Von der Öffentlichkeit wurde dieser Skandal bislang kaum wahrgenommen. Das Fleisch kam aus dem Supermarkt. Erst als sich das Corona-Virus in Rheda-Wiedenbrück rasend schnell verbreitete, interessierte man sich nicht nur für das Schicksal der Arbeiter aus dem Osten, sondern auch für die Schweine, die im Akkord zerlegt werden müssen.
Schon im Januar 2020 hat der Deutsche Tierschutzbund der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einer Strafanzeige speziell im Zusammenhang mit der Haltung von Säuen in „Kastenständen“ gedroht. Kastenstände sind engste Käfige, in denen sich buchstäblich keine Sau bewegen kann. Aber Julia Klöckner, deutsche Weinkönigin von 1995/1996, zeigt in jedem Statement und jedem Interview auch in diesen Tagen, dass sie dieses Thema ebenso wenig berührt und interessiert wie die Kunden, die bei den Discountern auf Schnäppchen aus sind.
Wenn man die Bilder der Sauen in ihren hautengen Käfigen sieht, zwischen deren Gittern die Ferkel zum Saugen kommen, fragt man sich, wie Menschen auf derartig perverse Ideen verfallen können. Der Imperativ der „Steigerung der Produktivität“ zugunsten niedrigster Preise hat jeden Anstand, den die Menschen auch gegenüber den Tieren haben sollten, vernichtet. Und man versteht immer weniger, warum die Politik, die sich sonst auf jedes Detail des täglichen Lebens stürzt, um dafür irgendeine Vorschrift zu erfinden, nicht in der Lage ist, Mindeststandards für die Tierhaltung zu erlassen und vor allem auch durchzusetzen. Es sei denn, man schaut auf die putzmuntere deutsche Landwirtschaftsministerin.
Moralisch wiegt dieses Versagen deswegen besonders schwer, weil es für die Tierquälerei keine wirkliche Notwendigkeit gibt. Die Auswüchse der Massentierhaltung lassen sich nicht mit den vielen anderen Sünden vergleichen, die der Mensch in der Natur begeht. Auch dort werden aus Gier und Skrupellosigkeit schwerste Schäden angerichtet, aber ein erheblicher Teil der Umweltschäden hängt unlösbar mit der wachsenden Grösse der Menschheit, ihren Kulturen und Lebensformen zusammen. Auch der beste Wille kann diese Schäden nicht von heute auf morgen vermeiden, solange die technischen Möglichkeiten dazu noch nicht bestehen.
Tiere zu quälen, um sie als möglichst billiges Schlachtfleisch auf den Markt zu werfen, ist etwas anderes. Der Fleischkonsum ist nach Ansicht von Experten ohnehin zu hoch, ganz besonders in Deutschland. Und es ist auch nicht so, dass man lieb gewordene Gewohnheiten nicht ändern könnte, wenn der politische Wille dazu bestünde. Das Rauchen konnte schliesslich auch weitgehend abgeschafft werden. Wie wäre es, wenn auf die Packungen von Billigfleisch Aufkleber mit Bildern von Säuen in ihren Käfigen angebracht werden müssten?