Ein kleiner Händler verzockt in London Multimilliarden, der Verlust wird mit Müh und Not auf 2,3 Milliarden runtergestuhlt? Davon haben die Vorgesetzten und die Geschäftsleitung der Bank nichts gewusst. Schweizer Grossbanken beteiligten sich an der Manipulation des Libor-Zinssatzes, des Urmeters im Bankgeschäft? Die UBS muss eine Busse von 1,4 Milliarden zahlen. Davon haben die Vorgesetzten und die Geschäftsleitung nichts gewusst. Vor und nach 2009 wurden flächendeckend von den meisten der 320 Schweizer Banken aus dem In- und Ausland Schwarzgelder angenommen? Davon, aber wir wiederholen uns.
Riskmanagement grauenvoll
Wie für alles haben die Banker blödsinnige Ausdrücke, um einfache Dinge zu umschreiben. Jede Bank sollte jederzeit wissen, wie gross der mögliche Gesamtschaden wäre, wenn alle Handelspositionen in Verlust drehen. Das nennt man auf Banglisch «Value at Risk», und das bildet einen Bestandteil des «Risk Management». Banken beschäftigen für das Spekulieren mit Derivaten und für den millisekundenschnellen Hochgeschwindigkeitshandel (Banglisch: High Frequency Trading) ganze Heerscharen von Physikern und Mathematikern, die von Supercomputern unterstützt ellenlange Algorithmen basteln, die nicht mal sie selbst wirklich verstehen. Aber wie funktioniert denn die Risikokontrolle? Wie zu Zeiten, als der Buchhalter noch eine Schirmmütze und Ärmelschoner trug.
Die Welt der Excel-Tabellen
Immerhin werden solche Datenerhebungen über Verlustrisiken nicht mehr mit Federkielen in Kontorbücher eingetragen. Aber das Mittel der Wahl, das ist kein Scherz, sind bis heute Excel-Tabellen. Die dann gerne noch per Fax übermittelt und in den Verarbeitungszentren, auch kein Witz, von Hand ergänzt werden. Während also sozusagen oben die Händler (Banglisch «Trader») mit dem modernsten High-tech-Schnickschnack ausgerüstet zocken, werden unten im Maschinenraum mit fast mittelalterlichen Methoden mögliche Schadensbegrenzungen durchgerechnet. Schon alleine dafür müsste man die gesamte Geschäftsleitung plus Verwaltungsräte wegen erwiesener Unfähigkeit entlassen. Wenn es nicht noch einen besseren Grund dafür gäbe.
Verdienst und Verantwortung
Die angestellten Bankenlenker, ob sie Grübel, Ermotti, Dougan oder wie auch immer heissen, begründen ihre Millionengehälter und Boni damit, dass das der Ausgleich für ungeheuerliche Verantwortung und übermenschliche Leistung sei. Abgesehen davon, dass die Aktionäre der meisten Banken von Leistung in den letzten Jahren nichts gemerkt haben: Wo bleibt denn die Verantwortung? Entweder äussert sie sich in einem schnellen Abgang. Oder im gebetsmühlenartig wiederholten Dreisatz: Wir haben davon nichts gehört. Wir haben das nicht gesehen (bzw. es war «unvorhersehbar»). Wir haben dazu keinen Kommentar. Da hätte ich einen grosse Ersparnisse bewirkenden Vorschlag: Wieso ersetzen wir diese Geschäftsleitungen nicht durch die berühmten drei Affen? Sauber rasiert und in feinen Zwirn gekleidet sind sie problemlos in der Lage, ungeheuerliche Verantwortung zu tragen. Die richtigen Kernkompetenzen bringen sie mit: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Erst noch zu überschaubaren Kosten.
Immer die gleiche Leier
Um welches Problem es sich auch immer handelt, die Antwort der aktuellen Verantwortungsträger ist immer die gleiche: Subalterne Angestellte hätten versagt und seien dafür sanktioniert worden. Das Risikomanagement habe gewisse Schwächen aufgewiesen, die seien behoben worden. Ab Ebene Bereichsleiter, von der obersten Führung ganz zu schweigen, habe niemand nichts gewusst. Besonders lachhaft ist das beim Libor-Zinssatz und beim Schwarzgeld. Welchen Tageszins eine Bank im Interbanking-Geschäft zahlen muss, ist eine der wichtigsten Kernziffern, die es im Finanzzirkus gibt. Und da soll der CEO, CFO, COO und wie die Titel in der Geschäftsleitung auch immer heissen, nichts gemerkt haben? Der Bank geht es gerade mal wieder schlechter, aber ihr gemeldeter Schuldzinssatz, aus dem sich der Libor dann zusammensetzt, ist gefallen? Macht nichts. Oder der Zinssatz ist gestiegen, obwohl es, die Ausnahme, der Bank gerade besser geht? Na und. Fällt niemandem auf. Lachhaft.
Und das Schwarzgeld
Milliarden an Verrechnungssteuern werden nicht abgeholt. Zehntausende von Kunden bitten um eine verrechnungssteuerfreie Anlage. Täglich wird in ungezählten diskreten Besprechungszimmern die Frage gestellt (und beantwortet), ob es da vielleicht auch eine steuerneutrale Anlagemöglichkeit gäbe. Ganze Abteilungen unter so blumigen Titeln wie «Relocation Services» mit Dutzenden von Mitarbeitern tun den lieben langen Tag nichts anderes, als Trusts, Stiftungen, Holdings und Steuerdomizile zurechtzuschnitzen. «Legal Departments» schreiben beachtliche interne Honorarnoten, weil sie die Steuervermeidungskonstrukte auf ihre rechtliche Wasserdichtigkeit überprüft haben. Und von all dem will die Geschäftsleitung, vor und nach 2009, nichts gewusst haben? Da laust einen der Affe.
Zwei Alternativen
Sowohl in der von den Bankern so genannten Realwirtschaft wie in der Irrealwirtschaft des Bankings gibt es da nur zwei Alternativen. Sofortige Entlassung der obersten Entscheidungsträger wegen erwiesener und kompletter Unfähigkeit. Und Ersatz durch drei Affen. Oder aber, die Geschäftsleitung (und der Verwaltungsrat) übernehmen endlich einmal Verantwortung und tun was für ihr Geld. Erbringen die übermenschliche Leistung, Offenkundiges einzugestehen. Dann wären sie sogar endlich mal ihr Geld wert. Aber das werden wir wohl weder in der realen noch in der irrealen Welt erleben.