Silvio Berlusconi hat eine Neue. Sie ist 53 Jahre jünger als er. Die Bisherige erhält 20 Millionen – und eine Villa.
Seit Jahren gibt es kein mediales Sommerloch mehr. Dieses Jahr schon gar nicht. Die Corona-Pandemie hält uns in Atem. Doch Sommerloch-Geschichten gibt es noch immer. In Italien ist es wieder einmal der bald 84-jährige Silvio Berlusconi, der den Boulevard beglückt. Doch nicht nur: Auch den drei seriösen grossen italienischen Zeitungen, der La Repubblica, dem Corriere della sera und der Stampa, ist Berlusconis jüngste Eskapade längere Abhandlungen würdig.
Begonnen hatte alles im Kanton St. Gallen. Das italienische Klatschblatt „Diva“ veröffentlichte diese Woche ein Foto, das Berlusconi zusammen mit der 30-jährigen Abgeordneten Marta Fascina vor dem Eingang des Fünfstern-Hotels „Grand Resort“ in Bad Ragaz zeigt.
Wie eine Königin behandelt
Sofort brodelte es in der Boulevard-Küche. Und vor allem brodelte es bei Francesca Pascale, der 35-jährigen Neapolitanerin. Sie ist seit Jahren die offizielle Verlobte von Berlusconi.
„Er hat mich zehn Jahre lang wie eine Königin behandelt“, klagt sie. „Und jetzt das.“ Die meisten Italienerinnen und Italiener erstaunt der Damentausch allerdings wenig. Dass der alternde Parteichef und viermalige Ministerpräsident auf einen immensen Frauenkonsum zurückblicken kann, wissen hier alle.
Seine zweite Frau, Veronica Lario, eine Schauspielerin, hielt es zwanzig Jahre mit ihm aus. Dann waren ihr seine Seitensprünge zu viel. Als er vor laufenden Kameras erklärte, am liebsten würde er die „schöne Mara“, die Ministerin für Gleichstellungsfragen Mara Carfagna, heiraten, reichte Veronica Lario die Scheidung ein. Carfagna war ein Showgirl und hatte für Nacktaufnahmen posiert.
„Bunga-Bunga“-Kapriolen
Nach einem unfeinen, von den Medien intensiv begleiteten Scheidungsprozess wurde der Ex-Frau eine monatliche Unterhaltszahlung von 1,4 Millionen Euro zugesprochen. Da sie allerdings selbst ein Vermögen von 16 Millionen besitzt, entschied das Oberste Gericht später, dass sie insgesamt 60 Millionen zurückzahlen muss. Berlusconi ist mit einem Vermögen von 60 Milliarden Euro einer der reichsten Italiener.
Veronica Lario machte geltend, dass sie nicht mit einem Mann zusammenleben könne, der in seiner Villa auf Sardinien wilde Sexpartys feiert und mit minderjährigen Gespielinnen sehr, sehr eng verkehrte.
Berlusconis „Bunga-Bunga“-Kapriolen werden seit Anfang der Neunzigerjahre in den italienischen Medien zelebriert. Seiner politischen Karriere schadeten sie nicht. Im Gegenteil: Weite Kreise im noch immer etwas machohaften Italien bewundern ihn für seine Frauengeschichten. Trotz heftiger Proteste von Frauenorganisationen stimmten bei Wahlen sehr viele Frauen für ihn.
„Wenigstens habt ihr schöne Frauen“
Berlusconi liebte es, sich mit Models, Showgirls und italienischen Missen im Scheinwerferlicht zu sonnen. Und immer waren die Boulevard-Blätter „Oggi“ oder „Diva“ dabei. Eine Homestory mit Berlusconi brachte Riesenauflagen.
