In Portugal wehen wieder eher rechte Winde, obwohl dies nicht immer den Anschein hat. Einem Geiz der abgewählten Sozialisten setzt die bürgerliche Regierung mitunter Freigiebigkeit entgegen. Sie beugt damit wohl einer politischen Krise vor. In dieser Situation wäre es für die Sozialisten besonders riskant, das Staatsbudget für 2025 im Parlament zu kippen und möglicherweise vorzeitige Neuwahlen zu provozieren.
In Spanien mehren sich die Proteste gegen die «Touristifizierung» des Wohnraums, die zur drastischen Verknappung des Angebots an normalen Mietwohnungen beigetragen hat. In Barcelona sollen daher die geltenden Lizenzen für die Kurzvermietung an Touristen 2028 ablaufen. In Portugal gibt die Anfang April angetretene bürgerliche Minderheitsregierung von Ministerpräsident Luìs Montenegro derweil gegenteilige Signale – obwohl auch im eigenen Land das Unbehagen über die Wohnungsnot wächst.
Antworten auf aufgeschobene Probleme
In Portugal sind die Arbeitsverdienste niedriger als in Spanien, was Wohnraum für Leute mit niedrigen und mittleren Einkommen erst recht unbezahlbar macht. Und trotzdem will die Regierung einige zaghafte Massnahmen der im März abgewählten Sozialisten gegen die Kurzzeitvermietung rückgängig machen. Sie plant etwa, das Recht der Eigentümergemeinschaften zum Widerspruch gegen die Vermietung an Touristen einzuschränken. Ausserdem sollen die entsprechenden Lizenzen wieder übertragbar sein.
Das ist ein Beispiel für die neuen Winde, die seit dem Regierungswechsel wehen, manchmal jedenfalls. Auf den ersten Blick hat es nämlich nicht immer den Anschein, als mache die bürgerliche Minderheitsregierung wirklich «rechte» Politik. Immerhin hat sie einige von den Sozialisten hinterlassene Probleme angepackt – obwohl die Lösungen zu Lasten des Staatshaushalts gehen. So sollen Lehrerinnen und Lehrer bis zu etwas mehr als sechs Dienstjahre aus der Zeit eines Beförderungsstopps nachträglich bei der Berechnung ihrer Saläre angerechnet bekommen. Auch gestand die Regierung den Angehörigen der Polizei und der Gendarmerie höhere Risikozuschläge zu. Eine Unzufriedenheit in den Reihen der Polizei hatte die rechtsextreme Partei Chega auszuschlachten versucht.
Ringen um das Staatsbudget
Im Oktober dürfen sich über 90 Prozent von Portugals insgesamt 2,6 Millionen Rentnern und Pensionären – alle mit monatlichen Bezügen von bis zu 1528 Euro – auf einen einmaligen Bonus zwischen 100 und 200 Euro freuen. Gut 1,4 Millionen Frauen und Männer bekommen den Höchstbetrag, weil ihre Renten nicht mehr als die lachhafte Höhe von 509 Euro betragen. Insgesamt 422 Millionen Euro lässt sich die Regierung diese Massnahme kosten – wohl nicht zufällig in einem möglicherweise kritischen Moment.
Kleine Wohltaten können und sollen wohl auch der Regierung helfen, eine eher inszenierte Zerreissprobe um das Staatsbudget für das Jahr 2025 zu überstehen. Im Parlament können rechnerisch nur zwei Parteien dem Entwurf, den die Regierung bis zum 10. Oktober vorlegen muss, zur Mehrheit der 230 Abgeordneten im Parlament verhelfen: rechts die xenophobe Partei Chega mit ihren 50 Sitzen, links die Sozialisten mit 78 Abgeordneten; auf insgesamt nur 80 Abgeordnete können sich die Parteien der Regierung stützen.
