Dass Amerikas Medien vom «Trump Bump» profitieren, ist nicht neu. Dass ihnen der Präsident mehr Leser und mehr Zuschauer beschert, was sich dank mehr Abonnements, höheren Quoten und zahlreicheren Klicks in höheren Profiten niederschlägt, ist unbestritten. Eher erstaunlich dagegen, in welchem Umfang der «Trump Bump» sich auch auf den Büchermarkt auswirkt.
In den vergangenen vier Jahr sind in den USA mehr als 1’200 Titel erschienen, die sich aus allen möglichen Perspektiven mit Donald Trump beschäftigen, selbst mit seinem Golfspiel. Und demnächst erscheint das Buch eines Literaturkritikers der «Washington Post», das ausschliesslich dem Phänomen der Trump-Literatur gewidmet ist: «What Were We Thinking» – Was haben wir uns nur gedacht.
Selbst der Text der amerikanischen Verfassung verkauft sich in Buchläden dank Donald Trump spürbar besser und auch vom Mueller Report, der die Verwicklung des Kremls in den amerikanischen Wahlkampf 2016 untersucht, sind Hunderttausenden von Kopien abgesetzt worden, obwohl der Bericht gratis im Netz zu lesen war.
Zum Vergleich: Über Ex-Präsident Barack Obama und dessen Regierung sind in der Amtszeit nur an die 500 Titel erschienen. Unter ihnen war aber kaum ein Buch, das Amerikas ersten schwarzen Präsidenten in düsteren Farben zeichnete. Verglichen mit Abraham Lincoln verblasst jedoch selbst Donald Trump: Über Amerikas 16. Präsidenten sind den gegen 15’000 Bücher geschrieben worden, mehr als über jeden anderen Amtsinhaber der amerikanischen Geschichte.
Dabei ist egal, aus welcher politischen Ecke die jeweiligen Autorinnen und Autoren kommen, ob sie positiv oder negativ über den Insassen im Weissen Haus schreiben: Trump-Bücher verkaufen sich blendend. Ein Todeskuss für ein Buch scheint höchstens eine Empfehlung des Präsidenten zu sein.
So riet Donald Trump Anfang Jahr seinen 86 Millionen Followern auf Twitter, «Trump und Churchill: Verteidiger der westlichen Zivilisation» von Nick Adams zu kaufen. Seit Mai sind jedoch lediglich 2’810 Exemplare des Titels verkauft worden. Dagegen hilft es laut einem Literaturagenten, wenn Donald Trump ein Buch nicht mag: «Du betest dafür, dass Trump dein Buch hasst, und du betest dafür, dass er darüber twittert.»
Mit ein Grund für den Boom von Trump-Büchern ist die Vielzahl früherer Kabinettsmitglieder und Mitarbeitender, die ihre Posten im Weissen Haus entweder aus eigenen Stücken geräumt haben oder vom Präsidenten entlassen wurden. Etliche unter ihnen lassen sich ihre Rückblicke im Zorn durch lukrative Buchverträge vergolden. Eine Frage, die sich die Verfasserinnen und Verfasser dieser Enthüllungswerke allerdings gefallen lassen müssen: Warum sind sie mit ihren Bedenken oder Befürchtungen nicht schon früher an die Öffentlichkeit gelangt und geben sie ihre Erinnerungen und Erfahrungen erst gegen Geld preis?
Gewartet hat auch der renommierte Reporter Bob Woodward, dessen jüngstes Buch «Rage» diese Woche erscheint. Mit dem Journalisten, neben Carl Bernstein seit den Enthüllungen über Watergate weltbekannt, hat Donald Trump entgegen der Empfehlung von Beratern 18 Mal gesprochen und ausserdem Tonbandaufzeichnungen zugestimmt. Teils rief er Woodward auch noch nachts an, um mit ihm zu reden, mutmasslich gebauchpinselt durch das Interesse des berühmten Autors, den böse Zungen «Washingtons Beichtvater» nennen. Donald Trump verriet Bob Woodward, dass er schon Anfang Februar um die Gefährlichkeit des Corona-Virus wusste.
«Corona ist tödlicher als die schlimmste Grippe. Es ist unfassbar leicht übertragbar. Man atmet es ein und, das war’s», liess der Präsident den 77-jährigen Reporter wissen. «Ich wollte es immer herunterspielen. Ich spiele es immer noch gerne herunter, weil ich keine Panik erzeugen will», sagte Donald Trump in einem Gespräch Wochen später.
Indes hat der amerikanische Biologe William Haseltine, einst Professor an der Harvard Medical School, gegenüber CNN gesagt, dass seiner Schätzung nach die überwiegende Mehrheit der bisher 190’000O Opfer des Virus in den USA hätten gerettet werden können, wenn die Regierung nur rechtzeitig und richtig reagiert hätte: «Wir haben 180’000 Amerikanerinnen und Amerikaner getötet, weil wir nicht ehrlich die Wahrheit gesagt haben.»
Anders als im Falle Richard Nixons, dessen vulgäre Äusserungen auf den Tonbändern des Weissen Hauses die amerikanische Öffentlichkeit zutiefst schockierten, dürften Donald Trumps skandalöse Bekenntnisse für ihn kaum politische Folgen haben. Denn alles, was seine Worte über den Präsidenten verraten, ist schon längst bekannt: Nicht neu, dass er lügt und phantasiert, dass er unfähig, eitel und egoman ist, dass er sich am Ende des Tages keinen Deut um den Zustand des Landes, sondern nur um sein persönliches Wohlergehen und seine Wiederwahl kümmert.
Doch treue Anhänger lassen all die akribisch dokumentierten Eskapaden des Präsidenten kalt. Einer Umfrage vom Frühling 2020 zufolge halten 78 Prozent der Befragten, die überwiegend Fox News sehen, Donald Trump für ehrlich und vertrauenswürdig. Unter jenen Befragten, für die Fox News als Informationsquelle nicht erste Wahl ist, tun dies lediglich noch 15 Prozent. Über 80 Prozent dagegen antworten, sie würden dem Präsidenten weder glauben noch vertrauen.
Auf jeden Fall dürfte kaum eines der vielen Anti-Trump Bücher der Popularität des US-Präsidenten unter angestammten Wählerinnen und Wählern Abbruch tun. «Keines dieser vielen Bücher ändert im Grunde, wie wir Trump sehen», schreibt in der «Washington Post» Kommentator Paul Waldman: «Die Botschaft, die wir daraus mitnehmen, ist folgende: ‘Er ist so schlimm, wie wir gedacht haben.’»
Oder wie David Remnick, Chefredaktor des Magazins «The New Yorker», es formuliert: «Trump ist so, wie er stets gewesen ist, und die Einzelheiten, die wir jeden Tag erfahren, vervollständigen lediglich unser Bild von ihm mit klareren Konturen und grelleren Farben. Der Mann, der Amerikas Bevölkerung über die Natur des neuartigen Coronavirus belog (gegenüber Bob Woodward aber zugab), ist derselbe Mann, der als Immobilien-Hökerer zu sagen pflegte, die beste Taktik, ein neues Gebäude zu hypen, sei es, Kaufinteressenten «the old Trump bullshit» zu geben. Nur ist Trumps Quatsch diesmal tödlich.