Einmal erklärte er, die Frauen seiner Forza-Italia-Partei seien viel schöner als die Abgeordneten der Linken. Als er nach dem Erdbeben in L’Aquila die Stadt besuchte und von Trauernden umringt wurde, grinste er in die Kamera und sagte: „Wenigstens habt ihr schöne Frauen hier.“
Da gab es die damals 40-jährige Patrizia d’Addario, die sich nach eigenen Angaben von Berlusconi reinlegen liess. Er soll ihr für eine gemeinsame Nacht einen Listenplatz seiner Partei versprochen haben. Daraus wurde nichts. Wutentbrannt schrieb sie mit einer Ghostwriterin ein Buch über diese Nacht. Kein Detail liess sie aus. Das Buch wurde schnell zum Bestseller. Berlusconi hat es nicht geschadet.
Das „Papi-Girl“
Die Geschichte mit der 17-jährigen Noemi Letizia ging dann doch einigen zu weit. Eines Tages kreuzte der Ministerpräsident bei ihr in einem Städtchen im Golf von Neapel auf. Zu ihrem Geburtstag schenkte er ihr ein mit Diamanten besetztes Goldcollier. Noemi redete ihn als „Papi“ an. Später kreuzte das „Papi-Girl“, wie sie jetzt genannt wurde, in Berlusconis Villa auf Sardinien auf.
Ein Unternehmer aus Bari erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, er habe Berlusconi 30 junge Frauen zugeführt. Der Ministerpräsident sprach von einer „Schmutzkampagne“.
Das Mädchen aus der sizilianischen Gosse
Ein Wendepunkt war die nicht enden wollende Geschichte mit „Ruby“, der damals minderjährigen Marokkanerin Karima El Mahroug. Sie, das 17-jährige Mädchen aus der sizilianischen Gosse, findet sich plötzlich in Berlusconis Villa in Mailand. Zuvor beging der „Cavaliere“, wie er in Italien genannt wird, einen folgenreichen Fehler.
Da sass Ruby auf einem Polizeiposten in der Via Fatebenefratelli 11 in Mailand. Sie hatte eine Kollegin bestohlen. Berlusconi vernahm das und telefonierte dem Polizeipräsidenten – und log ihn an. Er sagte, Ruby sei die Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak und müsse sofort freigelassen werden. „Wer ist Mubarak?“, fragte der Polizist, der Ruby festnahm. Um drei Uhr früh wurde sie freigelassen.
Dass Berlusconi junge Musen um sich schart, ist in Italien wenig aufregend. Doch dass der Regierungschef den Polizeipräsidenten anlügt, war vielen Italienern und auch der katholischen Kirche nun doch zu viel.
Millionenteure Schweigegelder
Die Prozesse im Fall Ruby sind noch nicht zu Ende. Berlusconi wird beschuldigt, mit Minderjährigen allzu eng verkehrt zu haben. Ebenso wurde er wegen der Mubarak-Geschichte des Amtsmissbrauchs angeklagt Der Mann, der glaubte, sich alles leisten zu können, streitet das ab, Ruby ebenfalls. Sie soll für ihr Schweigen, da ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, mindestens sechs Millionen erhalten haben. Plötzlich jedenfalls kaufte sie sich eine Villa in Mexiko. Zudem soll Berlusconi mit sieben Millionen mehrere Zeugen bestochen haben. Eine der jungen Schlüsselzeuginnen starb vor gut einem Jahr an einer fast unbekannten Krankheit.
Der Fall Ruby fiel in die Zeit, in der die politische Karriere des mächtigen Silvio Berlusconi, der Italien zwanzig Jahre lang als Ich-AG dominierte und ins Chaos geführt hatte, langsam zu Ende ging. 2013 wurde er wegen Steuerbetrugs verurteilt und durfte kein politisches Amt mehr übernehmen. Dieses Mandatsverbot wurde 2018 aufgehoben. Bei den Europawahlen vor einem Jahr wurde er ins Europaparlament gewählt.