Als Bedingung für ein Entgegenkommen verlangte Chega die Abhaltung eines Referendums über die Einführung von Quoten für die in jüngerer Zeit stark gestiegene Einwanderung, aber darauf hätte sich die Regierung schwer einlassen können. Sie hatte kürzlich schon die Abschaffung von Visa zur Arbeitssuche beschlossen, aber das ging den Rechtspopulisten nicht weit genug. Als Mehrheitsbeschaffer bleiben die Sozialisten, die nicht ohne Zugeständnisse klein beigeben wollen. Für sie könnte es aber riskant sein, das Budget im Parlament scheitern zu lassen und damit vorzeitige Neuwahlen zu provozieren.
Zwischen Tatendrang und Trägheit
Die Regierung zeigt immer wieder, dass der Wind eher von rechts kommt. Für die Unternehmen plant sie grosszügige Senkungen der Körperschaftssteuer. Steuerliche Erleichterungen auf breiter Front winken auch jungen Leuten. Insbesondere jüngere Hochqualifizierte sollen nicht mehr auswandern, sondern im Land bleiben. Dazu könnten bessere Verdienste beitragen. Steuerliche Erleichterungen, so wenden Kritiker ein, könnten wie Subventionen für die Unternehmen wirken. Und schliesslich stöhnten nicht nur junge Leute unter der hohen Steuerlast.
Unter dieser Regierung ist endlich auch – nach Vorarbeit der Sozialisten – eine Entscheidung über die Lokalisierung des neuen Flughafens von Lissabon gefallen. Er soll in Alcochete, knapp fünfzig Kilometer östlich der Hauptstadt, entstehen und in zehn Jahren in Betrieb gehen. Entschieden ist derweil die Benennung des Airports nach dem Nationaldichter Luís de Camões (1524–1580). Vielleicht will die Regierung damit verhindern, dass jemand auf die Idee kommt, dem neuen Flughafen irgendeinen linken Namen zu geben.
Weniger eilig hat es die Regierung mit der Umsetzung eines in der letzten Legislaturperiode vom Parlament beschlossenen und vom Staatspräsidenten unterzeichneten Gesetzes, das die aktive Sterbehilfe erlaubt. Eigentlich hätten die Ausführungsbestimmungen nach 90 Tagen vorliegen müssen, doch über 400 sind vergangen. Auch einige Abgeordnete des Partido Social Democrata (PSD) des jetzigen Regierungschefs, Luís Montenegro, hatten für das Sterbehilfe-Gesetz gestimmt, obwohl die Mehrheit der Fraktion es ablehnte. Die Regierung will abwarten, bis das Verfassungsgericht über zwei zu dem Vorhaben eingereichte Klagen entscheidet. Vor einigen Tagen unterzeichneten gut 250 Persönlichkeiten aus verschiedenen politischen Lagern einen Appell zur Reglementierung des Gesetzes. Inakzeptabel für die linke Opposition ist indessen der Plan der Regierung, neue staatliche Gesundheitszentren von privaten Gruppen betreiben zu lassen.
Erste Affären der neuen Regierung
Die Regierung sieht sich derweil auch schon mit ihren ersten Affären konfrontiert. Heftige Wogen schlug zu Monatsbeginn der Ausbruch von fünf als gefährlich geltenden Insassen des Hochsicherheitsgefängnisses von Vale de Judeus, 70 Kilometer nördlich von Lissabon. Erste Untersuchungen deuten unter anderem auf Lücken bei der Sicherheit hin.
Für Wirbel sorgte obendrein die im Jahr 2015 erfolgte Teilprivatisierung der – mittlerweile wieder voll staatseigenen – Fluggesellschaft TAP. In einem erst jetzt erstellten Bericht spricht die Generalinspektion für Finanzen von möglichen Indizien für Straftaten, mit denen sich jetzt das Amt der Generalstaatsanwältin beschäftigen muss. Ins Blickfeld rückten damit der jetzige Minister für Infrastruktur und Wohnungswesen, Miguel Pinto Luz, der 2015 als Staatssekretär der damaligen bürgerlichen Regierung angehörte, und Maria Luís Albuquerque, Finanzministerin der Jahre 2013–2015, die jetzt als EU-Kommissarin nach Brüssel wechseln soll.