Ich bin Stadtzürcher. Ich lebe und arbeite in Zürich. Und ich finde Zürich eine wunderschöne Stadt. Solange ich das alte Zürich anschaue, die Postkartenidylle geniesse.
Oder im Bahnhof Stadelhofen auf die S-Bahn warte. Denn der ist ein architektonisches Meisterwerk. Oder das Schulhaus Leutschenbach bestaune. Aber da bin ich selten.
Ansonsten bin ich fast monatlich aufs Neue schockiert, wenn ich in Zürich herumkurve. denn in Zürich wird permanent gebaut. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Was jedoch hingestellt wird, meist in atembereaubendem Tempo, ist in den seltensten Fällen eine Augenweide. Meistens ist es Reissbrettarchitektur, viereckig, kalt, aus Beton und Glas, manchmal auch aus einem dunklen Stein. Alles sieht mit Nuancen gleich aus, kalt, abweisend, städtebaulich furchtbar. Und langfristig grässlich. Da werden Kuben hingestellt, die das Stadtbild nachhaltig negativ prägen.
In Sachen mutige Architektur ist Zürich eine Verhindererstadt. Hier wird der Status Quo gepflegt. Geduldet wird einzig Chlötzliarchitektur bei der ich mich manchmal frage, ob dazu wirklich ein Architekturstudium nötig ist. Kein Dialog mit der Umgebung, kein Eingehen auf quartierspezifische Strukturen, kein Weiterführen imaginärer Linien, kein Spiel mit Materialien und vor allem keinerlei Eingehen auf die Tatsache, dass letztlich Menschen da mal arbeiten und/oder wohnen sollen. So werden Kasernen gebaut. Aber Wohnraum in der grössten und dynamischsten Stadt der Schweiz mit Weltruf?
«Bauten formen das Stadtbild. Sie geben ihm eine Identität und eine bestimmte Qualität. Gute Architektur hat in Zürich Tradition. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, fördert die Stadt die Diskussion über Architektur und Städtebau.» Das schreibt das Hochbaudepartement der Stadt Zürich auf seiner Website. Für mich ein Witz. Zumal das Hochbaudepartement ja auch nur die Diskussion fördert. Und wenn ich mir dann die Liste der ausgezeichneten Bauten 2006 bis 2010 anschauen will (aktueller ist diese Liste am 14. Februar 2013 nicht), dann finde ich da 11 ausgezeichnete Bauten, die obligate Tramhaltestelle inbegriffen (die am Limmatplatz, warum auch immer). Überhaupt glaube ich langsam, dass Zürich am liebsten Tramhaltestellen um- oder neu baut. Und vor allem da Geld und architektonisches Flair investiert.
Ganz anders Basel. Da wird jetzt der Neubau der Messe Basel eingeweiht. 22 Monate Bauzeit, 430 Millionen Kosten, beides (Timelines und Kostenrahmen) eingehalten, 89% der vergebenen Arbeiten gingen an Schweizer Unternehmen. Architektonisch herausragend. Mutig, innovativ und überhaupt. Und nur ein weiterer Meilenstein der Basler Architektur. Bravo, kann ich da nur sagen. Eine Visitenkarte für unser Land. Und mit Sicherheit nicht der letzte herausragende Bau in der Stadt am Rhein. Man sollte Architekten und zuständige Politikerinnen und Politiker aus Zürich zwingen, zu Fuss nach Basel zu marschieren und dort mal zu lernen, wie städtebaulich herausragende Architektur in der Schweiz realisiert werden kann.
In Zürich wird ein Projekt nach dem anderen für ein neues Kongresshaus abgeschossen, machen wir uns mit dem Kran an der Limmat international lächerlich und wird verzweifelt versucht, die 16 Meter hohe Kunstschleuder im Hardaupark doch noch irgendwie als Kinderschaukel ihrem künstlerischen oder wasauchimmer Zweck näher zu bringen. In Zürich West und in Neu-Oerlikon werden derweil ein Katastrophenklotz nach dem anderen hin gepflastert, quadratisch, praktisch, grässlich und kaum nach Bauabnahme schon so verwelkt wie ein Plattenbau in der alten DDR.
Ansonsten werden in Zürich oberirdisch Parkplätze penibel abgezählt und unterirdisch überteuerte Parkhäuser zu Museen ausgebaut oder deren Eingangsbereiche als Erlebnisparks gestaltet. Das sieht man zwar nicht, wenn man im Restaurant Clouds aus dem Fenster schaut. Aber man sitzt im höchsten Gebäude der Schweiz. Mein Gott, Zürich!