Es ist möglich geworden, den Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank mit erfundenen Anwürfen («Gauner», «Lügner», «Währungsspekulant», «Strafanzeige erstattet») aus dem Amt zu putzen. Ob es auch ungestraft möglich ist, wird sich noch weisen.
Verkehrter Rechtsstaat
Einem Beschuldigten muss seine Tat nachgewiesen werden, keinesfalls muss das Opfer einer Verleumdung seine Unschuld beweisen. Offensichtlich kann dieses rechtsstaatliche Grundprinzip von der sogenannten vierten Gewalt, der Presse, ausgehebelt werden. Die Folgen wurden hier schon prognostiziert: Sie beinhalten, dass jeder Staatsbürger, Amtsträger oder Politiker in der Schweiz damit rechnen muss, unversehens mit kriminell erworbenen Informationen aus seinem Privatbereich, ehrenrührigen und völlig haltlosen Beschuldigungen und Verleumdungen attackiert zu werden.
Offen ist noch, ob auch der zweite Teil der Prognose zutrifft: "Und während der dadurch verursachte Image- und Reputationsschaden irreparabel bleibt, könnte sich der Angreifer mit einem «da haben wir wohl im Detail Fehler gemacht», aus der Affäre schleichen.“ Es ist den Angreifern gelungen, mit ehrenrührigen und falschen Anwürfen die Glaubwürdigkeit des Nationalbankpräsidenten so zu beschädigen, dass er sich nicht mehr in der Lage sah, seine Funktion zum Wohl der Schweiz weiter auszuüben. Er wurde aus dem Amt geschrieben.
Wie weiter?
Was aber ist mit der Glaubwürdigkeit der «Weltwoche»? Müsste aus guten Gründen nicht auch deren Chefredaktor zurücktreten, weil sein Blatt erwiesenermassen gegen die meisten journalistischen Grundregeln verstossen hat? Ihm steht, im Gegensatz zu seinem Opfer, wohl eine zivil- und strafrechtliche Aufarbeitung noch bevor.
Nachdem es nicht mehr um «Weltwoche» gegen Hildebrand gehen kann, muss es um die «Weltwoche» allein gehen. Sie mag weiterhin probieren, ihre Unschuld zu beweisen, an welcher grundlos aufgedrängten Aufgabe Hildebrand letztlich scheiterte. Man kann dem Bemühen in aller Ruhe zuschauen, obwohl schon jetzt ihre Schuld bewiesen ist. Das verbietet allerdings nicht, mit noch etwas mehr seriöser Recherchierarbeit die Aufdeckung zu vollenden, nämlich die «eines dichten Geflechts von Lügnern und Vertuschern», um die «Weltwoche» für ein Mal zustimmend zu zitieren.
Fakten, Fakten, Fakten
Philipp Hildebrand konnte nicht im entferntesten illegales Handeln oder der Verstoss gegen Regularien nachgewiesen werden, nicht mal im Ansatz. Fakt ist weiter, dass ihm keine Lüge, keine Gaunerei, keine unerlaubte Währungsspekulation und keine anhängig gemachte Strafanzeige nachgewiesen werden konnte. Fakt ist vor allem auch, dass die «Weltwoche» all das behauptet hat. Fakt ist zudem, dass ihre Anwürfe auf reinem Hörensagen beruhen und aus einem illegal erlangten privaten Kontoauszug von ihr schier endlose Interpretationskaskaden abgeleitet wurden. Fakt ist schliesslich, dass die «Weltwoche», nicht Hildebrand, mehrfach und nachweislich gelogen hat.
Der Sarasin-Kadermitarbeiter, der private Kontoauszüge entwendete, ist wegen Selbstmordgefährdung in eine psychiatrische Anstalt zwangseingewiesen worden. Der Anwalt, der das Diebesgut laut eigenen Angaben an die «Weltwoche» und an Christoph Blocher weitergab, hat sich selbst einen Anwalt genommen, weil er wohl ahnt, dass seine Zulassung in Gefahr gerät. Die an dieser Intrige Beteiligten widersprechen sich inzwischen öffentlich gegenseitig, ob sie die Unterlagen weitergeben haben oder nicht, ob sie die Dokumente gesehen haben oder nicht, ob sie sich getroffen haben oder nicht. Ungereimtheiten zuhauf.
Durch Lügen zur Wahrheit?
Soll das alles nur der Wahrheitsfindung gedient haben? Vor allem aber: Welcher Wahrheit und worüber? Erwirbt man sich mit geklauten Kontoauszügen und deren Ausschlachtung die moralische Integrität, einen Philipp Hildebrand wegen eines von ihm eingestandenen Fehlers wegzuhauen? Im Moment sieht es leider so aus, als ob Lügenbarone, Intriganten, Heckenschützen und ferngesteuerte Initianten einer politischen Hetzkampagne triumphieren könnten. Wenn das so bleibt und keine Folgen hat, ist der Schaden sehr viel grösser, als wenn Hildebrand Präsident der Schweizerischen Nationalbank geblieben wäre.