Dass auch die katholische Kirche längst nicht mehr mit einer Stimme spricht, ist in den vergangenen Tagen wieder einmal besonders deutlich geworden. Fast zeitgleich haben sich der Bischof von Chur und der Abt des Klosters Einsiedeln an die Gläubigen gewandt: der eine mit einem Hirtenbrief zum Thema „Eucharistie“, der andere mit einer Broschüre zur Lage der Kirche, die in den Klosterläden Einsiedeln und Fahr oder über Internet bezogen werden kann. Zwei Schreiben von zwei Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Abt Martin Werlen auf die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen eingeht, nimmt Bischof Vitus Huonder seine Schäfchen mittels Vorschriften an die Kandare. Während der eine Fragen aufwirft und Lösungsvorschläge macht, verweigert der andere sich jeglichem Dialog. Werlen sorgt sich um die Gemeinden, die unter Priestermangel und Mitgliederschwund leiden, und fordert Konsequenzen wie etwa den Verzicht auf den Pflichtzölibat oder den vermehrten Einbezug von Frauen und Laien. Huonder hingegen begnügt sich damit, „Missstände“ anzuprangern und Regeln aufzustellen, die mit dem Verbot von Wortgottesdiensten, Laienpredigten und eucharistischer Gastfreundschaft allem zuwiderlaufen, was in der Schweiz bewährte Praxis ist. In Werlen und Huonder stehen sich zwei Kirchenbilder gegenüber: eines, das der Botschaft des Evangeliums, und eines, das dem Buchstaben des Gesetzes verpflichtet ist. Eine Versöhnung ist noch lange nicht in Sicht. (Klara Obermüller)