Das Prinzip ist das gleiche. Bei der Finanzkrise 1 wurde ein sinnvolles Finanzinstrument, ein Hypothekarkredit, in eine finanzielle Massenvernichtungswaffe verwandelt, nämlich in ein handelbares und undurchschaubares synthetisches Paket namens CDO. Der im Knast gelandete UBS-Trader zockte offenbar mit synthetischen «Exchange Traded Funds», ETF. Das sind ursprünglich sinnvolle Investmentfonds – die nicht von dem kriminellen Trader, sondern von im roten Bereich zockenden Bangstern in eine finanzielle Massenvernichtungswaffe verwandelt wurden. Die ist völlig legal.
Wie bei der Formel 1
Wir wollen den Leser nicht mit Erklärungen langweilen, was ein synthetischer ETF genau ist und wie er funktioniert. Es genügt zu wissen: Wer damit im Sekundentakt zockt, sitzt sich in einem Formel-1-Boliden und gibt Vollgas. Da er allerdings im Kreis rumfährt, denn mit dieser Zockerei wird ja kein einziger Rappen an Wertschöpfung betrieben, sondern nur gewettet, muss er vor der nächsten Kurve abbremsen. Das nennt man im Bankerjargon Absicherung. Das bedeutet, der Trader wettet gleichzeitig auf und gegen ein zukünftiges Ereignis. Nun ist es ja bei der Formel 1 so, dass der, der vor der Kurve als letzter auf die Bremse steigt, schneller als die Konkurrenz fährt. Und wer gar nicht bremst, wäre natürlich der King. Allerdings kann es ihn dabei auch aus der Kurve tragen, und er kracht in eine Betonwand: Totalschaden.
Hebelwirkung
Ob das Produkt CDO, ETF, CDS, Spread Ladder Swap oder wie auch immer heisst, das Prinzip ist immer das gleiche. Man nimmt ein real existierendes, durchaus sinnvolles Finanzprodukt, verwandelt es in ein Derivat, also eine Ableitung, einen Wettschein, und hebelt es. Hebeln bedeutet, man spielt mit wenig eigenem und viel geliehenem Geld. Wenn man gewinnt, gibt man den Kredit zurück, den man heutzutage ja faktisch gratis aufnehmen kann, und streicht 20, 30, 100 und mehr Prozent Profit aufs Eigenkapital ein. Wenn man mit einem völlig üblichen Hebel von 40, also 40 mal mehr Fremd- als Eigenkapital zockt, sorgt allerdings schon ein Verlust von läppischen 2,5 Prozent dafür, dass das eigene Geld weg ist. Und ein Verlust von 20, 30, 100 und mehr Prozent sorgt für ein hübsches Loch in der Kasse.
Ein einfaches Beispiel
Auf den morgigen Kurs der UBS-Aktie zu wetten, ist eher langweilig. Sie wird um ein paar Rappen steigen oder fallen, aber sie wird sicher nicht von 10 Franken auf 100 explodieren oder auf null implodieren (gut, Letzteres ohne Gewähr). Wenn ich aber von diesem Realwert eine Ableitung bastle, sie mit anderen Bestandteilen mixe, sie synthetisiere, alles gut durchschüttle, verpacke und mit vielen Schleifchen in Form von pseudowissenschaftlichen Algorithmen versehe, dann habe ich eine Höllenmaschine gebastelt, mit der ich gehebelt auf eine Kursveränderung von einem einzigen Rappen mit Multimillionen wetten kann. Falls ich einen anderen Zocker finde, der dagegen wettet. Aber Zocker, die mit geliehenem Gratisgeld spekulieren, gibt es ja wie Sand am Meer.
Das Kontroll-Team
In der Formel 1 ist der Pilot per Funk mit seiner Box verbunden, die ihm ständig Anweisungen erteilt, die Temperatur des Motors misst, den Ölstand, Reifendruck und natürlich die Geschwindigkeit. Also den Piloten und seine Maschine kontrolliert. Es ist daher völlig undenkbar, dass ein Händler über Wochen hinweg mit Vollgas, also ohne Absicherung, durch alle Kurven fährt. Selbst wenn er dabei nicht in die Wand crasht, fällt das doch etwas auf. Daher ist es offenkundig, dass mindestens die gesamte Abteilung der UBS das Prinzip der drei Affen anwendete: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Im Wissen darum: Wenn der Bruchpilot doch aus der Kurve getragen wird, dann handelte er gegen die Vorschriften, illegal, kriminell, unglaublich aber auch.
Die Führung
Verantwortlich für eine solche Kamikaze-Kultur sind natürlich die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat. Während das Grübel-Monster immerhin mutig den Kopf herausstreckt und Verantwortung übernimmt, allerdings keine Schuld bei sich sieht, geht der VR-Präsident Kaspar Villiger wie immer bei solchen Ereignissen auf Tauchstation. Kein offizielles Wort, kein Bedauern, keine Stellungnahme. Er hat halt, seit den Zeiten seiner Stumpenfabrik, seiner Velo-Fabrik, dem Swissair-Desaster, dem Swiss-Re-Desaster und nun dem UBS-Desaster, dermassen viele Nackenschläge weggesteckt, dass für ihn einer mehr Business as usual ist. Bedauerlich für die UBS, dass sie in ihrem Elend auch noch einen VR-Präsidenten hat, der kneift. Einen echten Versager-Rat.