Die Königin wird „entlassen“
Privat ist es ruhiger um ihn geworden. Zehn Jahre lang lebte er mit Francesca Pascale zusammen, einer Blondine mit den in Italien schon fast obligatorisch aufgespritzten Lippen. Die „studierte Politologin“ war früher Showgirl und gehörte – auf Druck Berlusconis – drei Jahre lang dem Provinzrat von Neapel an. Dass die beiden nicht mehr zusammen sind, ist längst bekannt. Schon im Frühjahr verbrachte der Medienmogul einige Tage mit seiner neuen Flamme in Châteauneuf-Grasse an der Côte d’Azur.
Doch jetzt ist es offiziell. Nun also muss „Königin Francesca“ gehen. Und jetzt wurde es pathetisch, wie es zur Boulevard-Geschichtsschreibung gehört. „Wer auch immer die Nachricht von dieser vertraulichen Reise (nach Bad Ragaz) durchsickern liess, hat dem Präsidenten und der Partei keinen guten Dienst erwiesen“, erklärte Francesca diese Woche gegenüber den Medien. Sie habe noch heute Respekt vor Berlusconi und verehre ihn. Berlusconi selbst sagt, was er in solchen Fällen immer sagt: „Ich liebe sie noch immer.“ Offenbar war sie schon im Frühjahr von Berlusconi „entlassen“ („licenziata“) worden, wie die Zeitung La Repubblica schreibt. Doch mit dem Foto in Bad Ragaz wurde die „Entlassung“ offiziell.
20 Millionen
Forza Italia sah sich genötigt, der italienischen Nachrichtenagentur Ansa diese Woche eine Meldung zu übermitteln: „Zwischen Präsident Silvio Berlusconi und Frau Francesca Pascale besteht nach wie vor eine Beziehung der Zuneigung und eine wahre und tiefe Freundschaft ... aber keine sentimentale Beziehung oder Paarbeziehung.“
Für Francesca Pascale lohnt sich die Trennung immerhin finanziell. Sie erhält 20 Millionen Euro und darf in der Villa von Casatenovo südöstlich von Como bleiben – zehn Kilometer von der Villa San Martino entfernt, wo jetzt Berlusconi und die Neue wohnen. Schon wird spekuliert, auch das gehört zum Boulevard, dass Frau Pascale das Ganze eingefädelt hat, um sich von Berlusconi zu trennen und um fürstlich entschädigt zu werden.
Die neue heisst Marta Antonia Fascina, eine bei Neapel aufgewachsene Kalabresin. Auch sie hat eine „stolze Universitätskarriere“ hinter sich. An der Römer Universität La Sapienza hat sie Philosophie und Literatur studiert. Seit zwei Jahren ist sie Mitglied der italienischen Abgeordnetenkammer – natürlich für Berlusconis Forza Italia. Spekulationen, wonach es bei ihrer Wahl nicht ganz mit rechten Dingen zuging, halten sich noch immer. Sie arbeitete als Medienbeauftragte des Mailänder Fussballclubs AC Milan, der einst Berlusconi gehörte. Für die Zeitung „Il Giornale“, die der Familie Berlusconi gehört, schrieb sie Artikel, in denen sie den Parteichef in den Himmel lobte.
Was interessiert uns das alles? Berlusconi ist ein Has-been. Seine Forza-Italia-Partei ist mit rund 6 Prozent zu einer Krümelpartei verkommen. Seine Frauengeschichten sind tragisch und langweilen eigentlich nur. Warum also diese Aufmerksamkeit in den italienischen Medien und in der Bevölkerung?
Ein Römer Politjournalist, der zweieinhalb Monate im Lockdown eingesperrt war, sagt es so: „Ist es nicht schön, in Zeiten, in denen wir jeden Abend die Corona-Toten zählen, in Zeiten von Wirtschafts- und Regierungskrisen, sich einmal zurückzulehnen, sich zu entspannen – und über etwas wirklich Banales und Triviales schreiben und quatschen zu können.“