Eigentlich unterstützen SP und Gewerkschaften die Schwächsten, aber jetzt sollen auch jene Pensionierten mehr Geld erhalten, die genug oder mehr als genug haben.
Nach dem Giesskannenprinzip Geld verteilen, das will die Linke sonst nicht. So hat die Linke höhere Steuerabzüge für Kinder abgelehnt, denn wer wenig verdient, spart bloss ein paar Franken, während es für begüterte Familien bedeutende Einsparungen bedeutet.
Weshalb sollte man eine 13. AHV-Rente unterstützen, wenn jene, die einen kleinen Lohn gehabt haben, nicht die Maximalrente erhalten? Wer besonders bedürftig ist, erhält weniger als jene, die es weniger nötig haben. Zudem leben in der Schweiz viele Menschen, denen es im Pensionsalter gut geht: Sie haben eine ansehnliche Pension und viele haben überdies ein schönes Erbe erhalten. Diese Personen brauchen wirklich keine 13. AHV-Rente. Das trifft ebenfalls zu für viele Wählerinnen und Wähler der linken Parteien. In den letzten 60 Jahren hat sich die linke Wählergruppe stark verändert. Heute gehören viele Angestellte, Lehrer, Techniker und Akademiker zu ihr. Diejenigen mit den geringsten Löhnen sind oft Alleinerziehende, Männer und Frauen ohne Berufslehre, die oft von den verführerischen Slogans der SVP angezogen sind, sowie zahlreiche Arbeiterinnen und Arbeiter ohne Schweizer Pass.
Die Bundesrätin hat recht
Die Sozialdemokratin Elisabeth Baume-Schneider, welche die Haltung des Bundesrats erläuterte, hat doppelt recht. Einerseits kostet die 13. AHV-Rente 4 Milliarden und nach der Einführung jedes Jahr etwas mehr, andererseits gibt es wirksamere Mittel, den Menschen im AHV-Alter zu helfen, welche grosse finanzielle Probleme haben und sich nicht einmal ein paar Tage Ferien oder etwas Unterhaltung leisten können. Die Bundesrätin hat gezielte Hilfe in Aussicht gestellt für jene Personen, die im Alter sehr wenig Geld zur Verfügung haben. So könnte man die Ergänzungsleistungen erhöhen; Frau Baume-Schneider hat für die nächste AHV-Revision einen entsprechenden Vorschlag versprochen.
Nach statistischen Angaben erhalten rund 15% der Pensionierten Ergänzungsleistungen. Eine etwa gleichgrosse Gruppe hätte Anspruch darauf, hat sie jedoch nicht beantragt. Es ist deshalb wichtig zu betonen, dass jedermann, der die Kriterien erfüllt, ein Recht auf diese Leistungen hat. Es besteht deshalb keinerlei Grund, sich dafür zu schämen, wie es oft der Fall zu sein scheint. Man hört, es gebe bürokratische Hindernisse zu überwinden, um Ergänzungsleistungen zu erhalten. Diese müssen umgehend abgebaut werden. Zudem war es ein schwerer Fehler, dass das Parlament den Betrag der Ergänzungsleistungen vor wenigen Jahren herabgesetzt hat; das muss so rasch wie möglich korrigiert werden, denn es sollte eine höhere Summe überwiesen werden als zuvor.
Weshalb nicht die Mindestrente erhöhen?
Es besteht eine weitere Möglichkeit, um die Situation der schwächsten Pensionierten zu verbessern. Die Mindestrente beträgt 1’250 Franken, die Maximalrente das Doppelte. Das Minimum erhalten oft Frauen mit tiefem Lohn und Unterbrüchen im Erwerbsleben wegen der Betreuung von Kindern. Viele Frauen erreichen die Einkommensgrenze nicht, um einer Pensionskasse beizutreten. Wer keine Ersparnisse hat, muss deshalb von der AHV leben. 10% der Pensionierten erhalten nicht die Maximalrente von 2’450 Franken; wie sollen diese Menschen über die Runden kommen? Die AHV ist die sozialste Versicherung, denn auch wer eine Million verdient, zahlt die Beiträge auf dem ganzen Lohn, erhält aber bloss die Maximalrente. Wenn wir wirklich mit den Ärmsten solidarisch sein wollen, ist die Minimalrente zu erhöhen, z. B. auf 2’000 Franken. Das wäre eine gezielte Unterstützung und würde nicht allzu viel kosten.
Nicht nur die Pensionierten leiden
Nicht allein einem Teil der Pensionierten fehlt gegen Ende Monat das Geld, auch viele Familien und Vollzeitbeschäftigte leiden unter der Teuerung, den stark steigenden Krankenkassenprämien und den wachsenden Mieten. Mit einem Teil der Milliarden, die man sparen könnte, sofern das Volk die 13. AHV-Rente ablehnt, könnte man die Situation der «working poor» und der Alleinerziehenden verbessern und z. B. die Krankenkassenverbilligung stärken. In unserer Bundesverfassung heisst es im Artikel 12: «Recht auf Hilfe in Notlagen. Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.» Der Bundesrat und das Parlament haben deshalb die Pflicht, für die Unterstützung der Schwächsten zu sorgen.
Es besteht also kein Zweifel, dass die öffentliche Hand sich den bedürftigen Menschen in der Schweiz annehmen muss. Es wäre deshalb angezeigt, das Geld, das die 13. AHV-Rente beanspruchen würde, für die Menschen in grossen finanziellen Schwierigkeiten zu verwenden. Wer hingegen nicht daran glaubt, dass Bundesrat und Parlament nach einem Nein zur 13. AHV-Rente zügig die notwendigen Projekte verwirklichen werden, um die Schwächsten zu unterstützen, wird für die 13. AVH-Rente stimmen. Das ist zwar eine halbbatzige Lösung und hilft lediglich einem Teil der Mensch, die es nötig haben – und gleichzeitig eine Niederlage für unsere Demokratie.