Wären schon vor zwei Jahren die unausweichlichen Konsequenzen aus dem griechischen Schlamassel gezogen worden, Staatsbankrott und Austritt aus dem Euro, stünde das Land heute besser da. Denn damals wie heute ist klar: Nur ein Haircut von 100 Prozent entspricht der Realität. Und das nennt man Staatsbankrott. Hier ist einmal das von den Eurokraten missbrauchte Wort richtig: Das ist alternativlos. Nun gibt es nur etwas noch Schlimmeres als eine Staatspleite: eine hinausgezögerte. Wenn ein Unternehmen oder ein Staat ins Rutschen gerät, dann zählt jede Minute. Und jeder Tag, der ohne konsequente und richtige Massnahmen vergeht, macht das nachfolgende Chaos grösser. Im Fall Griechenlands sind so mindestens zwei Jahre vergangen.
Hässliche Sache
Niemand behauptet, dass ein Staatsbankrott eine schöne Sache sei. Sämtliche Gläubiger verlieren ihr Geld, darunter alle Sparer und Rentenanwärter. Der Zahlungsverkehr kommt zum Erliegen, die Kreditfähigkeit des Landes auf den internationalen Kapitalmärkten ist auf Jahre hinaus beschädigt. Parallel zum wirtschaftlichen Chaos entwickelt sich natürlich auch eine politische und gesellschaftliche Krise. Ein Zerfall der sozialen Ordnung, Aufruhr, möglicherweise bewaffnete Auseinandersetzungen, vielleicht sogar ein Bürgerkrieg. Aber: Es sind in der an Staatsbankrotten reichen Geschichte seit den Zeiten der Nationalstaaten keine Fälle bekannt, in denen sich dadurch ein Land aufgelöst hätte und von der Landkarte verschwunden wäre. Also erleben wir auch hier nicht das Ende Griechenlands.
Kaum Neuwahlen
Wenn unübersehbares Chaos um die Ecke lauert, erhebt sich mit logischer Konsequenz die Frage, wer als Ordnungsmacht bereitsteht, um Panik, Plünderungen, Faustrecht, Überlebenskampf und einen völligen Zerfall der Gesellschaft zu verhindern. Angesichts der aktuellen politischen Lage in Griechenland kann ja niemand im Ernst annehmen, dass das eine oder mehrere der existierenden politischen Parteien sein könnten. Wenn die Sache schnell ins Rutschen gerät, ist es nicht einmal sicher, ob es überhaupt noch zu Neuwahlen kommen wird. Es muss doch jedem klar sein: Das bisherige Gewurstel von Eurokraten und griechischen Regierungen hat nur tiefer ins Schlamassel geführt. Nur völlige Realitätsblindheit könnte zur Vermutung führen, dass eine Fortsetzung des Gehampels endlich eine Lösung der Krise, Zahlungsfähigkeit und wirtschaftlichen Aufschwung, bringen würde. Im Gegenteil.
Ordnungsmacht
Immerhin der Chefökonom der UBS, Andreas Höfert, fasst einen Aspekt des aktuellen Problems der EU mit Griechenland in ein treffendes Bild. Auf die Frage, mit wem die EU denn über die Fortsetzung der Schuldenvereinbarung sprechen solle, antwortet er: «... die Frage ist nur, mit wem Sie derzeit in Griechenland verhandeln wollen. Da nimmt niemand mehr den Hörer ab.» Das ist genau der Punkt: Selbst nach einem Staatsbankrott braucht das Land monatlich mindestens 3 bis 5 Milliarden Euro, um überhaupt die Grundfunktionen einer Gesellschaft, Ernährung, Strom, Wasser, soziale Ordnung, garantieren zu können. Und dieses Geld muss ja irgend jemanden in die Hand gegeben werden, der eine einigermassen korrekte Verwendung garantieren kann. Nur wem? Das Land wird ja zurzeit nicht einmal regiert. Auch da gebietet die Logik und die Abwesenheit jeglicher Altarnative nur einen Schluss: das Militär.
Schlimm und schlimmer
Das ist eine schlimme Perspektive, nur: Alles andere wäre noch schlimmer. Denn indem die Eurokraten das griechische Desaster zu einem europäischen Problem gemacht haben, hat der Staatsbankrott natürlich auch weitgreifende Auswirkungen. Zunächst und wie immer auf das europäische Bankensystem. Vor allem französische, aber auch deutsche, italienische und spanische Banken haben Griechenpapiere in ihren Bilanzen, deren Abschreibung auf Null sie nicht überleben würden. Auch die zentrale Notenbank EZB ist direkt und indirekt Gläubiger Griechenlands. Sie kann zwar nicht Pleite gehen, müsste aber auf entsprechende Staatsgarantien zurückgreifen, was im Endeffekt bedeutet, dass mal wieder der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Also ist es nicht nur im Interesse Griechenlands selbst, sondern der ganzen EU, dass in Athen ein einigermassen verlässlicher Gesprächspartner sitzt.
Wendehälse
Wenn diese Prognose eintrifft, das Militär übernimmt in Form einer Diktatur die Macht, werden wir erleben, wie auch hier die europäischen Politiker auf engstem Raum eine Kehrtwende vollziehen. Wer noch vor zwei Jahren behauptete, dass Griechenland kein Problem habe und Finanzhilfen kategorisch ausgeschlossen seien, wer noch vor einem Jahr behauptete, dass Griechenland garantiert nicht Pleite gehe, wird auch das hinkriegen. Aber diese als einzige eine Hoffnung bietende Entwicklung ist nicht ganz alternativlos. Es kann auch weitergewurstelt werden, bis Griechenland und vielleicht ganz Europa im Chaos versinken.