Die UBS will bekanntlich eine Eigenkapitalquote von 17,9 Prozent, die CS von 18,2 Prozent haben. Risikogewichtet, versteht sich. Oder sind es doch nur rund 2 Prozent hartes Eigenkapital? Wir hatten das Thema "Fauler Zahlenzauber" schon mal und wollen uns nicht wiederholen.
Nennen wir die näher zu betrachtende Bank aus juristischen Gründen «Gier & Söhne», dem Leser sei es anheim gestellt, jeden beliebigen realen Namen dafür einzusetzen. Und erklären wir aus aktuellem Anlass lediglich drei weitere Tricksereien, mit denen Banken ihre Bilanz schönrechnen. Obwohl es natürlich noch viele weitere Luftpumpen gibt, denn der Fantasie von Bilanztricksern sind keine Grenzen gesetzt.
Stresstest ohne Stress
Das europäische Bankensystem wurde vor Kurzem einem weiteren Stresstest unterzogen. Unter anderem wurde überprüft, ob unter gewissen Annahmen das Eigenkapital unter 5 Prozent sinken würde. Von den getesteten 91 Banken fielen nur 8 durch, die üblichen Verdächtigen aus Griechenland, Spanien und eine Bank aus Österreich. Ist doch super, angesichts der Euro- und Griechenlandkrise. Wenn da nicht Trick eins wäre. Eine Bank darf nämlich griechische Staatspapiere entweder in ihrem Handels- oder im Bankbuch führen. Spielt keine Rolle, was das genau ist, der entscheidende Punkt: Im Bankbuch darf das Schuldpapier zum Anschaffungswert verbucht werden. «Gier & Söhne» hat also in besseren Zeiten für eine Milliarde einen Griechenbond gekauft, der aktuell nur noch 400 Millionen wert ist, lässt aber die Milliarde stolz im Bankbuch stehen. Obwohl selbst das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer eine Korrektur dieses Unfugs anmahnt, kommt so natürlich kein Stress beim Stresstest auf.
Die Zweckgesellschaft
Alle wilden Zockereien, hochriskante Spekulationen und anderen Irrwitz, bei dem ein traditionelles Bankinstitut wie «Gier & Söhne» doch etwas rot anlaufen müsste, werden in ein «Special Purpose Vehicle» (SPV) ausgelagert, eine Zweckgesellschaft. Am besten mit Sitz in Panama, den Bahamas, in Singapur oder Hongkong; also überall dort, wo eigentlich alles erlaubt und nichts verboten ist. Das hat zwei unschlagbare Vorteile: Wenn das SPV absäuft, schlägt der Schaden nicht auf «Gier & Söhne» durch, und: Das SPV erscheint nicht in der Bilanz der Bank, der Fachmann spricht da von einer «Bilanzverkürzung». Jeder Hütchenspieler, der die Erbse beim Verschieben der Bedeckungen im Ärmel verschwinden lässt und erst am Schluss unter das Hütchen legt, das der Wetter nicht erraten hat, wird blass vor Neid. Wird der ertappt, setzt es mindestens eine Tracht Prügel. Bei Banken prallen aber alle Untersuchungen solcher SPV an der hauseigenen juristischen Abteilung und vorgeschalteten Treuhändern und Anwälten ab, die sich mit treuem Augenaufschlag auf ihr Berufsgeheimnis berufen dürfen.
Und noch «Repo105»
Das ist schon die hohe Schule der Bilanztrickserei. Einfach gesagt, werden mit «Repo105», natürlich kurz vor der Quartalsbilanz, zweifelhafte oder bereits absaufende Wertschriften oder Derivate-Wettscheine ausgelagert. Sie werden offiziell zum vollen Wert «verkauft», während auf der Passivseite keine neuen Schulden auftauchen. In Wirklichkeit werden sie nur verliehen, und der Gläubiger bekommt für seine Funktion als Strohmann gleich mal 5 Prozent Profit rübergeschoben, daher der putzige Name «Repo105». Nach der Quartalsbilanz werden sie dann wieder zurückgenommen, versteht sich. Es ist längst bekannt, dass die Zockerbank Lehman Brothers bereits seit 2001 auf diese Weise im Schnitt 25 Milliarden Dollar kurzfristige Kredite aus der Bilanz eliminierte, im Zuge der Finanzkrise und bis zur Pleite dann über 50 Milliarden. Unschlagbarer Vorteil: Die Leverage Ratio, also das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdfinanzierung, konnte so geschönt werden. Mit dieser Schminke wurde eine eigentlich leichenblasse Bilanz aufgehübscht, eine ganz üble Luftnummer.
Niemand weiss von nichts
Nachdem sich post festum staatliche Untersuchungsbehörden in den USA und anderswo durch die Gigabite von Bilanztransaktionen wühlten, kam unter anderem auch diese Trickserei ans Tageslicht. Aber natürlich bestanden vom Lehman-CEO Dick Fult abwärts alle Bankmanager darauf, davon nichts gewusst zu haben, und die Buchprüfer von Ernst & Young hatten auch keine Ahnung davon, als sie Quartal für Quartal ihren Testatstempel auf die Bilanz hauten. Am allerwenigsten wussten die Rating-Agenturen, die bis zum Tage des Bankrotts Lehman Brothers eine A-Bewertung verliehen, auf die sich dann wiederum die Credit Suisse berufen konnte, als Tausende ihrer Kunden feststellen mussten, dass die ihnen von der CS verkauften Lehmanpapiere plötzlich nichts mehr wert waren. Obwohl auf deren Prospekten grossartig das Logo der CS glänzte und vollmundig «Kapitalschutz» und «100 Prozent Bankgarantie» versprochen worden waren. Aber ätsch, nicht von der CS, sondern von Lehman.
Schall und Rauch
Ganz abgesehen davon, dass in der sogenannten Realwirtschaft keine Firma mit einer dünnen Eigenkapitaldecke von selbst 20 Prozent geschäften dürfte, ist es in der Irrealwirtschaft der Finanzwelt schlichtweg unmöglich herauszufinden, wie hoch (oder vielmehr tief) das Eigenkapital einer Bank ist. Denn natürlich war das nur eine kleine Auswahl aus dem Dickicht von Tricksereien, die bis heute angewendet werden. Und selbstverständlich sind bis heute die unterdotierten Aufsichtsorgane, ob die Finma, BaFin oder SEC heissen, völlig überfordert, haben nicht mal eine Machete, sondern höchstens ein rostiges Taschenmesser, um sich durch diesen Dschungel zu schlagen. Sollten sie dennoch auf einen Zufallsfund stossen, dann gilt «too big to fail»: Die Bank «Gier & Söhne» ist systemrelevant, darf nicht untergehen. Wird sie aber, denn die Realität kann man nicht auf Dauer wegtricksen.