysieren die allgemeine Investitionsbereitschaft, und Geld wie Heu, das nicht in der Realwirtschaft ankommt, pumpt eine Inflationsblase auf. Das ist wie eine Bombe, an der gleichzeitig drei Zündschnüre brennen.