An sich habe ich etwas gegen „How-to-do“-Bücher, die Ihnen erzählen, wie Sie mehr Selbstbewusstsein, mehr Achtsamkeit, mehr Führungserfolge, ein glückliches Sexualleben oder ein Riesenvermögen erlangen können, indem Sie dafür vor allem wenig-bis-nichts tun. Bei letzterem zum Beispiel ist der Misserfolg beim Kauf garantiert, denn hätte der Autor seine eigenen Ratschläge befolgt, müsste er jetzt nicht noch um eine Leserschaft buhlen, die ihm mit ihren einstelligen Autoren-Tantiemen pro Buch auch nicht zu einem luxuriösen Leben verhelfen werden.
Nach dieser Woche habe ich jedoch meine Antipathie auf den Prüfstand gestellt und danach der Versuchung nachgegeben: Hier ist mein „How-to-do”-Beitrag zum Thema „Wie komme ich mit möglichst wenig Anstrengung, Talent, Qualifikation und Charakter zu einer Erwähnung in den Geschichtsbüchern meines Landes?”
„Ich liiiiiiieeebe den Präsidenten!“ Sie haben sicher sofort erkannt, dass es sich bei diesem Jauchzer nicht um die spontane Liebeserklärung einer ehemaligen Miss Schweiz an ein dänisches Möbelhaus handelt, nicht wahr? Auch Männer haben Gefühlsausbrüche dieser Art, und ein Schelm, wer da an Schleimen denkt. Sicher wollte das überaus erfolgreiche Wall Street-Ass mit dem opernhaft anmutenden Namen seinem grossen Vorbild, dem derzeitigen Hausherrn im amerikanischen Weissen Haus, seine Bewunderung kundtun.
Chamäleon
Der Bewunderer kam nicht mit leeren Händen, denn im selben Fernsehauftritt verkündete er vollmundig der Nation, wie er den vielzitierten Washingtoner Sumpf trockenzulegen gedachte, zumindest in seiner Eigenschaft als Kommunikationschef: Wenn er nicht herausfinden sollte, wer da Informationen aus dem Inner Circle an die bösen Medien herausgebe, würde er die ganze Kommunikationsabteilung feuern. Danach gab er in einem Telefonat mit einem renommierten Mitglied der verachteten Medienzunft ein historisches Beispiel für wirkungsvolle Kommunikation.
Zu weiteren Beispielen ist es leider nicht mehr gekommen, aber sein zehntägiger Stage im Sumpf wird ihm zumindest eine Seite im Geschichtsbuch garantieren.
Der zweite Fall kommt weniger grossmäulig daher, hat auch weniger Zeit in Anspruch genommen, hat aber dieselbe Langzeitwirkung erzielt: einen zukünftigen Eintrag in die Geschichtsbücher. Keine zehn Tage, eher zehn Minuten hat der Auftritt vor den Medien gedauert, und danach hatte die Landtagsabgeordnete der Grünen in der Regierung Niedersachsens sich als ein Chamäleon erwiesen. Bekanntlich wechselt dieses Tier die Farbe, wenn es nötig wird, sich in einer gefährlichen Situation an die Umwelt anzupassen. Wo war hier die Gefahr? Und welche Gefahr war es? Zweifelsohne die, in der Versenkung zu verschwinden. Oder hatten Sie schon von dieser Dame gehört, deren Parteikolleginnen und -kollegen nicht bereit waren, sie aus ihrer offenbaren Bedeutungslosigkeit zu erlösen und für Grösseres vorzusehen.
Egoistischer Seitenwechsel
Und solch ein Farbwechsel bringt einen schon in die Geschichtsbücher? Nicht unbedingt, aber während es so aussieht, als ob die angestrebte Langzeitwirkung des Interims-Kommunikationschefs mit seinem Fiasko-Interview weitgehend beendet ist, hat die der nunmehr „schwarzen” Blondine erst angefangen. Sie repräsentierte die eine Stimme der rot-grünen Mehrheit im Parlament, und ihr Übertritt in die CDU hat nicht nur Niedersachsen, eine Hochburg der SPD, in eine Regierungskrise gestürzt, sondern dürfte in einem Wahljahr und bei einer ohnehin vulnerablen Konstellation bedeutende Langzeitfolgen haben.
Warum tut jemand so etwas? In den Kommentaren diverser Journalisten, die DIE ZEIT in ihrer derzeitigen Ausgabe gebündelt hat, ist die Rede von Geltungssucht oder sogar von Rachsucht für das Gefühl der politischen Heimatlosigkeit, die Elke Twesten bei den Grünen erfahren haben soll. Ein Kommentator meint ganz direkt, selten einen „dreisteren und egoistischeren Seitenwechsel“ gesehen zu haben. Hat sich der für die Politikerin gelohnt? Für die Erwähnung im Geschichtsbuch (zwei, drei Abschnitte, je nach Langzeitfolgen) schon; ihre Hoffnung auf ein Bundestags- oder Europaratsmandat scheint allerdings unbegründet: Der CDU-Fraktionschef hat ihr zwar zugesichert, dass sie sich politisch betätigen darf, aber das ist ziemlich weit entfernt von einem neuen Heimatgefühl.
Wahrscheinlich passt auch hier das Zitat von Caesar: Man schätzt den Verrat, doch den Verräter schätzt man nicht.